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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Nuntius am Madrider Hofe erfahren, daß Escobedo seine Vertrauensstellung daselbst mißbrauchte und mit den auswärtigen Mächten, besonders mit Frankreich, in geheimer Verbindung stehen sollte, um mit dem Beistande desselben England niederzuwerfen und alsdann Don Juan d’Austria daselbst zum Könige zu erheben. Perez theilte dies dem Könige mit, und dieser erachtete es für nothwendig, Escobedo auf irgend eine Weise von dem Madrider Hofe zu entfernen. Auf seinen Befehl war darauf der Staatsrath zusammengetreten, um über die geeigneten Schritte dazu zu berathen, und das Resultat der Berathung war, daß man die Ermordung Escobedo’s als das geeignetste Mittel zu seiner Beseitigung vorgeschlagen. Der König war damit einverstanden und beauftragte Perez mit der Ausführung des Mordes, wozu sich dieser bereit erklärte.

Diese Bereitwilligkeit von Seiten Perez’ verdächtigt freilich seinen Charakter und ließ dem Könige die Anklage nur um so begründeter erscheinen, besonders als Perez’ Feinde später, als es bekannt wurde, daß der Mord auf Befehl des Königs geschehen wäre, diesem versicherten, Perez habe ihn lediglich durch Vorgeben von Escobedo’s Schuld in der Absicht getäuscht, um unter dem Deckmantel des königlichen Befehls seinen sowie der Fürstin gefährlichsten Feind beseitigen zu können.

Alle diese Momente kamen dem Könige sehr gelegen, um in dieser das allgemeinste Aufsehen erregenden Angelegenheit nicht nur den guten Schein zu wahren, sondern sich auch die Mittel zu verschaffen, sich für den ihm von seinen Günstlingen gespielten Betrug rücksichtslos zu rächen. Die Fürstin Eboli, zu welcher das Gerücht von Perez’ Verhaftung sowie die gegen sie geführte Anklage sogleich gedrungen war, wurde dadurch tief erschüttert; sie behielt jedoch Muth und Besonnenheit genug, keine Blöße zu zeigen, um dadurch ihre Schuld nicht zu verrathen.

Der festen Ansicht, daß nur ein kühnes und sicheres Benehmen die Anklage beseitigen und den König von ihrer Schuldlosigkeit überzeugen könne, zögerte sie nicht, sich zu Philipp zu begeben, um persönlich auf ihn zu wirken, ihn ihrer Schuldlosigkeit zu versichern, ihn zu versöhnen und die gegen Perez erhobene Anklage zu vernichten. Sie irrte jedoch in ihrer sicheren Voraussetzung; denn der König ließ sie abweisen und ihr zugleich sagen, daß er ihre Besuche ferner nicht annehmen würde. Erschreckt und tief gebeugt, ließ sich die Fürstin nicht abhalten, den König schriftlich anzugehen, die Anklage gründlich zu prüfen und sich dabei zu erinnern, daß dieselbe von des Perez’ und ihren eigenen Feinden ausgegangen, indem sie ihn zugleich ihrer Treue und tiefsten Ergebenheit versicherte.

Aber auch diese Bemühungen blieben wirkungslos. Philipp war vor solchen Aufregungen in den Escurial geflohen, und so war die Fürstin der Gelegenheit beraubt, mit ihm in Berührung zu kommen. Denn noch immer hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, des Königs Zuneigung würde ihren Umgang nicht lange zu entbehren vermögen, und er, wenn sein Zorn verraucht und einer ruhigeren Ueberlegung gewichen, sich ihr wieder versöhnend nähern. Sie sollte bald erfahren, wie arg sie sich getäuscht hatte. Sie übersah den mißtrauischen Charakter des Königs. Die Erwägung, daß er bereits bejahrt und daher wenig geeignet sei, Frauenherzen für sich zu entflammen, mußte ihm einen Vergleich zwischen sich und dem blühenden, schönen Perez nahe legen und ihn zur Anerkennung der Schuld der Fürstin um so geneigter machen. Aber eben, weil er seine Ohnmacht als Mensch in diesem Falle mehr denn sonst erkannte, gefiel sich der König darin, diese Ohnmacht durch seine Gewalt zu rächen. Hören wir, in welcher Weise dies geschah.

Nach einem etwa vierzehntägigen Aufenthalt im Escurial war er wieder nach Madrid zurückgekehrt, und die Fürstin bereitete sich zu neuen Schritten vor, überzeugt, daß ihr jetzt eine Versöhnung mit ihm nicht mehr schwer fallen würde. Ehe sie diese jedoch auszuführen vermochte, bemerkte man eines Tages beim Neigen der Sonne, daß vor einer abgelegenen Pforte der Kirche Santa Maria eine einfache Sänfte hielt, aus welcher ein in einen dunkeln Mantel tief verhüllter Mann stieg, der mit eiligen Schritten in die Kirche huschte. Ein Diener, der die Sänfte begleitete, folgte ihm. Das Palais der Fürstin Eboli lag der Kirche gegenüber, so daß man von hier aus bequem sehen konnte, was in dem ersteren vorging.

Etwa eine Viertelstunde nach Ankunft des bezeichneten Kirchenbesuchers fuhr vor das fürstliche Palais ein von mehreren Reitern umgebener Reisewagen, aus welchem ein Officier stieg, der sich sofort in das Palais begab und die Fürstin zu sprechen verlangte. Wie maßlos war ihr Schrecken, als der Officier ihr einen königlichen Befehl vorwies, welcher ihn beauftragte, sie in dem bereitstehenden Reisewagen sofort nach der Festung Pinto zu bringen. Die Fürstin war einer Ohnmacht nahe, faßte sich jedoch und erklärte, daß sie sich keiner Schuld bewußt wäre und daß ihr fürstlicher Rang sie vor dergleichen Gewaltmaßregeln schützen dürfte. Der Officier äußerte sein Bedauern, den königlichen Befehl schlimmsten Falles mit Gewalt ausführen lassen zu müssen, und so sah sich die Fürstin genöthigt, ihm nach der Festung zu folgen, wo sie, bis auf Weiteres im Gewahrsam bleiben sollte. Nur von ihrer Kammerfrau begleitet und in der Eile für den Festungsaufenthalt und die Reise nur nothdürftig vorbereitet, fuhr die entrüstete Frau bald darauf durch das Thor ihrem Gefängnisse zu.

Unter welchen schmerzlichen Empfindungen die Fürstin ihre Reise antrat und fortsetzte, braucht kaum näher bezeichnet zu werden; um wie viel schmerzlicher wären dieselben jedoch gewesen, hätte sie gewußt, daß der Verhüllte, der vorher in die Kirche schlüpfte, Niemand anders, als der König selbst war, der sich dahin begeben hatte, um von dort aus ungesehen sich an dem Vorgange ihrer Verhaftung und ihrer Angst und Bestürzung zu weiden! – Diese Handlungsweise des stolzen und allmächtigen Philipp, in dessen Reichen die Sonne nicht unterging, ist geschichtlich festgestellt und wohl geeignet, ihn als Menschen zu kennzeichnen. Aber sie dürfte auch den Maßstab für die Größe seiner der Fürstin geschenkten Zuneigung geben.

Es muß hier noch angeführt werden, daß der König vor der Fürstin Verhaftung sie hatte auffordern lassen, sich mit der Familie Escobedo’s auszusöhnen; ein ähnliches Ansuchen hatte er auch an Perez gestellt, beide hatten jedoch dasselbe mit den Worten abgelehnt, daß sie dazu keine Veranlassung fühlten, und die Fürstin noch hinzugesetzt, daß sie nicht gewöhnt sei, mit Personen so niederen Standes in freundschaftlichen Verkehr zu treten. Ihre Weigerung erbitterte den König und veranlaßte ihre Verhaftung.

Philipp’s Entrüstung über die Ablehnung seines Befehls war darum so groß, weil dieser eigentlich nichts weiter, als eine List war, die Fürstin wie Perez durch Befolgung seines Befehls zur Anerkennung ihrer Schuld zu verleiten. Wie wir erfuhren, waren sie klug genug, des Königs Absicht zu durchschauen, und das eben kränkte den eiteln Philipp tief. Obgleich die Fürstin nach diesen gegen sie gebrauchten verletzenden Gewalt-Maßregeln erkannt haben mußte, daß der König jedes mildere Gefühl für sie verloren und sich nur noch in der Rache gegen sie und ihren Freund gefiel, gab sie doch der Hoffnung Raum, daß der König sie durch die Verhaftung nur habe einschüchtern wollen und diese daher in kurzer Zeit endigen würde. Ebenso war sie überzeugt, daß die eingeleitete Untersuchung gegen Perez auch diesem bald die Freiheit bringen mußte, da ihr bekannt war, daß Escobedo lediglich auf Philipp’s Befehl ermordet worden und seine Unschuld daher leicht bewiesen werden konnte.

Vergebliche Hoffnung! Nachdem der König die Fürstin in solcher Weise gestraft, wandte er seine ganze Rachsucht dem noch mehr als die Fürstin gehaßten Perez zu. Seit seiner Verhaftung wurde dieser unausgesetzten Untersuchungen unterzogen, wobei man sich zuletzt sogar der Tortur bediente, um ihn zum Eingeständniß seiner Schuld zu nöthigen. Es handelte sich für den König dabei zugleich darum, durch Perez’ Geständnis, vor der Welt als schuldlos an Escobedo’s Ermordung zu erscheinen und den Minister zur Herausgabe von Briefen zu veranlassen, die der König in dieser Angelegenheit mit Perez gewechselt hatte. Da sich der Letztere dessen weigerte, so wurde er in der Untersuchung für schuldig befunden und zu zwei Jahren Festungshaft, zehnjähriger Amtsentsetzung und acht Jahren Verbannung vom königlichen Hof, so wie zu einer Geldbuße von fünfzigtausend Ducaten verurtheilt. Als man Perez verhaften wollte, entfloh er, suchte Schutz in einer Kirche, wurde hier jedoch trotz des Widerspruchs der Geistlichen verhaftet und nach der Festung Turnégano gebracht, wo er einstweilen verblieb.

Obgleich Perez’ Gemahlin später von dem Könige das Versprechen erhielt, daß ihrem Gatten die Freiheit wiedergegeben werden solle, geschah dies doch nicht, auch dann nicht, als Perez

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_436.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)