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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


So woll’n wir einand’ ausklopfen das Leder.
Dieweil Ihr stets naget an der Feder
Und wollt die gar zureißen,
So muß man Euch auf die großen mäuler schmeißen,
Daß darüber läuft das Blut.
Solche Kappen sind Euch Marxbrüder gut.

Ihm antwortet sogleich ein Altreiß (Altflicker) und Marxbruder:

Die Marxbrüder mit ihrer Kunst
Haben bei Fürsten und Herren Gunst.
Drum frisch her, Ihr Federfechter, ohn’ allen Scherz!
Und wer dann hat ein Mannesherz,
Der komm herauf auf diesen Plan!
So wöll’n wir sehn, wer’s am besten kann,
Und einand’ um den Kopf gehn, wie d’Büttner um’s Faß.
Wer’s nit wohl kann, der lerne es baß!

Bald kracht und klingt es an allen Ecken und Enden. Feuerfunken sprühen auf aus den stählernen Waffen, wohin man blickt. Immer verbissener werden die Kämpfer, und der Bader hat nicht genug Hände, die blutigen Köpfe zu verbinden, denn

Die zuvor gute Gesellen gewesen seindt,
Ist jetzt keiner des andern Freund,
Zusammenstoßen Kopf an Kopf,
Und Stirn an Stirn zusammenknallt,
Bis einer gar zu Boden fallt.

Das zuschauende Volk drängt aus der Straße immer weiter in den Hof. Der von den überfüllten Galerien bei jedem guten Hiebe herabtönende Zuruf erhitzt die Fechter immer mehr. Staub und Gedränge, wohin man blickt, dazu das Klirren und Schmettern der Waffen, der wilde Kampfruf der Fechtenden – wahrlich ein Bild, den römischen Fechterspielen an Wildheit wenig nachstehend.

Jetzt scheint der Zeitpunkt gekommen, wo den Rathsboten das Einschreiten der „Platzwärtel“ nöthig erscheint. Auf ihren Wink springen letztere mit dem ledernen Dussak in das dichteste Gedränge, und so wild der Kampf bis jetzt gewesen, so humoristisch, ganz im Sinne des derartige Späße liebenden Volkes, ist der Ausgang desselben. Links und rechts fliegen die Hiebe des ledernen Prügels; Geschrei, Gelächter überall, wo dieselben Platz fassen, denn Niemand wird geschont, der im Wege steht; selbst der Fechtmeister bekommt seinen gehörigen Theil ab. Der Platzwärtel

Schmieret zu ohn’ alls Gefehr
Und kommt gleich hinter ihm auch her.
Trifft ihn so weidlich über’n Rücken,
Daß er sich mußte darnach bücken:
Er schmirzte ihn in seinem g’wissn,
Mußt’s han, als hätt’ ihn ein Hund g’biss’n.

In kürzester Zeit ist Ruh und Ordnung hergestellt, denn der noch Widerstrebende wird in’s Loch (Gefängniß unter dem Rathhause) gesteckt. Diesmal sind die Federfechter Sieger geblieben. Sie tragen vier Kränze davon, während die Marxbrüder nur einen gewinnen. Nach und nach leert sich der weite Hof, und das lebhaft über den Kampf debattirende Volk verliert sich in den Straßen. Der wilde Grimm der Fechter aber scheint verdampft, denn die sich noch eben so blutig bekämpft, ziehen jetzt, vorausgesetzt, daß die erhaltenen Schrammen es erlauben, einträchtig ihren Herbergen und Trinkstuben zu.

Wir wissen nicht, was bei diesen blutigen Spielen mehr anzustaunen, die Körperkraft der Fechter oder die Dicke ihrer Schädel. Wahrscheinlich fielen die meisten Schwerthiebe flach, und nur unter dieser Voraussetzung können wir uns die verhältnißmäßig geringe Anzahl tödtlicher Verwundungen erklären, obgleich einzelne Glieder, wie Nasen, Augen, Arme etc., der Kampfeswuth genügend zum Opfer gefallen sind. Abraham a Sancta Clara schreibt hierüber sehr bezeichnend: „Gleichwohl geschieht es gar oft, daß aus dem Marksbruder ein Merksbruder wird, so er etwann ein Aug’ verliert, aus dem Federfechter ein Lederfechter, wann er mit zerrissener Haut ein Kehraus tanzet.“

Mit dem verfeinerten Geschmacke bürgerten sich allmählich andere und edlere Belustigungen in Nürnberg ein, obschon derartige Fechterspiele bis zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts abgehalten worden sind und auch da noch eifrige Verehrer gefunden haben. Die letzte Nürnberger Fechtschule fand am 21. November 1698 statt; auf wiederholte Vorstellungen der Geistlichkeit sollen derartige Schauspiele von da an gänzlich abgestellt worden sein.




Wie ich das Unions-Jubiläum feierte.
Von Theodor Kirchhoff.
Paris in Texas, am 6. Juli 1876.     

Der Morgen des 4. Juli, an welchem Tage die große Republik des Westens bekanntlich ihren hundertjährigen Geburtstag feierte, fand mich, auf der Missouri-, Kansas- und Texas-Eisenbahn im Territorium der indianischen Nationen lustig gen Süden kutschirend, in der frohen Hoffnung, noch am Nachmittage desselben Tages die Stadt Denison, das neue Emporium des nördlichen Texas, zu erreichen. Ich hoffte wenigstens noch die letzten Pelotonfeuer vom Geknatter der fire-crackers, Schrotflinten, Pistolen, chinesischen Bomben, Amboßsalven etc. und all den obligaten Skandal und Festlärm, womit Amerika seinem übersprudelnden Patriotismus Ausdruck zu geben liebt und der an diesem Tage hundertfach verstärkt sein sollte, miterleben zu können. Aber meine christliche Geduld und meine Anhänglichkeit an mein Adoptivvaterland sollten an diesem Tage seiner Säcularfeier auf eine harte Probe gestellt werden.

Es hatte während der letzten Woche geregnet. Was das im Süden heißen will, weiß Jeder, der in diesen Gegenden einem solchen Naturereignisse beigewohnt hat. Der Regen fällt nicht etwa tropfenweise, sondern in förmlichen Wasserschichten vom Himmel herab; fortwährendes Blitzen flammt dabei durch die Wolken, und der Sturmwind heult wie rasend dazwischen: ein Aufruhr der Elemente, der sich vom Fenster eines trockenen Hauses pompös ausnimmt, der aber unter freiem Himmel nichts weniger als gemüthlich ist. Die Fahrstraßen und Schienenwege, und namentlich die Brücken haben bei einem solchen Sündfluthregen erklärlicher Weise viel zu leiden, und der Verkehr auf den Eisenbahnen wird oft auf längere Zeit ganz unterbrochen.

Auf unserem Zuge ging das Gerücht, daß der Regensturm die Brücken über den Arkansas- und den Canadianfluß und namentlich die über den wilden Red River etwas beschädigt hätte; Genaueres war vorläufig über den Umfang der „Beschädigungen“ nicht zu erfahren. Wir Reisenden ließen uns also deshalb just keine „grauen Haare“ wachsen und genossen mit voller Lust das herrliche Wetter und den warmen Sonnenschein, den tiefblauen Himmel und das saftige Grün der Prairien und Urwälder, durch welche unser Dampfzug im Gebiete der halbcivilisirten indianischen Nationen – der Cherokees, Creeks und Choctaws – dahineilte.

Der hoch angeschwollene Arkansasfluß lag glücklich hinter uns. Unser Dampfzug erreichte das Ufer des South-Canadian, dessen finstere Fluth von einer langen Eisenbahnbrücke überspannt wurde, die jedoch von dem Hochwasser etwas aus den Fugen gerathen war. Langsam fuhr unser Zug, nachdem die Locomotive allein den Bau erst geprüft, über die Brücke. Daß die Mehrzahl der Passagiere es vorzog, zu Fuß hinüber zu marschiren, wird uns der Leser hoffentlich nicht als ein Zeichen von Hasenfurcht auslegen, denn der wild brausende Fluß, auf dessen schlammigen Wogen eine Menge von entwurzelten Baumstämmen trieb, die öfters mit Gewalt an den Brückenpfeiler stießen, ließ uns die Passage zu Fuß etwas sicherer erscheinen, als im Waggon eingepfercht hinüber expedirt zu werden.

Einige hundert Choctaw-Indianer, welche am Ufer des Canadian zur Feier des Tages ein „Barbecue“, eine Art Piknik, wobei am Spieß gebratene unzerlegte Ochsen als Festmahl die Hauptanziehungskraft bilden, arrangirt hatten und die sich gerade mit Ballspiel belustigten, brachten Leben in das malerische Bild unseres Flußüberganges. Ein solches indianisches Ballspiel ist ein Unicum im Vergnügen des Ballwerfens. Die Bälle dürfen dabei nicht mit der Hand berührt, sondern müssen mit Korbgeflechten, die in Form einer Kelle am Ende eines Stabes befestigt sind, von denen jeder Ballspieler zwei in Händen hat,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_590.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)