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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Spalten und Risse bekundet, ließ Schlimmes befürchten. Nach angestellter genauer Untersuchung durch Sachverständige hielt man, um die drohende Gefahr zu beseitigen, eine Abtragung und Planirung des Berges für nothwendig. Nachdem die Regierung, an welche die Gemeinde, da sie selbst unfähig, die bedeutenden Kosten aufzubringen, sich um Beihülfe gewandt, nach langen Verhandlungen endlich sich zur Hülfe bereit erklärt[WS 1] und eine erhebliche Summe (9/10 der veranschlagten Kosten) bewilligt hatte, war man seit den letzten Monaten des vorigen Jahres mit der Arbeit beschäftigt. Wohl blieb die Möglichkeit eines Rutsches nicht ausgeschlossen, doch hielt man durch Inangriffnahme der Arbeit die Gefahr für weniger drohend. Kaum vierundzwanzig

Der Bergsturz zu Caub aus der Vogelperspective.
Nach der Skizze eines Laien.

Stunden vor der Katastrophe war noch die technische Commission, welche gleichzeitig Einsicht von dem Stande der Arbeiten nahm, anwesend, eine schlimme Wendung selbst nicht befürchtend. Wie sehr indeß elementare Kräfte menschlicher Kenntniß und Berechnung spotten, bewies uns leider der 10. März.

Als eigentlicher Bergsturz im strengen Sinne des Wortes läßt sich das Ereigniß wohl nicht bezeichnen; der Eintritt eines solchen kann immerhin je nach innerer Festigkeit und Zusammenhang der Masse noch erfolgen. Drohender als zuvor hangen die jetzt eines unteren Haltes beraubten Felsmassen über der Stadt. In Folge der seit langen Jahren nicht mehr in dieser Menge erlebten atmosphärischen Niederschläge und der dadurch angesammelten ganz abnormen Regenmenge hatte sich das lose Gerölle des Berghanges in kolossaler Masse plötzlich gelöst und war mit der hinter einer trockenen dreißig Zoll dicken Schutzmauer (bei Abtragung der Masse entstandenen) hoch aufgehäuften Schuttmasse jählings zu Thal gefahren. Aus dem zerklüfteten Gesteine oben auf der Bergeshöhe quollen zahlreiche Wasser hervor, und mehrere Tage hindurch rieselte eine Quelle von bedeutender Stärke den Berghang hinab.

Das Unglück ist geschehen und fünfundzwanzig Menschen mußten ihr Leben verlieren; wir wollen wünschen, daß der Ort von weiterem Unheile verschont bleibe.

Die Stadt Caub, welche unter ihrer Bevölkerung viele Steuerleute, deren Geschäft überdies in den Wintermonaten völlig brach liegt, und viele in den hiesigen bekannten Dachschiefergruben, den ersten Deutschlands, beschäftigte Bergleute zählt, besitzt mit ganz wenigen Ausnahmen keine nennenswerthe Wohlhabenheit. Genöthigt, außer der für ihre Verhältnisse schon bedeutenden Schuldenlast, welche bereits eine der Staatssteuer fast gleichkommende Gemeindesteuer nothwendig gemacht, auch noch zehn Procent der Kosten für die Bergarbeiten zu übernehmen, ist sie durch das Ereigniß hart und empfindlich betroffen und in bedrängte Verhältnisse gerathen. Um so mehr glauben wir hoffen zu dürfen, daß die Regierung es sich wird angelegen sein lassen, das Ihrige zu thun, um der unglücklichen Stadt diesen Schlag so wenig wie möglich fühlbar werden zu lassen. Hoffen wollen wir ferner, daß der deutsche Mildthätigkeitssinn hier nicht zurückbleiben wird. Ist dann dieser harte Schlag erst ein wenig überwunden, sind einigermaßen bessere Verhältnisse herbeigeführt, so dürfte die Stadt auch wieder einer besseren Zukunft entgegen gehen.

Dr. H. Kruse.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: erkärt
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_254.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)