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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Das „Franzele“.


Franziska von Hohenheim! Ein Name, der, wenn er im Schwabenlande erklingt, stets voll dankbarer Anerkennung genannt wird und „draußen im Lande“ mindestens jedes Gebildeten Interesse weckt. Herzog Karl Eugen, Schiller, Schubart, die blauröckige, zopfbekleidete Schaar jugendlicher Karlsschüler, diese Gestalten alle gruppiren sich um die zarte Erscheinung jener Frau in wirkungsvollster Lebendigkeit.

Franziska von Hohenheim.

Kaum hundert Jahre sind es, daß das „Franzele“ an der Seite „Karl Herzogs“, wie ihn der Schwabe nennt, erschien, um ihn als guter Engel auf seiner Lebensbahn zu begleiten, und wenig mehr als sechszig, seit Franziska als Herzogin von Württemberg starb. Welch ein gewaltthätiger Herrscher Herzog Karl, der mit sechszehn Jahren schon auf den Thron gelangt war, in der ersten Hälfte seiner Regierung gewesen, ist bekannt. Feste, so glänzend, wie man sie nur am französischen Hofe sah, große militärische Schauspiele, verschwenderische Reisen vertrieben ihm die Zeit, während das Volk unter Frohnen und Steuern seufzte. Seine Gemahlin, Friederike von Bayreuth, die Nichte Friedrich’s des Großen, verließ ihn im achten Jahre ihrer kinderlosen, unglücklichen Ehe. Eine förmliche Scheidung konnte die ungleichen Gatten – so lebenslustig, feurig und leutselig Karl war, so stolz und eigensinnig war seine Gemahlin – nicht trennen, weil der Herzog der katholischen Kirche angehörte.

Hatte schon während der Anwesenheit der Herzogin zu Stuttgart und Ludwigsburg das bunteste Leben geherrscht, so nahm dasselbe nach ihrer mehr einer Flucht gleichenden Abreise noch mehr überhand. Elende Günstlinge, wie Montmartin, Rieger und Wittleder, bedrückten das württembergische Land, während sich der Herzog amüsirte, und zwar so lange amüsirte, bis er endlich, übersättigt, den Entschluß faßte, ein anderes Leben zu beginnen und den Versuch zu machen, ob es ihm nach allem Vorhergegangenen nicht noch gelingen könne, sein Volk zu beglücken und dessen Liebe zu erringen. In diese Zeit fiel seine erste Begegnung mit der Frau, welche auf ihn einen so wohlthätigen Einfluß üben und für Württemberg ein Segen werden sollte, der Frau, mit welcher diese Zeilen sich beschäftigen werden.

Franziska von Bernerdin – wir entnehmen die nachfolgenden Mittheilungen aus dem Leben derselben dem soeben in zweiter Auflage erschienenen Werke „Herzog Karl von Würtemberg und Franziska von Hohenheim“ von E. Vely (Stuttgart, C. F. Simon), welches auf Benutzung bisher noch nicht veröffentlichter Archivalien beruht – Franziska war die Tochter eines alten, hochachtbaren, aber armen Geschlechts, der Bernerdins zum Pernthurn, und wurde am 10. Januar 1748 zu Adelmannsfelden auf dem Familiengute ihrer Mutter, einer Hohenstein, geboren. Sie erwuchs mit vier Schwestern bei dem nothdürftigsten Unterrichte, der sich nur auf Lesen, Schreiben und Religion erstreckte. Durch die Vermählung der Schwestern kam sie hinaus in die Welt, und auf einer dieser Reisen lernte sie der Freiherr Friedrich von Leutrum kennen und warb um sie. Sein Charakter war unedel und neidisch, seine Gestalt zwerghaft und bucklig, sein Kopf unförmig und dick, gewiß keine Erscheinung, welche das Herz eines sechszehnjährigen Mädchens einnehmen konnte. In den Augen der Eltern aber wurde das Alles zur verschwindenden Nebensache, weil der Brautwerber einen altadligen Namen und großen Reichthum besaß. Sie gaben ihm ohne Zögern ihr „Ja“. Die arme Franziska wurde nicht gefragt, ob ihr der zukünftige Gemahl gefalle.

„Geheirathet, als ich kaum sechszehn Jahre alt war,“ schrieb sie in späteren Jahren über diese Ehe, welche eine Quelle vielen Leids für sie geworden war, „gleichsam als ein Kind, ohne alle Neigung, ohne alle Liebe, blos weil man mir sagte: ‚Du mußt den von Leutrum heirathen.‘ Mithin aus bloßem Gehorsam und nicht aus eigener Wahl wurde ich meinem Manne angetraut, der nie mein Herz befriedigen konnte. Dieses ist Beweis genug, daß ich nur auf die erste schickliche Gelegenheit gewartet, mich seiner nach den Grundsätzen meiner Religion los zu machen.“

Franziska war, wie das nebenstehende ebenfalls dem oben genannten Vely’schen Buche entnommene Portrait zeigt, ohne gerade regelmäßig schön zu sein, eine liebliche, frische Erscheinung; sie hatte reiches, blondes Haar und tiefblaue Augen, eine blendendweiße Gesichtsfarbe und schlanke Gestalt, die wohlklingendste Stimme und graziöse Bewegungen. Ihre neue Heimath war das Herrenhaus der Leutrums zu Pforzheim, wohin sie ihr Gatte gleich nach der Vermählung führte. Ein ziemlich gleichförmiges Leben erwartete sie dort. Der Baron Leutrum war eine eifersüchtige und mißgünstige Natur und barg seine junge hübsche Frau ängstlich vor fremden Blicken. Dieselbe suchte in der Einsamkeit durch eifrige Studien nachzuholen, was bei ihrer Erziehung versäumt worden war. Bücher waren ihre liebste Gesellschaft, namentlich wählte sie religiöse Schriften; sie hatte äußerst schwärmerische Glaubensanschauungen, denen sie bis in ihr hohes Alter treu blieb.

Im Jahre 1769 reiste Baron von Leutrum mit seiner Gemahlin nach dem nahen Wildbad, wo sich eben eine Schwägerin Herzog Karl’s, die Herzogin Dorothea von Württemberg, mit ihrem Hofstaate aufhielt.

Die Kinder derselben hatten, wenn Karl Eugen ohne Nachkommen starb, das einzige Anrecht auf den württembergischen Thron. Mit dieser Fürstin war die liebenswürdige Baronin Leutrum bereits in nähere Beziehungen getreten, als Herzog Karl in Wildbad anlangte, um seine Schwägerin zu besuchen. Er sah Franziska. Sie fiel ihm durch ihre unbewußte Anmuth und mädchenhafte Frische auf, und er zeigte ihr seine Zuneigung unverhohlen. Den Baron von Leutrum erfaßte Eifersucht und Zorn, und als die fürstliche Gesellschaft Wildbad verlassen hatte und er mit seiner Gattin nach Pforzheim zurückgekehrt war, machte er ihr Vorwürfe, die sogar bis zu Thätlichkeiten ausarteten, weil sie sich die Huldigungen des Herzogs, dieses ebenso schönen wie gefährlichen Mannes, hatte gefallen lassen. Dennoch wagte der Baron nicht, als plötzlich vom Stuttgarter Hofe eine Einladung zu Jagdfestlichkeiten in Pforzheim anlangte, dieselbe abzulehnen, sondern reiste mit Franziska nach dort. In Urach, wo die Jagden stattfanden, hatte Karl die beste Gelegenheit, sich Franziska zu nähern. Ihr Liebreiz bestrickte ihn mehr und mehr und entriß ihm endlich das Geständniß der Liebe. Die junge Frau, tödtlich erschreckt, wich ihm aus, und Herzog Karl erhielt so die erste Zurückweisung, welche ihm in seinem Leben wurde.

So ablehnend sich Franziska nun auch dem fürstlichen Verehrer gegenüber verhalten hatte, so heiß schlug dennoch für ihn ihr Herz, das bisher die Liebe nicht gekannt. Ihr Gatte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_213.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)