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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Hause wohnten die Hauptleute Schiller und von Hoven mit ihren Familien zur Miete, und deren älteste Söhne, beide Fritz genannt, spielten dem Setzer fast täglich einen neuen Streich; Schiller’s Eltern waren mit dem Buchdrucker Cotta auch gesellschaftlich verbunden, wie wir denn Letzteren als Pathen bei einer früh gestorbenen Tochter des Schiller’schen Hauses verzeichnet finden.

Johann Friedrich Cotta ward 1764 in Stuttgart geboren, war also fünf Jahre jünger als Schiller. Seine Neigung trieb ihn anfangs zum Militärstande, später zur Jurisprudenz, deren Studium er in Tübingen mit Auszeichnung absolvirte. Nach einem Aufenthalte in Paris ward er 1785 in die Zahl der Hofgerichtsadvocaten zu Tübingen aufgenommen und als solcher in der Liste und dem Staatshandbuch weiter geführt bis in das Jahr 1812. Auch Schiller hat von Cotta’s advocatorischer Thätigkeit Gebrauch gemacht bei der Regulirung seiner mütterlichen Erbschaft 1802. Erbschaftsregulirungen haben immer ihre geheimen und offenen Dornen; die fehlten auch hier nicht, Cotta aber wußte so tactvoll die Ehre wie die Interessen seines Clienten zu wahren, daß Schiller ihm damals voll Dank schrieb: „Ich sehe mich auch hier, wie in allen unsern Verhältnissen, Ihrer Einsicht und freundschaftlichen Sorgfalt unendlich verpflichtet. Wahrlich, ich darf mich eines Freundes rühmen, wie ihn wenige besitzen, der meine Angelegenheiten völlig zu den seinigen macht und in dessen Händen sich Alles, was er übernimmt, zu meinem Besten wendet.“

Dieser mit umfassender wissenschaftlicher Bildung ausgerüstete Mann, der durch Umgang mit Tübinger Buchhändlern sich auch einige Kenntnisse dieses Geschäftszweiges angeeignet hatte, entschloß sich auf den Antrag seines Vaters in seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahre, Buchhändler zu werden, um das verfallene Tübinger Geschäft zu übernehmen. Noch existirt der Brief, in welchem Cotta sich an eine der ersten damaligen Autoritäten dieses Faches, Ph. E. Reich, Inhaber der Weidmann’schen Officin in Leipzig, mit der Anfrage wandte, wie er den Werth der Handlung und danach den Kaufschilling bestimmen solle, und mit der Bitte, sich in schwierigen Fällen an ihn wenden zu dürfen. Am 1. December 1787 trat er in den Besitz der väterlichen Handlung, deren äußere Technik er mit unermüdlichem Eifer sich anzueignen strebte. Das Geld gesteht er „entlehnt“ zu haben, und knappe Tage hat er gehabt. Aber 1789 associirte er sich mit einem andern Juristen, Dr. Zahn (der später die bekannte Volksmelodie zu Schiller’s Reiterlied: „Wohlauf Cameraden“ componirte), und gelangte dadurch in den Besitz der zu ausgedehnterem Betriebe nöthigen Fonds, und als 1797 sich Zahn von ihm trennte, war bereits durch die Verbindung mit Schiller der Grund zur Blüthe und Größe des Verlags gelegt.

Schiller war Professor in Jena. Um seinen durch schwere Krankheit erschütterten Körper zu stärken, um seine Eltern und sein heimathliches Schwaben wiederzusehen, an dem er stets mit großer Liebe hing, war er mit seiner Gattin im Sommer 1793 nach Heilbronn, von da nach Ludwigsburg gezogen, und im Februar 1797 nahm er noch auf wenige Monate Aufenthalt in Stuttgart. Beim Besuche eines Freundes in Tübingen wird er Cotta’s persönliche Bekanntschaft gemacht haben, der gerade damals den wichtigen Schritt vorhatte, sich mit einem Pfarrerstöchterchen aus Kilchberg bei Tübingen zu verheirathen, und also um so mehr Veranlassung hatte, seiner äußeren Existenz eine solide Basis zu geben. Seinem Geschäftsgrundsatze gemäß, die besten Autoren aufzunehmen, bat er den Dichter des „Don Carlos“ um ein Werk für seinen Verlag. Schiller versprach es gern und entnahm auf Conto dessen einen Vorschuß von zweihundert Reichsthalern von ihm: das war die Eröffnung des Geschäfts. Mit dem Briefe Cotta’s, welcher bereitwilligst das Erbetene auf Ende April verheißt, beginnt der vorliegende Briefwechsel. Anfang Mai, wenige Tage vor Schiller’s Heimkehr nach Thüringen, kam Cotta nach Stuttgart; beide Männer machten einen Ausflug nach Untertürkheim in’s Neckarthal, der sie einander auch gemüthlich sehr nahe gebracht zu haben scheint. Auf der Rückkehr wird auf dem Kahlenstein (heute Rosenstein) zwischen Stuttgart und Cannstatt, einem der lieblichsten Aussichtspunkte Schwabens, eine große politische Zeitung und ein großes schönwissenschaftliches Journal verabredet; beide sollte Schiller redigiren. Aus ersterem Plane, den übrigens Schiller bald von Jena aus von sich ablehnte, entstand 1798 die „Allgemeine Zeitung“, das noch heute rühmlichst bekannte Weltblatt „Die Augsburger Allgemeine“, aus letzterem gingen die Schiller’schen „Horen“ hervor, eine in Monatsheften erscheinende Zeitschrift, die in drei Jahrgängen (1795 bis 1797) erschien und das Band zwischen Schiller und Goethe an-, das zwischen Schiller und Cotta festerknüpfte. Es kann hier nicht meine Absicht sein, das Schicksal dieser und anderer Unternehmungen des Schiller’schen Genius und des Cotta’schen Verlags zu erzählen; ich möchte nur den Verkehr der beiden Männer in charakteristischen Zügen schildern. Wenn die zahlreichen, rein geschäftlichen Billets, welche über Papier, Druck, Vertheilung des Manuscripts auf die einzelnen Hefte, Kupfer, Buchbinderei etc. zwischen Jena und Tübingen die Verhandlungen hin- und hertrugen, auch zu nichts Anderem nütz wären (sie sind es aber), so würden sie schon werthvoll sein, weil sie Schiller’s klare Geschäftspraxis und Cotta’s unermüdliche Bereitwilligkeit zeigen. In der That, nie sagt Cotta zu Schiller’s Wünschen Nein, über seine Casse und über seinen guten Willen gebietet er unumschränkt. Auch als von Jahr zu Jahr die Abbestellungen der „Horen“ sich mehren, kommt kein Laut der Klage über Cotta’s Lippen; stets stellt er es in Schiller’s Belieben, wie lange das Unternehmen noch soll fortgesetzt werden. Freilich, Schiller verzichtet auch ebenso edelmüthig von Jahr zu Jahr auf einen größeren Theil des Redactionsgehaltes, wie des Honorars für die gelieferten Beiträge, und er hielt Cotta schon während des allmählichen Hinschwindens der „Horen“ durch die Musenalmanache schadlos, poetische Kalender, von denen der berühmteste, der „Xenienalmanach auf 1797“, von September bis Januar drei Auflagen erlebte.

Die anfängliche Geschäftsverbindung ward zur Freundschaft und dieselbe genährt durch die jährlichen Besuche Cotta’s, bald mit, bald ohne Gattin, im Schiller’schen Hause. Jahr für Jahr erschien um Himmelfahrt, „pünktlich, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsterniß“, mit einer Geldkatze um den Leib Cotta und glich die Rechnung aus, blieb einen oder zwei Tage bei Schiller und schied nie, ohne sich für das viele Unangenehme seines Buchhändlerlebens (dahin rechnete er vor Allem die Nachdrucker und die neidischen Collegen) durch Schiller’s Freundschaft voll entschädigt zu fühlen. So war er auch im Mai 1798 bei Schiller in dessen hochgelegenem Gartenhause am Leutrabache in Jena (dem Grundstück der heutigen Sternwarte) gewesen, aber ein nächtliches Gewitter nahm ihm auf seiner Heimfahrt alle Ruhe. Noch von der Station Feuchtwangen schrieb er an Schiller: „Schätzbarster Freund! Die dankbarsten Gesinnungen für die vielen Beweise der Freundschaft und Liebe, welche Sie mir während meines Aufenthaltes in Jena wieder gaben, begleiten mich auf meiner Reise, und wenn sie durch etwas unterbrochen werden konnten, so war es die sorglichste Unruhe wegen Ihrer Gartenwohnung, die das am Himmelfahrtsabend noch stattgehabte Ungewitter bei mir erzeugte – ich konnte keinen Augenblick schlafen, als ich mir Ihre isolirte und hochgelegene Wohnung und Sie und Ihre schätzbare Familie dem nächsten Blitz ausgesetzt dachte; mein erster freier Augenblick war also einem Briefe an Ihren Herrn Schwager Wolzogen gewidmet, in dem ich ihn bat, einen Blitzableiter auf Ihre Wohnung zu errichten, von dem Sie mir die Kosten zu tragen erlauben werden, da ich dieses Instrument gern als ein kleines Zeichen meiner ewigen Dankbarkeit für Ihre Sicherheit errichten möchte. Möchte ich doch einen physischen Blitz von Ihnen und den Ihrigen dadurch ableiten, da Sie so viele moralische der Unruhe und Sorge von mir ableiteten. Machen Sie doch, daß es recht bald geschieht.“

Daß zu dieser Intimität des berühmten Autors mit dem Tübinger Buchhändler andere Verleger scheel sahen, namentlich die, welche ein älteres Anrecht an Schiller zu haben glaubten, konnte nicht ausbleiben; besonders war der Leipziger Buchhändler Göschen, der allerdings in bedrängten Zeiten Schiller’s Verleger und Freund und oft Helfer in der Noth gewesen war, nicht Meister seiner Gefühle, und in der Jubilatemesse 1795 kam es zwischen ihm und Cotta zu heftigen Scenen.

Für die Noblesse des Verkehrs zwischen Schiller und Cotta folgendes Beispiel. Nach dem schönen Erfolge, den „Wallenstein“, „Maria Stuart“ und die „Jungfrau von Orleans“ für Schiller’s Ruhm und für Cotta’s und Schiller’s Casse gehabt, glaubte der Dichter den Preis für jedes folgende große Originalstück ein für alle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_451.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)