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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Blätter und Blüthen.

Noch einmal amerikanische Eisenbahnen. Herr Rohlfs in seinem in Nr. 13 abgedruckten Artikel sagt: Der Verkehr in Amerika sei ein viel geringerer als auf deutschen Bahnen und daß zwischen Hauptstädten täglich nur je zwei Züge verkehrten. Nach den Eisenbahnhandbüchern der amerikanischen Bahnen stellt sich dies nun wie folgt dar: Zwischen New-York und Chicago, einer Distanz von etwa zweihundert geographischen Meilen verkehren täglich ohne Wagenwechsel, sowohl hin wie her:

Via Pittsburgh–Fort Wayne– etc. Bahn: drei Schnellzüge und ein Personenzug; via New-York und Michigan-Centralbahn: drei Schnellzüge, ein Personenzug und ein Emigrantenzug; via Lake-Shore und Eriebahn: vier Schnellzüge, ein Personenzug und ein Emigrantenzug; also zusammen zehn Schnell-, drei Personen- und zwei Emigrantenzüge.

Zwischen New-York und Boston fahren täglich hin und her je siebenzehn Züge, wovon je vier Schnellzüge sind. Zwischen Boston und Portland hin wie zurück neun Züge, wovon fünf Schnellzüge. Von New-York nach Philadelphia via Pennsylvania-Eisenbahn täglich hin wie her sechszehn Züge, wovon zehn Schnellzüge; dagegen verkehren via Amboy-Eisenbahn zwischen denselben Städten täglich sechs Züge.

Im Westen ist der Verkehr allerdings nicht so lebhaft. Zwischen Chicago und St. Louis z. B. fahren auf den zwei directen Bahnen nur je zwei Schnellzüge und ein Postzug hin und auch zurück. Diese westlichen Verhältnisse hat Herr Rohlfs wahrscheinlich im Auge gehabt und darnach das ganze Land beurtheilt. Wie sehr er sich dabei geirrt hat, beweist auch das Beispiel des Verkehrs von New-York mit Newark, welche Stadt, zwölf englische Meilen von New-York entfernt, mit 150,000 Einwohnern im Staate New-Jersey liegt. Zwischen diesen Orten cursiren auf drei Eisenbahnlinien täglich einhundertsechsundsechszig Personenzüge, das heißt dreiundachtzig hin und dreiundachtzig zurück. Dem entsprechend finden wir natürlich auch Güterzüge.

Auch in seinem Vergleiche der amerikanischen Reisekosten mit hiesigen Preisen hat Herr Rohlfs sich verrechnet. Er selbst sagt, die Reisekosten (in erster, das heißt der einzigen Classe) drüben belaufen sich etwa auf die Hälfte der Preise für 2. Classe hier. Das ist zu günstig dargestellt, denn das wäre ja bedeutend weniger als hiesige 3. Classepreise ergeben. Die Fahrt von New-York nach Chicago z. B. kostet 22 Dollars Papier, mit der Benutzung des Sleeping-Car etc. aber 27 Dollars, das heißt etwa 78, respective 96 Mark. Diese Fahrt vergleicht sich etwa mit der deutschen Tour von Königsberg, via Leipzig, nach Basel. Diese Reise kostet im Schnellzuge hier 2. Classe 104,70 Mark und 1. Classe 137,70 Mark.[1] Wenn Herr Rohlfs daher sagt, das Reisen in Amerika mit Schlafwagenbenutzung sei dem Reisen 1. Classe hier, was den Kostenpunkt anlangt, gleichzurechnen, so ersieht der Leser sofort, wie unrichtig das ist, denn dasselbe ist immer noch um 8,70 Mark billiger als eine Fahrt zweiter Classe hier. Der Kostenbetrag der Fahrten ohne Benutzung der Schlafwagen ist mit den Preisen 3. Classe hier annähernd zu vergleichen, dafür hat man drüben aber gepolsterte Sitze, Trinkwasser und Waterclosets in jedem Wagen, sowie gute Ventilation und Heizung. – Die Arbeiter können drüben demnach, abgesehen von durchschnittlich höherem Lohne, absolut billiger und bequemer auf lange Strecken befördert werden als hier, wo ja auch nur auf einzelnen Linien Wagen 4. Classe eingeführt sind, also schon deshalb die 3. Classe als billigste Reisegelegenheit gegeben ist. In Amerika kosten Reisen mit dem Schnellzuge dasselbe wie mit gewöhnlichem Zuge. Die sämmtlichen Billets für lange Touren haben außerdem drei bis sechs Monate Gültigkeit.

Die Wagen 4. Classe möchten für Menschenbeförderung auf zweihundert Meilen lange Touren auch nicht als Beförderungsmittel zu empfehlen sein, da deren so anhaltend lange Benutzung an Thierquälerei grenzen dürfte. Rich. Bl–.     


  1. Preise der Billets Königsberg–Leipzig–Basel sind nach Angabe der Bahnen hier authentisch.

Wie Gifte in die Küche geschmuggelt werden können. Wer hätte nicht als Schuljunge einmal die zur Erziehung des schönen Abendfalters gesammelten Wolfsmilchraupen, besonders nachdem ihm der ätzende Milchsaft Blasen an den Fingern erzeugt, um ihren guten Magen beneidet, da sie dieses scharfe Futter, welches den Menschen die heftigste Cholerine zuziehen würde, auf’s Beste verdauen und dabei groß und feist werden? Das ist nun so in der Welt; dem Einen bekommt, was dem Andern schädlich ist, und die Kirchenväter Ambrosius und Basilius suchten die Giftpflanzen vor dem Vorwurfe, Teufelssalat zu sein, zu retten, indem sie erzählten, die Staare nährten sich mit Vorliebe von dem Gifte, welchem Sokrates unterliegen mußte, und die Wachteln ließen sich die scharfe Nieswurz trefflich munden. Ich weiß nicht, ob den Kirchenvätern in diesen besonderen Beispielen zu trauen ist, aber im Allgemeinen ist es ganz richtig, daß viele Thiere ohne Schaden, ja wohl selbst mit Vorliebe genießen, was uns Gift ist. Da genossene Giftstoffe allgemein in die Aussonderungen der Thiere übergehen, so hat es für uns ein besonderes Interesse, die Giftfestigkeit solcher Thiere kennen zu lernen, deren Ausscheidungen (Milch und Honig) wir genießen. Daß die Bienen von giftigen und ungiftigen Pflanzen Honig einsammeln, war schon den Alten bekannt, und Xenophon sah einst eine ganze Armee durch den Genuß giftigen Honigs zu Boden geworfen, als ob eine Schlacht geschlagen worden wäre. Sie erholten sich aber Alle wieder von der narkotischen Betäubung. Gefährlicher kann den Menschen, wie eine Reihe im Borgo Rione zu Rom vorgekommener Vergiftungsfälle beweist, die Giftfestigkeit der Ziege werden. Die Ziegen gehören, wie es scheint, zu den zähen Naturen, die mancherlei Pflanzengifte verdauen können, ohne merklichen Schaden an ihrer Gesundheit zu nehmen. Im genannten römischen Stadtviertel waren vor nicht langer Zeit eine große Anzahl von Personen von einer heftigen Cholerine befallen, die mehrere Tage anhielt, und es stellte sich heraus, daß alle Erkrankten von der Ziegenmilch eines und desselben Händlers genossen hatten, und daß die Heftigkeit des Anfalls sich nach der Menge richtete, die sie genossen. Die Ziegen wurden untersucht und völlig gesund befunden, aber als man das Futter in Augenschein nahm, sah man eine große Menge der scharfgiftigen Herbstzeitlose darin. Und nachdem dies einmal festgestellt war, gelang es dem Professor Ratti, in der noch vorhandenen Milch wie in den Entleerungen der Kranken den äußerst scharfen Giftstoff jener Pflanze, das Colchicin, nachzuweisen. Die Ziegenhirten werden also künftig ein Staatsexamen über Giftpflanzen machen müssen, um verdächtige Weideplätze meiden zu können. C. St.     


Die Feier von Washington’s Geburtstag in Amerika. Der Tag, an welchem vor hundert Jahren die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten stattfand, sowie der Geburtstag des Mannes, dessen energischem Geiste zum größten Theile die Gründung der amerikanischen Republik zu danken ist, werden alljährlich als Festtage gefeiert, die man als mindestens ebenso erhaben betrachtet, wie die höchsten kirchlichen Feste.

Der 22. Februar, der hundertvierundvierzigste Geburtstag von George Washington, wurde dieses Jahr noch festlicher begangen als sonst, da das Andenken an diesen großen Feldherrn und Staatsmann unzertrennlich ist von der Erinnerung an das hundertjährige Bestehen der amerikanischen Unabhängigkeit und Freiheit. Auf den Straßen der Stadt New-York herrschte an dem Tage feierliche Stille; das Glockengeläute mahnte zum Kirchgang, und Mittags um zwölf Uhr ertönten die Glockenspiele der Trinity-, St. Thomas- und vieler anderer Kirchen. Das „Chime“ der Trinitykirche spielte allein dreiundzwanzig Stücke. Außer anderen Festlichkeiten fand am Abende des Tages in der „Akademie der Musik“ ein großer Empfang statt, genannt: „Martha Washington’s tea party“.

Es war ein prächtiger Anblick, als dreihundert Damen im Costüm der Frau Martha Washington im langen Zuge in dem großen Saale erschienen, escortirt von hundert Herren in Continentaluniform, um an neunundvierzig Tischen, welche als Repräsentanten der neunundvierzig Staaten der Republik gelten sollten, den Gästen den Thee zu credenzen. Nach dem Thee folgte ein großer Ball, der mit einer Menuet eröffnet wurde, genau nach den Regeln ausgeführt, die im Jahre 1789 auf dem Ball herrschten, der in den „Assembly-Rooms“ abgehalten wurde und dem auch George und Lady Washington beigewohnt. Die Festlichkeit wurde zum Besten der „St. John’s Guild“, eines schwimmenden Hospitals für Arme, veranstaltet und mag einen bedeutenden Ertrag geliefert haben, da nur die reichsten und ersten Familien des Landes bei dem Feste zugegen waren. Ob aber die Summe, welche für die Armen abfiel, derjenigen gleichkommt, welche die Kosten der Costüme etc. ausmachen, wollen wir hier nicht näher untersuchen. Hat man doch zu den Anzügen wahrhafte Reliquien verwendet; so trug z. B. die Frau General Fremont ein Kleid, welches zweihundert Jahre alt sein und einer Frau Herzogin von Coventry gehört haben soll. Eine Frau Macdonald war mit dem Kleide ihrer Urgroßmutter, der Frau des Präsidenten Adams, geschmückt etc. Wenn man durch das Vorführen der Einfachheit des vorigen Jahrhunderts erreichen könnte, daß unsere der verschwenderischen Mode der Jetztzeit huldigende Damenwelt bewegt würde, sich auf ein bescheideneres Maaß ihrer Garderobe zu beschränken, so hätte man nicht versäumen sollen, den hundertsten Geburtstag der unvergeßlichen Königin Louise durch eine ähnliche Feier zu begehen. A. B.     


„Aufgepaßt, Gevatter!“ (Mit Abbildung Seite 247.) Heute sind wir wieder einmal in der glücklichen Lage, unseren Lesern ein Bild des allbeliebten Eduard Grützner im Holzschnitt bieten zu können. Der durch seine zahlreichen Zech- und Kneipbilder, namentlich durch sein charakteristisches Gemälde „Im Klosterkeller“, weithin berühmte Meister zeigt sich in diesem „Aufgepaßt, Gevatter!“ so rechten seinem Elemente. Frische Lebensfülle der Situation und ebenso originelle wie packende Detailmalerei zeichnen dieses im keck realistischen Style gehaltene Werk unseres Künstlers vortheilhaft aus.

Wie aus Shakespeare’s Dramen entflohen, ein Bild köstlicher Jovialität und behaglicher Lebensfröhlichkeit, sitzt der Hofnarr vor uns da. Man sieht ihm an, daß die Weise, welche er zwischen den wulstigen Lippen – sie spitzen sich, nicht ohne einen Zug von Phlegma und leichter Ironie, – in die Welt hinauspfeift, einem Schelmenliede angehört, das irgend Jemand möglichst oft zu Ohren kommen soll. Der buntgefiederte Schüler auf seinem Finger, ein tropisches Waldkind, versteht freilich nichts von höfischer Schalkheit und Narrethei, aber er gehört ja zu dem Geschlechte Derer, die Alles nachplappern und nachpfeifen, ohne viel nach der Rede Sinn zu fragen; er hat also das Zeug dazu, das Personal des Hofstaats, welchem der Narr selbst zur Zierde gereicht, um ein allezeit dienstwilliges Individuum zu bereichern, und auch er wird der „liebe, süße Papagallo“ Aller sein, so lange er keine Prinzessin in den Finger beißt oder um anderer Ursachen willen in Ungnade fällt. „Ja, aufgepaßt, Gevatter! am Hofe, am Hofe – –!“




Kleiner Briefkasten.

D. u. Sohn in Brschwg. Kaffeesatz als Blumendünger gilt schon lange als ein gutes Culturmittel, und es ist nicht zu bezweifeln, daß er einige Nährstoffe enthält, welche, so gering sie sein mögen, durch die fortwährende Einwirkung einen üppigeren Pflanzenwuchs erzeugen können. Höher ist anzuschlagen, daß der Kaffeesatz im Sommer durch Bodenbedeckung gegen das Austrocknen schützt. Eine bessere Verwendung fände er jedenfalls, wenn man ihn unter die Verpflanzerde mischte, weil er dieselbe locker erhält und die zweifelhafte Düngkraft dabei ebenfalls ausgenutzt würde. Jäger.     



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_258.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)