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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Menschen von sorgfältiger Erziehung und weltmännischer Bildung, die unverkennbaren Gewohnheiten der guten Gesellschaft. Niemals auch hat die schalkhafte und harmlose Naivetät dieses Schauspielers selbst in frivol gearteten Kreisen zu einem respectlosen Verhalten gegen seine Person geführt, weil man sehr bald herausfühlte, daß jene Eigenschaft bei ihm keine affectirte und erkünstelte war, daß dahinter ein solider Grund tüchtiger und ehrenhafter Gesinnung, viel kluge Lebenskenntniß und gesunder Verstand, vor Allem aber eine echte Wärme des Herzens lag, die in dem Charakter Wallner’s durch den Reiz der Liebenswürdigkeit ersetzte, was ihm an geistiger Bedeutung und Tiefe vielleicht gemangelt hat.


Franz Wallner.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.


Im Laufe der Unterhaltung ließ er gar herzige Späße und charakteristische Anekdoten durch seine meistens pikanten Urtheile und scharfen Bemerkungen über Literatur und Kunst, über Personen und Zustände aller möglichen Orte und Gegenden blitzen, und dies Alles in dem urwüchsig behäbigen wienerischen Dialect, der in jener Zeit der unaufgerührten politischen Differenzen einen noch viel bestrickenderen Zauber für das norddeutsche Ohr hatte, als jetzt.

Diese Sprechweise seiner Heimath gehörte zu den unverwüstlichen Merkmalen Wallner’s, ungerecht aber wäre es, seine einstmaligen Bühnenerfolge etwa allein auf Rechnung des Dialects zu setzen. In der ganzen Erscheinung der von ihm geschaffenen und künstlerisch durchgearbeiteten Gestalten hatte sich vielmehr die gemüthvolle Komik, der poesiereiche Humor des vormärzlichen Wien zu drastischem Leben verkörpert. Das war es , womit er die Herzen ergriff, wodurch er die Zuschauer bald in stille Rührung versetzte, bald zu stürmisch ausbrechendem Gelächter fortriß, sodaß bei seinem Auftreten die Häuser immer von Neuem bis auf den letzten Platz sich füllten. Wer Wallner einmal auf der Bühne gesehen und z. B. nur seinen meisterhaften Vortrag der Lieder aus den Wiener Volksstücken gehört, namentlich das bekannte „Hobellied“ Valentin’s im „Verschwender“, der wird ihn sicher lieb gewonnen und nicht wieder vergessen haben. Wie ein alter Bekannter war er zu mir eingetreten; wie längst vertraute Freunde schieden wir von einander, als er mich nach einer Stunde wieder verließ, um seine Besuchswanderungen in der weitläufigen Hauptstadt nach der Angabe einer großen Liste fortzusetzen, auf die er hin und wieder einen Blick geworfen hatte.

Ueber seine Vergangenheit, obwohl er derselben sich nicht zu schämen brauchte, hat er nur den Vertrautesten einen kargen Aufschluß gegeben. Auch für ihn waren die ersten Schritte auf der künstlerischen Laufbahn keine rosigen gewesen. Wider den Willen seiner kaufmännischen Familie war er im zwanzigsten Lebensjahre seiner unbezwinglichen Leidenschaft für das Theater gefolgt, und einige Jahre hindurch hatte nun der in häuslichem Behagen erzogene großstädtische Jüngling bei verschiedenen in Oesterreich umherziehenden kleinen Reisetruppen mit der Romantik eines solchen Wanderlebens auch alles Elend und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_565.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)