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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


auch meistens nach uns zu geschossen. Nun kamen die Genossen herbei. Die Leute sammelten sich; Herr Lindner blies und blies auf seiner Trompete, aber das Schießen dauerte fort. Die Kugeln pfiffen über uns hinweg, klatschten durch die Hütten, schnitten durch das hohe Gras, splitterten die spröden Stangen des Mandioc; ein glücklicher Zufall beschützte uns alle vor den bleiernen Feindesgrüßen, nur ein Gewehr wurde durch eine anschlagende Kugel untauglich gemacht. Nun wurde es uns doch zu warm im Dorfe; die Leute wurden unruhig, wüthend über diese Art der Kriegführung, die den Freunden viel gefährlicher war als den Feinden. An ein Verwüsten der Plantagen konnten wir nicht mehr denken, nur die Hütten wurden noch angezündet und unser Todter in die erbeutete Tipoja des Dorfherrn gelegt, dann zogen wir ab. Draußen auf der freien Campine aber fanden wir unsere Verbündeten in einem großen Haufen beisammen stehend, ladend und ziel- und zwecklos nach allen Richtungen schießend, – einzelne Kugeln waren bis nach Landana geflogen – die Gewehre einfach von der Hütte abfeuernd. Das ist die gebräuchliche Art des Negerkrieges.

Levula hatte eine schwere Züchtigung erhalten. Obgleich die Schwarzen ihre Verluste gut zu verheimlichen wissen, wurde doch später bekannt, daß sie außer den drei Todten noch mehrere schwer und eine Anzahl leicht Verwundeter hatten. Dem berüchtigten Dorfherrn selbst sollte der Arm zerschossen sein. Unsere Leute hatten nicht nur seine Tipoja erbeutet, sondern auch den Kriegsschmuck des „Mankaka“ (Anführer), zwei Gewehre, mancherlei Fetisch- und Zauberkram. Auf dem Kopfe, in die Kleidung eingebunden, am Gürtel baumelnd, schleppten sie den ganzen Reichthum des Dorfes mit sich: Zeuge, Matten, Schüsseln, Teller, Töpfe, Säbel, Messer, Hühner, Enten, Spiegel, Fackeln etc.; sie hatten gründlich aufgeräumt.

Wir gingen nun den alten Pfad ein Stück zurück, sandten unseren Gefallenen und die Gefangenen nach den Factoreien hinunter und bogen dann rechts ab, nach dem nächsten Dorfe. Die Crumanos von Landana verweigerten aber auf diesem Wege zu folgen; er sei zu gefährlich, es solle ein anderer benutzt werden. Unser Todter hatte ihnen Grauen eingeflößt; auch waren sie demoralisirt durch die Haltung eines Weißen, welcher, sobald das Schießen begann, Krankheit vorschützend, nach Hause zurückgekehrt war, sich fünf der Seinen zur Deckung des Rückzuges mitnehmend. Wir schlugen nun den anderen Weg ein, der wieder nach der Mission und dann hügelan führte; langsam folgten die Uebrigen. Jenseits eines kleinen Thales lag das Dorf Dschimbumbu; die Bewohner waren schon auf ihrer Hut; wir hörten sie sprechen, rufen. Eine allgemeine Salve wurde gegeben; die Unseren stimmten den Kriegsgesang an und liefen den Hang hinab. Unsere Verbündeten blieben oben auf dem Hügel und lagerten sich sogar, wahrscheinlich um recht behaglich zuzuschauen, wie wir mit ihren Feinden anbinden würden. Wir winkten, riefen, sandten Boten hinauf; vergeblich: sie weigerten sich ganz einfach, weiter zu gehen. Wir hatten trotzdem gute Lust, das ziemlich freiliegende Dorf zu nehmen, doch wollten wir nicht allein zu Gunsten jener uns und die Unseren in Gefahr bringen; sicherlich hätten die Freunde auch wieder zwischen uns geschossen, sobald das Feuern begann; so kehrten wir denn klug um, rückten in die Mission ein und begnügten uns damit, diese zu schützen.

Gegen Abend, nachdem wir unsern Todten mit allen Ehren begraben hatten, kam uns die Nachricht von Landana, die Neger hätten ihre Macht, einige Hundert Bewaffnete, aufgeboten und würden in der Dunkelheit einen Ueberfall ausführen. Obgleich es nun hier ihre Art nicht ist, Nachts zu kämpfen, war ein Angriff doch denkbar, und wir trafen unsere Maßregeln.

Die Mission, eine große schöne Besitzung, liegt in einer flachen Thalmulde; Plantagen von vielartigen Feldfrüchten wechseln ab mit schönen Blumengruppen, Ziersträuchern, vortrefflichen Fruchtbäumen, zum Theil aus verschiedenen Welttheilen importirt, so daß das Ganze parkähnlich, wie ein botanischer Garten erscheint. Zum kleinsten Theil von freien Campinen umgeben, im Uebrigen von Buschwald allzudicht umschlossen, scheint sie unter Voraussetzung dauernd friedlicher Zustände geplant zu sein. In den Anlagen vertheilt liegen verschiedene schmucke Holzhäuser, die Einzelwohnungen der frommen Herren.

Alle diese exponirten Häuser wurden nun für die Nacht verlassen und die Weißen an zwei Punkten zusammengezogen: die Missionäre nebst Herrn Lindner quartierten sich in dem großen Holzgebäude ein, in welchem der Kirchensaal, das Eßzimmer und die Wohnung des Oberen sich befand, Herr Dr. Falkenstein und ich in einem circa hundert Schritt davonliegenden Gebäude, welches ein oberes Stockwerk nebst Veranda besaß, von welcher aus wir die ganze Ansiedlung, sogar die ganze Thalmulde bis zu den Hügelkronen mit unseren Rückladern beherrschen; unter uns, in einem sonst als Magazin benutzten Raume, befanden sich unsere Leute. Wir verzehrten, mit den Gewehren neben uns, unser Abendbrod und aßen tüchtig, trotz der Möglichkeit, daß jeden Augenblick Kugeln durch das Gitterwerk des luftigen Raumes hereinfahren konnten, da die brennenden Lampen uns trefflich für einen vielleicht im nahen Gebüsch heranschleichenden Feind beleuchteten. Wir mußten uns auf die Tüchtigkeit unserer Leute verlassen, welche größtentheils schon seit Einbrechen der Dunkelheit zu Zweien und Dreien an umsichtig gewählten Punkten verborgen lagen.

Nach Tisch, beim Thee besprachen wir die Ereignisse des Tages und planten weitere Operationen – da fiel plötzlich ein Schuß drüben in den Plantagen, dann mehrere; während wir hinauseilten, begann das Feuern auch auf der andern Seite, dann ringsum und wurde außerordentlich lebhaft. In der Finsterniß, noch geblendet vom Licht, sahen wir nur das Aufblitzen der Schüsse, konnten aber nicht unterscheiden, wo Freund, wo Feind sich hielt, und mußten uns begnügen, eine Anzahl Kugeln in die nächsten Buschmassen und nach den Hügelhängen zu senden, um durch möglichst großen Lärm die Angreifer von unserer Bereitschaft zu überzeugen. Das Schießen hörte sehr bald wieder auf; die Gefahr war vorüber. Von Landana kamen Hülfstruppen in vollem Laufe heran, wir aber ersuchten sie, fernerhin ruhig dort zu bleiben, so lange nicht die große Glocke der Mission sie riefe, wir würden vorläufig uns halten können; in Wahrheit fürchteten wir bei einem Nachtgefecht die Kugeln unserer Freunde am allermeisten.

Da eine Wiederkehr des Feindes kaum zu erwarten war, wir aber alle große Müdigkeit fühlten, suchte, nachdem die nöthigen Wachen ausgestellt worden waren, bald Jeder sein Lager auf. Nach Mitternacht entstand plötzlich unter uns, wo unsere Leute schliefen, ein außerordentlicher Tumult, ein Stampfen und Poltern, als ob ein Kampf, Mann gegen Mann, begonnen hätte. Im Nu waren wir aus den Betten. Mein Gefährte sprang, fast unbekleidet, mit einem Revolver hinaus auf die Veranda in die feuchte Nachtluft; voller Mondschein lag über der schönen Landschaft; unter uns war alles verhüllt – dicke schwere Nebelschwaden brüteten über dem Boden. Wir hörten nun die Leute nach dem Kirchenhause hinüber laufen, wo einige Schüsse fielen; ein paar unregelmäßige Salven folgten, dann wurde es wieder still. Hinter einem Erdabstich und sonstigen Deckungen verborgen, fanden wir die Unseren den nahen Waldrand beobachtend, von welchem aus nochmals einige Schüsse gefallen waren. Unter solchen Umständen fanden wir für den Rest der Nacht nur wenig Ruhe und wurden von den Moskiten bös zerstochen.

Am nächsten Tage richteten wir die Mission zur bequemeren Vertheidigung ein. Fässer wurden von Landana heraufgerollt und zu Verschanzungen verwandt, auch drei Kanonen holten wir herbei und brachten sie in Position. Die allzunahen Dickungen wurden abgeräumt, die Campinen niedergebrannt und geschnitten, einzelne hinderliche Bäume ihrer Kronen beraubt, Distanzen abgeschritten und endlich unseren Leuten eingeschärft, bei einem nächtlichen Kampf den freien Platz in unserer nächsten Umgebung nie zu überschreiten, damit wir, von unserer alles beherrschenden Veranda aus, die jenseits aufblitzenden Schüsse zu Zielpunkten nehmen konnten.

Kriegsberichte gingen nach Chinchoxo; Friedensberichte kamen zurück nebst weiteren Patronen und einer Anzahl Rücklader zur bessern Bewaffnung der streitbaren Herren Missionäre. Unsere Kriegsthaten waren sofort bekannt geworden; die Neger der Umgegend waren darauf zur Station gekommen und hatten sich erboten, einen Cordon von Wachen ringsum aufzustellen; als Herr Soyaux das für unnöthig hielt, hatten sie noch versichert, daß bei der geringsten Gefahr die ganze Streitmacht der Umgegend zum Schutze da sein werde. Wie anders hätten die Schwarzen früher gehandelt! Jetzt aber fürchteten sie uns und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_366.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)