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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


de Paris“, in denen jede Zeile ein Epigramm war. Die Folgen dieser satirischen geistreichen Journalistik konnten nicht ausbleiben. Wolff erntete eine Reihe von Herausforderungen, die indeß nur theilweise zum Duell führten – ein wahrer Schmerz für Herrn Villemessant, der nichts lieber sah, als wenn seine Redacteure neben der Feder auch die Klinge handhabten. Endlich übernahm Wolff mit zwei oder drei anderen Mitarbeitern gemeinsam den Leitartikel, der im „Figaro“ bekanntlich nur selten die Politik, sondern meistens Gegenstände der Wissenschaft, der Kunst, der Gesellschaft etc. behandelt. Zweimal wöchentlich bietet er hier den Parisern seine geistreiche Prosa, und noch immer hat er seine Leser zu fesseln und zu entzücken gewußt. Die Franzosen, die sich an dem echt pariserischen Parfum dieser Aufsätze laben, wissen nicht, daß es vielleicht gerade der Kern der deutschen Bildung ist, der ihnen die Wolff’schen Plaudereien so interessant macht.

Wolff besitzt einen größeren Wörterschatz als die meisten französischen Journalisten; denn mit dem Umfange der Kenntnisse wächst auch der Umfang des Lexicons. Merkwürdiger Weise hat unser Autor das Französische niemals eigentlich systematisch studirt. Seine phänomenale Beherrschung dieses fremden Idioms ist eine rein instinctive. Die Grundlagen zu dieser Beherrschung hat er schon während seines ersten Aufenthaltes in Paris gelegt; in der Glasmalerei, wo er als junger Mensch thätig war, wurde während der Arbeit fast unausgesetzt vorgelesen. Merkwürdig ist bei einem so vollendeten Erfassen des fremden Sprachgenius, daß Wolff nicht im Stande ist, einen französischen Vers zu schreiben, während er ein deutsches Gedicht mit der größten Leichtigkeit improvisirt.

Wir haben noch einige Worte hinzuzufügen über Wolff’s politische Stellung. Beim Ausbruche des Krieges von 1870 und 1871 war er einer der Ersten, die Frankreich verließen. Er begab sich nach Brüssel, von wo er mit begreiflichem Schmerze dem Kampfe zwischen seinem Adoptivvaterlande und seiner Heimath zuschaute. Erst Ende October 1871 kehrte er nach Paris zurück. Villemessant empfing ihn auf’s Freundlichste. Die übrigen Redacteure des „Figaro“ schienen anfangs nicht übel Lust zu haben, die Cabinetsfrage zu stellen, aber Villemessant erklärte: „Wolff bleibt, und sollte ich seinetwegen mein gesammtes Personal entlassen.“

Man machte dem „Prussien“ nun den Vorschlag, hinter einem Pseudonym dem Grolle der Preußenfeinde auszuweichen. Wolff aber wies diese Zumuthung rundweg von der Hand. Sein erster Artikel nach der Rückkehr in der Nummer vom 27. October 1871 machte den Parisern den Standpunkt klar. Wolff versicherte, er werde, wie dies seine schwierige Stellung erheische, die Berührung politischer Fragen auf’s Strengste vermeiden. Dagegen komme es ihm wie eine Feigheit vor, wenn er hier, wo er so lange zu Haus gewesen, unter einer Maske auftreten wolle. „Ich brauche,“ so schloß der Artikel, „vor Niemand die Augen niederzuschlagen, und so trete ich denn kühn und gelassen in’s offene Tageslicht und zeichne wie früher: Albert Wolff.“

Der Artikel erregte ungeheure Sensation. Einzelne Chauvinisten schimpften über den frechen Teutonen, der sich so vor ganz Paris in die Brust werfe, die Einsichtsvollen aber begriffen, daß man sich in der Lage dieses französischen Journalisten von deutscher Geburt nicht tactvoller und würdiger benehmen könne. Seitdem haben sich die Schwierigkeiten die sich dem Wirken unseres Autors entgegenstellten, von Jahr zu Jahr erfreulich vermindert.

Neben seiner Thätigkeit als Journalist hat Wolff eine Reihe kleinerer und größerer Lustspiele, sowie verschiedene Romane und geschichtliche Studien geschrieben; sein Schwerpunkt liegt jedoch in der eigentlichen Causerie. Auf diesem Gebiete ist er vielleicht der populärste Meister des heutigen Frankreichs. Auf seinen zahlreichen Wanderungen durch Belgien, Deutschland, Oesterreich und den Orient konnte er diese Popularität auf Schritt und Tritt constatiren. Dem Plauderer des „Figaro“ öffneten sich alle Pforten; selbst der Sultan, dem man sonst keine hervorragende Leidenschaft für geistige Interessen zuschreiben konnte, überhäufte ihn mit Ehrengeschenken und Auszeichnungen.

So hat sich „der Deutsche des Herrn Dumas“ aus den kleinsten Anfängen zur Höhe eines der ersten Journalisten Frankreichs emporgearbeitet. Ein behagliches, kunstmäßig gestaltetes Leben, reich an geistigen Anregungen aller Art, entschädigt ihn für die mühevollen und unerquicklichen Jahre des Kampfes. Mit Frankreichs ersten Autoren, wie Dumas Fils, Victorien Sardou, Victor Hugo und Anderen verbindet ihn eine vieljährige Freundschaft. Aber auch in Deutschland, wo er alljährlich seinen Sommer verbringt, hat er eine Fülle interessanter Beziehungen. Die Entwickelung der deutschen Literatur verfolgt er mit regstem Interesse. Kurz, er ist ein zur schönsten Harmonie des Daseins entwickelter Mann aus eigener Kraft, der die schwierige Aufgabe löst, beiden Nationen anzugehören, ohne daß eine von beiden ihn zu verleugnen brauchte.




Weltausstellungsskizzen.
Von R. Elcho.
2. Die Ackerbauhalle und die Regierungsausstellung.


Im Bauernkriege wurde jener Graf Helfenstein in grausiger Weise abgeschlachtet, welcher einst in übermüthiger Laune versicherte, er wünsche, daß sich all seine Güter in Erdbeeren verwandelten, damit er sie verschmausen könne. Wie schade, daß der edle Feudalherr nicht ein Kind unserer Zeit war! Hier in Amerika hätte er sein Eldorado gefunden. Durch den Ruf „Frische Erdbeeren“ wird derzeit – ich rede von den warmen Junitagen – der Bewohner Philadelphias aus dem Schlafe geschreckt, und wenn er sich Abends müde zur Ruhe legt, so summen die „frischen Erdbeeren“ noch verdämmernd in seine Traumwelt hinüber.

Aber nicht nur Erdbeeren, sondern auch Bananen, Orangen, Ananas und Gemüse aller Art werden in den Straßen ausgerufen oder besser ausgesungen. Und wie billig der Preis ist! Eine fleckenlose Ananas kostet sechs Cents, ein Körbchen Erdbeeren fünf, die Banane einen Cent. Noch billiger sind die Pfirsichen, deren Güte jener unserer Aprikosen gleichkommt. Philadelphia scheint ganz von Erdbeergärten umgeben zu sein, denn es werden erstaunliche Mengen dieser duftigen Frucht eingeführt und consumirt. An Größe und Schönheit erreicht die hiesige Erdbeere unsere besten Garten-Erdbeeren, allein die aromatische Wald-Erdbeere scheint ganz zu fehlen. Vor zwei Jahrzehnten war hier großer Mangel an wahrhaft gutem Obste, aber in dem Maße, wie die Cultur des Landes eine ältere wird, gelingt es auch edlere Obstsorten zu gewinnen. Hier im Osten giebt es jetzt saftige Birnen, duftige Aepfel und süße Trauben in Hülle und Fülle, und wenn wir einen Gang durch die Ackerbauhalle machen, so überzeugt uns der Augenschein, daß auch westliche Staaten, wie Iowa und Californien, eine große Zahl edler Obstsorten haben.

Die Ackerbauhalle wird mit ihren grünen Dächern von drei Reihen mächtiger Spitzbogen getragen. Durch den weißen Anstrich jener Bogen und die helle Beleuchtung gewährt jede einzelne dieser Reihen eine schimmernde Perspective, und das Innere der Halle erinnert an einen Eispalast. Hier haben die fremden Nationen – mit geringen Ausnahmen – nur jene Handelsproducte ausgestellt, für welche sie hier zu Lande einen guten Markt zu finden hofften.

Ein junger Staat aber scheint eine ärmliche Ausstellung seiner Erzeugnisse nur zu dem Ende veranlaßt zu haben, um dem farbigen Theile der nordamerikanischen Bevölkerung eine dringende Bitte an’s Herz legen zu können. Ich spreche von der Republik Liberia an der afrikanischen Westküste, die vor wenigen Jahrzehnten gegründet wurde, um den befreiten Sclaven eine Heimath zu schaffen. Trotz aller Unterstützung, welche dem kleinen Staatswesen zu Theil wurde, scheint dieses in wirthschaftlicher Beziehung auf keinen grünen Zweig zu kommen. Ueber einer bescheidenen Ausstellung von Palmölseife, Kaffee, Bast und Netzen hängen die Bilder der beiden ersten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_507.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)