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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Die Leipzig–Dresdener Eisenbahn, die erste größere Bahn, welche in Deutschland für den Dampfbetrieb vollendet wurde, war von Anfang an so gut gebaut worden, daß die Gesellschaft mit Recht bei der Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens den Umstand hervorheben konnte, daß bis dahin noch kein Passagier sein Leben auf der Bahn verloren habe. Die Elbe wurde von dieser Eisenbahn etwas unterhalb Riesa überschritten. Die Brücke, welche zu dem Zwecke erbaut werden mußte, wurde schon im Jahre 1836 begonnen. Sie hatte zwei Land- und elf Flußpfeiler, also zwölf Brückenöffnungen von zusammen einer Länge von sechshundertvier Ellen oder circa dreihundertvierzig


WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.


Meter. Diese zwölf Brückenöffnungen wurden durch einen hölzernen Oberbau überspannt, welcher im Jahre 1866 von den Sachsen durch Feuer zerstört wurde. Man beabsichtigte dadurch den anrückenden Preußen das Vordringen zu erschweren. Die Erfahrung, das heißt die nachfolgenden Ereignisse, haben seitdem zur Genüge bewiesen, daß die Zerstörung ein eitles Beginnen und keineswegs im Stande war, den „Feind“ aufzuhalten.

Nachdem eine provisorische Brücke die Verbindung für den Eisenbahnverkehr sofort wieder hergestellt hatte, befaßte sich die Direction der Leipzig–Dresdener Eisenbahn ernstlich mit der Aufgabe, die alte Brücke durch eine unzerstörbare eiserne Construction zu ersetzen. Außer den Brücken für den Bahnbetrieb stellte die Eisenbahngesellschaft auf Verlangen der Regierung aber gleichzeitig eine Fahrstraßenbrücke her. Die zwei Eisenbahngleise lagen je in einer besonders erbauten Construction, während die Straßenbrücke ebenfalls dicht an diese ersteren herangerückt wurde, sodaß nun drei Brücken, dicht neben einander gelegt und doch voneinander getrennt, den Strom überspannten. Die Straßenbrücke lag stromaufwärts, die beiden Eisenbahnbrücken stromabwärts. Die Anlage dieser dreifachen Brücke hatte natürlich zur Folge, daß die alten noch stehenden Brückenpfeiler der verbrannten Brücke nicht mehr Auflager genug lieferten, um sie alle drei gleichmäßig zu tragen. Die Pfeiler mußten daher, wo deren Stellung für den Neubau überhaupt passend war, erweitert werden. Die alten Brückenpfeiler waren auf Pfahlrost fundirt und hatten, als der Bau der neuen Brücke begann, über vierunddreißig Jahre gestanden, manchen Eisgang, manches Hochwasser gesehen, ohne auch nur eine Spur von nachtheiligen Folgen solcher Naturereignisse zu zeigen.

Ob aber diese bewährten Pfahlroste sich noch als fest und unverletzt erweisen würden, wenn unmittelbar neben denselben Pfähle zu neuen Rosten, um die verlängerten Pfeiler zu tragen, eingerammt werden würden, war eine sehr zweifelhafte Sache. Außerdem war ein freies Handeln für Ramm-Maschinen durch die auf den alten Pfeilern ruhende Interimsbrücke sehr gehindert, wenn stellenweise nicht unmöglich gemacht. Aus diesen Gründen wahrscheinlich entschloß man sich, statt neue Pfahlroste neben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_207.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)