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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


und Bequemlichkeit betrifft, erfüllt zu sehen, aber am allerwenigsten. In vielen Fällen betrachtet die moderne Amerikanerin sich nicht als Gefährtin des Mannes in Freud’ und Leid, sondern als seine unumschränkte Gebieterin, für die er sich plagen und abarbeiten muß, damit sie ihr Leben in Nichtsthun verbringen und allen Vergnügungen nachgehen kann, ohne sich darum zu sorgen, wo die Mittel dazu herkommen. Dieses Urtheil mag hart klingen, trifft aber bei der Classe von Dämchen, die ich meine, vollständig zu. Nicht nur wurde Frau Belknap ein Fallstrick für ihren Mann, die Opfer einer rücksichtslosen weiblichen Verschwendungssucht sind in jedem Staate und in jedem Städtchen des Landes zu finden, und nicht gar klein ist die Zahl namentlich junger Geschäftsleute, die, zu schwach, um die Gelüste der Frau in Schranken zu halten schon nach wenigen Jahren eines glänzenden Scheinlebens in Bankerott und Armuth enden. Wenn Habsucht und Verschwendungssucht allgemeine Ursachen der herrschenden Corruption sind, so hat die Fäulniß, von welcher das Beamtenthum im Speciellen ergriffen ist, noch eine besondere Ursache in den politischen und Verfassungsverhältnissen unseres Landes.

Sämmtliche amerikanische Beamte zerfallen in zwei Classen, in die vom Volke gewählten und in die von der Bundes- oder Staatsregierung ernannten. Zu den ersteren gehören fast alle Staats- und Localbeamte; die letzteren liefern das stärkste Contingent zu dem überaus zahlreichen Heer der Steuer- und Postbeamten. Der Amtstermin der gewählten Beamten ist in der Regel ein einjähriger, längstens ein zweijähriger und wird in sehr vielen Fällen lediglich als eine Zeit angesehen, in welcher man sich so viel wie möglich aus der öffentlichen Krippe zu sättigen sucht. Dazu treibt einmal die Art und Weise, wie der Beamte seine Stelle erlangt. Eine Wahl kostet in der Regel Geld. Man wähne ja nicht, daß das Volk dieser freien Republik seine Diener durchaus selbstbewußt und selbstständig durch freie Wahl einsetzt; im Gegentheil, Geld und Intriguen aller Art spielen auch hier die Hauptrolle. Wahlkniffe der verwerflichsten Art, Stimmenkauf, Beeinflussung der ungebildeten Volksclasse durch bezahlte Subjecte beherrschen die Wahlurne in so hohem Grade, daß es einem ehrlichen Candidaten, der zu solchen Mitteln nicht greifen kann oder mag, sehr schwer wird, ein Amt zu erlangen.

August von Kreling.
Originalzeichnung von G. Krämer in Nürnberg.


So werden häufig Summen ausgegeben, die in gar keinem Verhältnisse zu dem rechtmäßigen Gehalte des Beamten stehen und die dann auf andere Weise wieder eingebracht werden müssen. Will der Beamte wieder gewählt werden, so muß er sich mit Geld versehen; rechnet er nicht darauf, dann sucht er während seines Termins so viel zu „machen“, wie er ohne große Gefahr eben machen kann. Daraus erklärt sich die schreckenerregende Zahl von Fällen, in denen öffentliche Gelder von den betreffenden Beamten veruntreut werden, so daß es kaum eine Stadt giebt, die nicht einen betrügerischen Schatzmeister oder sonstigen öffentlichen Diener hat, der von Rechtswegen in’s Zuchthaus gehört, leider aber meist irgendwo ungestraft seinen Raub verzehrt. Auf die ernannten Beamten findet dies nicht weniger seine Anwendung. Um eine Stelle zu erlangen, ist Fürsprache nöthig, denn direct an den Präsidenten oder die Departementchefs, von denen die Ernennungen ausgehen, sich zu wenden, ist nicht so leicht thunlich. Da sind denn die Senatoren, Repräsentanten und andere einflußreiche Männer die geeigneten Vermittler, welche dies auch bereitwillig thun, nur meistens nicht umsonst. Die Zeit, für welche diese Beamten ernannt werden, ist an und für sich nicht bestimmt, aber es ist nach und nach Sitte oder vielmehr Unsitte geworden, daß mit dem Wechsel der politischen Partei bei einer Präsidenten- oder Staatswahl auch ein allgemeiner Beamtenwechsel eintritt. Fähigkeit und Treue im Amte sind nicht mehr maßgebende Gründe für Ernennung oder Beibehaltung eines Mannes; es kommt dabei fast ausschließlich die Frage in Betracht, in wie weit er ein geschicktes und gefügiges Werkzeug zur Förderung der Parteizwecke abgiebt. Er muß zur herrschenden Partei gehören oder zu ihr übergehen, wenn er Berücksichtigung erwarten will; er muß für sie arbeiten, wenn er seine Stellung behaupten will; er steht und fällt mit der Partei. So ist das mehrere Hunderttausende zählende Heer der Regierungsbeamten zu einer auf’s Vollkommenste organisirten und auf’s Strengste disciplinirten Wahlarmee geworden, die, den Winken der Parteiführer blindlings gehorchend, maschinenartig für Parteizwecke arbeitet und namentlich bei der Präsidentenwahl in den letzten Jahren einen unberechenbaren Einfluß ausgeübt hat. In welch hohem Grade demoralisirend die Herabwürdigung eines ganzen Standes zu einer bloßen politischen Clique, die kein eigenes Gewissen mehr haben darf, wirken muß, ist leicht begreiflich. Wenn der öffentliche Diener nichts mehr als das gefügige Werkzeug selbstsüchtiger Parteileiter oder eines nach immer größerer Macht strebenden Präsidenten sein darf, wenn seine Hauptaufgabe darin besteht, dahin zu wirken, daß die Partei, die ihn erhoben, die herrschende bleibt, ist es da zu verwundern, wenn Rechtlichkeit und Patriotismus zu Grunde gehen und eine alle Moral zersetzende Corruption die Masse dieses Standes ergriffen hat? Beamtenreform ist darum auch eines der Schlagwörter aller Bestrebungen zur Besserung dieser faulen Zustände geworden.

Es war einer der Hauptpunkte des Programms, welches die sich neu bildende Reformpartei bei der letzten Präsidentenwahl aufstellte, und als dieser Versuch scheiterte, nahm die siegende Partei das Stichwort nothgedrungen auf und versprach Alles, ohne indeß das Geringste zu thun. Die Grantianer, welche in dem corrumpirten Beamtenheer gerade ihre Hauptstütze hatten, und die ihrem Herrn nur gar zu gern einen dritten Amtstermin

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_389.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)