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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

versucht wird. „Die ersten Bewohner des Erdballs bereits und zwar die bösen sowohl wie die guten“ – lesen wir in Paragraph 5 – „fanden es besser, sich in zahlreiche Gesellschaften zusammenzuthun, als einzeln zu leben, und die Nachkömmlinge sind dem Exempel ihrer Vorfahren gefolgt.“ Um aber das Verdienstvolle und Würdige des neuen Ordens, seine erhabenen und lauteren Tendenzen gehörig an’s Licht zu stellen, wirft sich Paragraph 8 zum strengen Sittenrichter und Tugendhelden auf, indem er über den „Mißbrauch“ klagt, „so in den jetzigen Zeiten eingerissen sei, durch ein läppisches Spielwerk, durch nichtswürdige Gaukelpossen und ein ausdecorirtes Nichts neugierige und leichtgläubige Gemüther unter der Larve eines Ordens zu betrügen,“ während der menschenfreundliche Urheber der Ducatensocietät, wie Paragraph 16 besagt, „eine Stiftung ausgedacht habe, die nicht allein dem gemeinen Wesen überhaupt, sondern auch gewissen einzelnen Personen zu wesentlichem Nutzen gereichen könnte.“

Diese philosophischen Betrachtungen hätten indeß begreiflicher Weise nicht den Speck geliefert, dessen man zu dem reichlichen Mäusefange bedurfte, den man erstrebte. Da mußten noch andere näherliegende und praktischere Motive zu Hülfe genommen werden, um den verlockenden Köder in ausgiebigem Umfange auswerfen zu können, und schlau genug wußte der erlauchte Graf des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und königlich preußischer Oberst dasjenige auszuwählen, welches in alten und neuen Tagen unter den packendsten und bestimmendsten obenan gestanden hat und bis in die fernste Zukunft wahrscheinlich auch stehen wird – er speculirte auf die menschliche Habgier. „Da derjenige allmonatlich gern einen Ducaten zur Societätscasse zahlen wird, der billig hoffen kann, nicht nur dieser Zahlung bald entledigt zu werden, sondern im Gegentheile monatlich viele Ducaten ohne jedwede persönliche Obliegenheit zu empfangen: so wird er selbst für den Ersten, so er für die Societät engagirt hat, von der Zahlung befreit,“ heißt es in der gedachten Urkunde weiter. „Der Zweite, den er engagirt, zahlet gleichfalls zur Societätscasse, für den Dritten aber empfängt er monatlich einen Ducaten für sich; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Casse, hingegen empfängt er wiederum für den Fünften einen Ducaten monatlich für sich. Dergleichen auch für den Siebenten, Neunten, Elften, Dreizehnten und sofort für jede ungerade Zahl monatlich seinen Ducaten. Wer also die Gelegenheit hat, ein halb Hundert Mitglieder zu dieser Societät zu engagiren, der macht sich monatlich eine Revenüe von vierundzwanzig Ducaten.“

Vortrefflich auscalculirt, und wie billig verfährt der Orden bei solcher Theilung! Selbstverständlich behält er freilich immer den ersten Theil für sich und streicht seine Ducaten ein, auch wenn es seinen Mitgliedern mit dem Apostelthum für die Societät nicht in’s Größere glücken will und manches derselben wohl nicht eine schöne Seele findet, welcher der Ueberfluß an Ducaten Kopfschmerzen verursacht. Die Ducatenspedition war mithin die Hauptsache des Bundes. Wer keine Lust verspürte, mehr als einen von seinen Ducaten zu opfern, der brauchte ja nur einen seiner Freunde für die Gesellschaft zu gewinnen, was jedenfalls keine absonderliche Mühe kostete, und dieser setzte dann das vorzügliche Goldwanderungsgeschäftchen fort, und so mit Grazie in infinitum. Zu welchem Zwecke diese ganze Ducatenjagd im Grunde in Scene gesetzt worden war, davon mögen nur Wenige sich Rechenschaft gegeben haben. Sah man sich doch als Mitglied eines geheimen Ordens am Ziele vielleicht lange sehnsüchtigst genährter Wünsche; denn „geheim“ war die Gesellschaft, mußte doch Jeder geloben, nur denen die Statuten derselben zu offenbaren, die bereits versichert hatten, dem Orden beitreten zu wollen. Auch drohte dem Verräther „schauerliche“ Strafe, eine geheime Vehme mit allen möglichen grausigen Schrecken und Bußen, Haft in finsteren Verließen und nervenerschütternde Ceremonien. Gerade dieser – auf dem Papiere stehende – Schauerapparat, die erregte Neugier und das so angenehme Gruseln thaten, wie bei anderen ähnlichen Vereinen auch, das Ihrige, zur Mitgliedschaft des Bundes anzureizen.

„Kaum“ – so steht ferner in der Ordensschrift zu lesen, der wir in unserer Darstellung folgen – „kaum hatten die Ordensstatuten (die in drei Sprachen, der deutschen, der französischen und der holländischen, gedruckt sind) durch die Mitglieder eine gewisse Verbreitung zu finden begonnen, als sich gleich Viele meldeten, so Lust bezeigten, in die Löbliche Societät zu treten; welches um so mehr zu bewundern ist, je weniger anfänglich weder von dem Aufenthalte noch auch von den Stiftern und der eigentlichen Beschaffenheit dieser neuen Societät icht was zu erfahren war, inmassen man der Neugierigkeit des Publici hierinnenfalls mit Fleiß nicht ehender ein Genügen leisten wollen.“ Dieser „Bewunderung“ des Wied-Runkelischen Hofrathes und Ordensseniors möchten wir unsererseits uns indessen nicht anschließen; wir sind vielmehr davon überzeugt, daß der größte Reiz, den der Orden auf die Gemüther der Menschen ausübte, im Gegentheile darin bestand, daß man so wenig oder nichts von der Beschaffenheit und den Zwecken der Gesellschaft wußte; die Lockung des Geheimnißvollen ist ja schier unwiderstehlich. Das hatte der erlauchte Stifter gar wohl bedacht. Ein anderer seiner Kunstgriffe war der, daß die Aufnahme-Certificate durch die Unterschrift eines hochgräflichen Buchhalters ein besonderes Relief erhielten, das von der Societät selbst eine hohe Meinung einflößte. Ein Orden, hinter dem man Personen sehr vornehmen Standes vermuthete, durfte von vornherein darauf zählen, daß sich das Publicum nach dem Glücke drängte, in seine Reihen aufgenommen zu werden, selbst dann noch, wenn der Bund schon als der abgeschmackteste Humbug enthüllt war. Der Ducatenorden unterschied sich von der Mehrzahl der geheimen Gesellschaften, die sich entweder blos aus männlichen oder nur aus weiblichen Mitgliedern zusammensetzten, dadurch, daß er beide Geschlechter aufnahm. Auch die religiösen Anschauungen des Vereins ruhten auf breitesten Grundlagen, wie das die Eingangs der Schrift ausgesprochene Naturrechtsphilosophie nicht anders erwarten läßt. „Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer Einrichtung einen verhaßten Einfluß haben, welche sich auf die richtigen Sätze der Tugend und Geselligkeit gründet und die wahre Menschenliebe zu ihrem Wegweiser hat,“ heißt es sehr schön und hochsinnig auf Seite 21 unserer merkwürdigen Urkunde. Und schon das erste Mitgliederverzeichniß hat einen Israeliten aufzuführen, der bereits sechs Wochen nach der Stiftung der Societät um Aufnahme in einen Bund ersuchte, dessen Name einen so verführerischen Klang hatte.

Ehe noch das Jahr 1746 abgelaufen, besaß der Orden schon neunundvierzig Ritter und Ritterinnen, zu Ende Juli 1747 aber bezifferten sich seine Mitglieder auf die erkleckliche Menge von vierhundertundsechszehn. Der Orden war nun vollkommen constituirt. Er hatte seinen jetzt öffentlich bekannten Stifter und Director, einen Protector (den regierenden Monarchen von Neuwied), sieben Senioren, einen Schatzmeister, einen Secretär und einen Archivar. Die ersten Mitglieder waren, wie erwähnt, in Wesel stationirte Officiere und Beamte, auch mehrere Bewohner von Neuwied, unter ihnen das gesammte hochgräfliche Haus. Auch Damen traten schon in den ersten Monaten der Gesellschaft bei, und bald kommen Gräfinnen und Edelfräulein, Pastorinnen und Bürgerfrauen, sich ihrer Ducaten zu entledigen. Selbst kleine Handwerker konnten die Lust nicht bezähmen, einem so vornehmen Orden anzugehören. Ueber Deutschland hinaus scheint sich die löbliche Societät jedoch nicht verbreitet zu haben, trotz ihrer dreisprachigen Statuten, innerhalb Deutschlands aber sind fast alle größeren Städte unter der Mitgliederzahl vertreten, vorzugsweise Dresden und Berlin. Von geschichtlichen Namen finden wir darunter nur den Gleim’s, der, nachdem er seine Stelle als Secretär des alten Dessauers niedergelegt, damals in der preußischen Hauptstadt privatisirte.

Die erste Versammlung des Ordens, oder doch seiner ältesten Mitglieder, ward im April 1747 zu Wesel abgehalten. Es hatte sich nämlich inzwischen die Kritik geregt und den Vorstand der Gesellschaft mit allerhand naseweisen Anfragen belästigt; sind ja die vortrefflichsten und weisesten Einrichtungen nicht vor dergleichen Vorwitz geschützt. Da galt es denn zu beruhigen und noch unliebsameren Forschungen vorzubauen, die am Ende das ganze hochpreisliche Institut in Frage stellten. Zugleich waren mancherlei andere Bedenken zu erledigen, um für kommende Eventualitäten Vorsehung zu treffen. Herr von Gudenius berichtet über die Versammlung und alle diese Punkte und Anliegen. Um der Menschheit aber gewissermaßen plastisch und handgreiflich vor Augen zu führen, welches Glück es sei, sich Ritter vom Ducatenorden nennen zu dürfen, fügt der Verfasser seiner Schrift eine bildliche Darstellung bei, die uns zeigt, „welchen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_708.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)