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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

schlimmen Vergangenheit und meinem neuen Leben liegen müsse; ich hatte ja Deinem geschwisterlichen Gefühle Rechnung zu tragen, aber bis zu dieser Stunde ist es mir doch räthselhaft geblieben, weshalb Du gänzlich entsagen und einen einsamen, unbeglückten Weg gehen wolltest.“ Er verstummte plötzlich, und eine tiefe Gluth bedeckte sein Gesicht – da, neben dem zugeklappten Hauptbuche lag ein Zettel; er kannte diese großen und doch so unsicheren Schriftzüge nur zu gut; solcher Papierstreifen waren ihm in der ersten Zeit seines Brautstandes genug zugeflogen.

Mit einer entschiedenen Bewegung legte Käthe die Hand auf die Papiere. Warum diese abscheuliche Intrigue noch einmal an das Licht ziehen? Mochte sie doch begraben sein für immer; ihrem Glücke trat Nichts mehr in den Weg. Aber tiefernsten Blickes zog der Doctor Brief und Zettel unter der Hand hervor. „Ich dulde kein Geheimniß zwischen uns, Käthe,“ sagte er fest, „und hier liegt eines.“

Er las, und nun bestand er unerbittlich auf einer Beichte, und die Seelenkämpfe, denen das junge Mädchen unterworfen gewesen war, zogen an ihm vorüber, er sah aber auch in die Tiefen ihrer selbstlosen Neigung – sie hatte willig ihre ganze Zukunft hingeworfen, um ihn zu erlösen.

„Und wie steht es mit der schönen Gräfin Witte? Ich habe geglaubt, sie begleite die Tante Diakonus und werde drüben im Fremdenzimmer logiren,“ sagte Käthe schließlich unter Thränen lächelnd; sie versuchte gewaltsam das unerquickliche Thema abzubrechen, das den sonst so gelassenen Mann in die furchtbarste Aufregung versetzt hatte, und es gelang ihr. Er lachte.

„Im Fremdenzimmer wohne ich,“ versetzte er. „Ich hatte meine guten Gründe, Dich meine Ankunft vorher nicht wissen zu lasten, und mein Instinct hat mich richtig geleitet. Was aber die junge Gräfin betrifft, so ist sie, behufs einer Cur, drei Monate unsere Hausgenossin gewesen, und legt ihre Dankbarkeit, weil es mir geglückt ist, sie herzustellen, ein wenig zu enthusiastisch an den Tag – das ist Alles. In vierzehn Tagen wirst Du sie kennen lernen, denn bis dahin, mein Lieb, will der Professor seine Professorin heimführen – unser Brautstand hat sieben lange Monate gewährt – das bedenke! Ist es Dir recht, wenn wir da drüben,“ er zeigte durch das Fenster nach einem nahegelegenen Kirchthurme, „an den Altar treten? Ich habe das Dörfchen immer so gern gehabt.“

„Du darfst mich führen, wohin Du willst,“ antwortete sie leise und innig; „aber ich habe hier noch Pflichten –“

„Bah, das Hauptbuch ist geschlossen, und ‚Schilling und Compagnie in Hamburg‘ kann Dein getreuer Lenz abfertigen.

Sie mußte lachen. „Gut denn – wie Du befiehlst!“ erklärte sie. „Ich trete zurück, und damit bricht für den armen Lenz eine bessere Zeit an; er soll die Mühle pachtweise bekommen – sie wird ihm rasch wieder zu blühendem Wohlstande verhelfen.“

Nun wurde auch die Schloßmühlenstube geschlossen, und Käthe schritt an Bruck’s Arm den Fußweg entlang, den sie so oft im Sturm und Unwetter zurückgelegt hatte. Heute war es himmlisch, unter den überhängenden, knospenden Zweigen hinzugehen. Die Blüthenkätzchen der Weiden strichen schmeichelnd über die glühenden Wangen des Mädchens; ein weiches Abendlüftchen flog auf, und die Flußwellen zogen gesänftigt und leise plätschernd an den jungen, zitternden Ufergräsern vorüber. Drüben dehnte sich der Park hin, vornehm still wie immer; man sah die Schwäne auf dem Teichspiegel langsam kreisen, und hoch über den Wipfeln der Parkbäume flatterte eine blaugelbe Fahne auf der Villa – „die Herrschaft“ war zu Hause.

Was Alles fluthete bei diesem Anblicke durch die zwei Menschenseelen, die sich eben Treue geschworen hatten für Zeit und Ewigkeit!

„Weißt Du auch, daß man Moritz in Amerika gesehen haben will?“ flüsterte der Doctor.

Sie nickte. „Vor einigen Tagen wurden der Wittwe Franz anonym fünfhundert Thaler aus Californien zugeschickt – sie zerbricht sich den Kopf über den Wohlthäter, ich aber kenne ihn.“ Und sie erzählte, wie „der Arbeiter mit dem blonden Vollbarte“ die Rehe vor sich hergejagt hatte, um – sie vor einem grauenhaften Tode zu bewahren, weil sie in glücklichen Zeiten seine Lieblinge gewesen. …

Nun lag es vor ihnen, das liebe, alte Haus, von der Abenddämmerung umsponnen. Die Arbeiter hatten den Garten verlassen. Es war so feierlich still – die weißen Götterbilder dämmerten aus den Taxushecken, und die alte Frau kam lautlos, mit ausgebreiteten Armen die Thürstufen herab, um „die Liebste, Beste“, die sie so lange vom Himmel für ihren Liebling erfleht, an das mütterliche Herz zu ziehen. …

Da zitterte tief und voll der erste Glockenton von der Stadt herüber – das Fest wurde eingeläutet – Ostern!




Gallerie historischer Enthüllungen.

Nr. 7.0 Fürstin Eboli.

Die Stellung der Fürstin Eboli am Hofe Philipp’s des Zweiten von Spanien war eine bei Weitem einflußreichere, als Schiller sie ihr in seinem „Don Carlos“ einräumt. Die Macht der Fürstin verdunkelte sogar das Ansehen der Königin. Ihre vornehme Geburt, ihre Fähigkeit, sich überall Geltung zu verschaffen, noch mehr aber ihr angeborener Stolz, der sich bis zum Hochmuthe steigerte, lehnen die Vermuthung, die Fürstin hätte die ihr von Schiller in seinem Trauerspiele angewiesene nicht gerade einflußreiche Rolle in der Umgebung der Königin wirklich gespielt, durchaus ab. Doch dem Dichter sind ja zu seinen Zwecken dergleichen Freiheiten gestattet, und es handelt sich in unserer Mittheilung auch nicht darum, diese unserem großen Schiller nachzuweisen; wir wollen hier nur den außergewöhnlichen Einfluß, den die Fürstin Eboli auf Philipp’s Handlungsweise ausübte, etwas näher betrachten.

Die Fürstin Eboli, Donna Anna Mendoza de la Cerda, war einer der ältesten, angesehensten und reichsten Grandenfamilien Spaniens entsprossen. Sie hatte kaum ihr achtzehntes Jahr erreicht, als ein Heer von Bewerbern sich um ihre Gunst stritt, ohne daß es einem derselben gelungen wäre, ihren Beifall zu erringen. So schön Donna Anna war, ebenso stolz und ehrgeizig war sie, und ihre Wünsche richteten sich daher auf eine Vermählung mit einem der vornehmsten Granden Spaniens.

Sie sollte in ihren Ansprüchen nicht getäuscht werden; denn als sie am Madrider Hofe erschien, errang sie durch ihr Wesen sofort die Herzen Aller, und wo sie sich sehen ließ, kam man ihr huldigend entgegen. Aber nicht nur der Hof bewunderte sie, sondern auch der König war von ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit sogleich so sehr hingerissen, daß er bald die heftigste Leidenschaft für sie hegte. Die Donna, geschmeichelt durch des allmächtigen Königs Liebe, verstand sich um so schneller zu einem vertraulichen Verhältnisse mit dem Gewaltigen, als sie zur Fürstin erhoben werden sollte. Um seinen Beziehungen zu ihr einen beschönigenden Schleier zu verleihen, verheirathete sie nämlich der König mit einem seiner bevorzugten und in jeder Hinsicht ausgezeichneten Günstlinge, dem Fürsten Eboli Ruy Gomez de Silva, der Staatsbeamter war. Diese Vermählung der Donna diente nicht nur dazu, ihr einen vornehmen Rang zu verleihen, sondern auch dem Könige die Gelegenheit zu verschaffen, mit ihr ohne Aufsehen und nach Belieben zu verkehren. Seine Leidenschaft für sie war so groß, daß er sie täglich zu sehen verlangte, und da der Fürst im königlichen Schlosse eine Wohnung erhalten hatte, so konnte dies leicht geschehen.

Mehrere Jahre hatte dieses Verhältniß bereits ungetrübt bestanden, während welcher sich des Königs Leidenschaft eher gesteigert, als vermindert hatte. Von des Gewaltigen Liebe und Gunst zum höchsten Ansehen gehoben, stand die schöne Fürstin auf dem Gipfel ihres zweideutigen Glückes, als ein Mann in Madrid und am Hofe erschien, der auf dieses Verhältniß einen großen Einfluß ausüben und dasselbe im Laufe der Zeit sogar zu seinem und dem Unglücke der Fürstin zerstören sollte.

Dies war Antonio Perez, ein natürlicher Sohn des Staats-Secretairs Gonzalo Perez, der bereits unter Karl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_434.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2020)