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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Bürgermeister und Bürgersleute.
Nr. 4. Karl Wilhelm Otto Koch, Bürgermeister von Leipzig.

Jedes Volk erlebt einmal mindestens eine Zeit, wo das ganze Geschick desselben in der Hand eines Volkshelden zu ruhen scheint. Oftmals stirbt die Blüthe des Volkslebens für immer dahin mit diesem Helden; oftmals auch vererbt sich dieses Einen Geist und Charakter dem ganzen Volke in einer langen Reihe tüchtiger Geschlechter.

Dr. Karl Wilhelm Otto Koch.
Originalzeichnung von Adolf Neumann.

Auch in jedes Menschen Leben tritt mindestens einmal bahnbrechend und leitend der Einfluß eines einzigen hervorragenden Menschen zu Tage: zum Guten, zum Bösen. Dieser leitende Geist ist vielleicht unser Vater, unsere Mutter, vielleicht ein Lehrer, ein Buch, ein Vorgesetzter, ein Freund. In irgend einer Gestalt kommt er Jedem einmal im Leben.

So hat auch – wenigstens im alten Europa – jede nennenswerthe Stadt Tage gesehen, deren Glanz und Ruhm den Stempel eines einzigen bedeutenden Bürgers trug. Jenseit des Oceans mag das anders sein. Da muß es die Masse bringen. Von Massen werden Städte dort gegründet; Massen erheben sie zu Großstädten, der Einwohnerzahl nach; selten ragen Einzelne hervor im Meere der Zeit aus dem ungeheuren Gewoge der Mittelmäßigkeit. Aber bei uns, namentlich in Deutschland, wo so viel langsamer und historischer gelebt wird, stellt uns die große Epoche jeder unserer alten Städte auch scharf und klar das Bild eines Mannes vor Augen, dem diese einzige oder dauernde Blüthe zu danken war. Was wäre Berlin ohne Schinkel und Ranch, München ohne König Ludwig den Ersten, Dresden ohne die polnischen Auguste, Weimar ohne Karl August und Goethe, Straßburg ohne Erwin von Steinbach und die Humanisten, Colberg ohne Nettelbeck – und was wäre das moderne Leipzig ohne seinen heimgegangenen Bürgermeister Dr. Koch?

Der Schreiber dieser Zeilen ist kein Freund von Autoritäten. Er ist überzeugt, daß der gesunde Bürgersinn der Stadt Leipzig unter allen Umständen Tüchtiges schaffen, die Wohlfahrt, die Größe, den deutschen Ruf dieser Stadt stets fördern wird, gleichviel, wer immer an der Spitze der städtischen Verwaltung stünde. Dazu kommt, daß sicherlich ein ganz erheblicher Beitrag

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_631.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)