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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

letzten Michaelismesse zu Leipzig eine Art gemischtes Museum aufgestellt. Man sah daselbst eine Menge naturhistorischer Gegenstände, dann eine Reihe von Wachsfiguren, in Gruppen zusammengestellt, und zum Schluß auch zwei Negerinnen, eine Mulattin und eine Albinodame. Die Negerinnen, wahrscheinlich ausgediente Ammen oder dergleichen, wurden als von berühmten Reisenden, zum Beispiel Schweinfurth, aus dem Innern von Afrika mitgebracht vorgestellt; die Mulattin wurde als Indianerin von den Südsee-Inseln gezeigt, und das Albinomädchen mußte sich natürlich auch eine erdichtete Herkunft gefallen lassen. Phantasiecostüme, die dümmsten, die man sich denken kann, waren natürlich selbstverständlich. Und doch nahm das anwesende Publicum den Blödsinn des Erklärers mit Mienen hin, die deutlich sagten: es muß wohl wahr sein, denn sonst konnte man’s ja doch nicht sagen.

Daß übrigens das Publicum in solchen Sachen einen sehr gesunden Sinn für Recht und Unrecht hat, das bewies in Leipzig die früher in der Gartenlaube erzählte Thatsache, daß das Volk eine solche Wilden-Bude stürmte, als der Wilde als früherer Bedienter entlarvt worden war.

Am grellsten trat dieses Treiben bei den Leuten auf, welche die als Eskimos gekleideten Lappländer zeigten und wohl noch zeigen. Weil diese immerhin wirkliche Lappländer sind, glaubten sich die Personen, welche sie zeigten, in vollem Rechte, dieselben in Kleidung, Bewaffnung, ja selbst im Benehmen vollständig zu fälschen und mit dieser Fälschung die Gruppe noch als wissenschaftliche Sehenswürdigkeit zu zeigen und dies ganz besonders zu betonen. Wenn das erlaubt sein soll, dann hören überhaupt die Begriffe von Recht und Unrecht, von Schwindel und Ehrlichkeit auf.

Ueberhandnehmen dieses Sehenswürdigkeiten-Schwindels ist denn auch bereits die Ursache geworden, daß schon manche Behörden Front dagegen machen, aber die Thatsachen haben bereits gelehrt, daß sie theils das Kind mit dem Bade ausschütten, theils ganz fehlgreifen. Trotz dieser behördlichen Controlle durften jene Eskimo-Lappländer noch überall gezeigt werden, andere Sehenswürdigkeiten aber, die wirklich ein Recht hatten, sich so zu nennen, wurden nicht zugelassen. Der Hauptfehler bei der Sache ist der, daß alle solche Sehenswürdigkeiten-Besitzer vor der Aufstellung die Erlaubniß zur Ausstellung nachsuchen müssen und diese Aufstellung gewöhnlich blos nach der angemeldeten Benennung ertheilt oder verweigert wird, ohne daß die Behörde sich die Mühe nimmt oder nehmen kann, die Sache zu besichtigen, und selbst wo sie dies könnte, fehlen gewöhnlich die Sachverständigen zur Beurtheilung.

Daher tritt an die Presse die Aufgabe hinan, diesem Unfuge entgegenzutreten, und zwar um so mehr, da sie ihn zum großen Theil bisher selbst gefördert hat, insofern nämlich, als sich jede Redaction für moralisch verpflichtet hält, aus Erkenntlichkeit für den Empfang und Gebrauch der üblichen Freibillets die betreffende „Sehenswürdigkeit“ dem Publicum unter allen Umständen zu empfehlen. Könnten sich die Redactionen der anständigen Blätter dazu entschließen, diesen geringen Vortheil der Freibillets vorkommenden Falls zu entbehren, vor allen Dingen aber dem Publicum die Wahrheit zu sagen, so müßte es sehr bald besser werden.

Es werden hierdurch alle Redactionen, insbesondere diejenigen der Localblätter, ersucht, alle an dem Orte ihrer Herausgabe gezeigten Sehenswürdigkeiten, welche eine unterrichtende Bedeutung beanspruchen, durch sachverständige Berichterstatter besichtigen und der Wahrheit gemäß öffentlich besprechen zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, auf die Verwendung etwaiger Freibillets verzichten zu müssen. Nur so kann dem bis zur schamlosen Gewissenlosigkeit gesteigerten Sehenswürdigkeiten-Schwindel eine Schranke gesetzt werden.

Alle Redactionen werden hiermit um Wiederabdruck des fettgedruckten Aufrufs gebeten. Das Publicum wird gewiß bald auf die Blätter achten lernen, welche danach handeln.

L.




Für Mütter. Ein Kind zog sich eine geringfügige Verbrennung am Fuße zu. Die Mutter suchte die Heilung ihres Lieblings möglichst zu beschleunigen und klebte ein Glöckner’sches Zugpflaster auf die nur thalergroße Stelle. Das Resultat dieser Unvorsichtigkeit kam schon nach dem dritten Tage zum Vorscheine; es schloß sich eine so starke Entzündung an, daß nicht nur der Fuß, sondern der gesammte Körper des Kindes in den gefährlichsten Zustand versetzt wurde. Erst nach Entfernung des Pflasters stellte sich die verzögerte Abheilung ein. Wie verkehrt dieses Verfahren bei Brandwunden ist, das möge die folgende Auseinandersetzung klarlegen.

Die menschliche Haut besteht aus zwei Schichten. Die oberste, Epithel genannt, enthält nur aneinander gedrängte rundliche Körperchen, Zellen genannt; diese Lage ist vollständig solid. Die untere Schicht besteht aus Fasern, welche in ihren Lücken Blutgefäße, Drüsen, Nerven, Haarbälge enthalten. Die Zellen des Epithels zeigen zweierlei Beschaffenheit. Die zu unterst dicht über einem starken Blutgefäßnetze der zweiten Lage befindlichen vermehren sich durch Theilung. Es müssen deshalb, um Raum zu gewinnen, ältere Zellen nach oben rücken. Je weiter sie aber nach außen kommen, desto mehr ändert sich ihr Inhalt und ihre Gestalt; sie werden zuletzt in nicht mehr lebensfähige hornartige Schüppchen verwandelt, von denen die äußersten bei dem Menschen sich täglich abstoßen. Die weißen Massen, welche in dem warmen Badewasser nach dessen Gebrauche, vorzüglich wenn man diesen Genuß nicht zu häufig ausübt, schwimmen, sind solche abgeschuppte Zellen. Der Nutzen dieser Umwandlung der oberen Zellen in eine verhornte Masse ist leicht ersichtlich. Wenn die ganze äußere Schicht aus lebensfähigen Zellen bestände, wie es bei den Schleimhäuten der Fall ist, so würde, weil durch die Wärme und durch wässerige Theile des Blutes diese Zellen sehr leicht bis an die Körperoberfläche fortgeleitet werden, eine so erhebliche Wärmeentziehung durch die große Körperoberfläche stattfinden, daß die stärkste Bedeckung nicht das Erfrieren verhindern könnte. Die verhornten Zellen wirken, weil sie die Blutwärme äußerst schlecht leiten, als der beste natürliche Pelz.

Was geschieht nun bei einer Verbrennung? Die kleinsten ganz oben gelegenen Blutgefäße werden durch die Hitze gelähmt; in Folge dessen erweitert, enthalten sie mehr Blut. Es entsteht die Röthe der betroffenen Stelle. War die Verbrennung stärker, so tritt etwas Blutwasser zwischen die untersten lebensfähigen Zellen der oberen Schicht und hebt die höheren in den verschiedenen Stadien der Umwandlung in Horn begriffenen Zellen ab; es kommt ein mit wässeriger Flüssigkeit erfüllter Hohlraum zum Vorscheine, die Brandblase. Oeffnet man die Blase sofort nach ihrer Entstehung, so tritt das Wasser heraus, und es bleibt die unterste Epithelzellenlage ohne Bedeckung. Weil aber unter derselben sich die schon durch die Hitze gereizten Nervenendigungen befinden, erklärt sich die Schmerzhaftigkeit, wenn man die ganze Blasenhaut wegnimmt. Aus diesem Grunde handelt man nach der Volkssitte richtig, wenn nur durch eine kleine Oeffnung, z. B. einen durchgezogenen Faden, das Wasser herausgelassen wird, weil so die Blasenhaut erhalten bleibt, bis sich unter ihr neue Hornzellen gebildet haben. Erreicht die Verbrennung einen noch höheren Grad, dann tritt zu der Lähmung der kleinsten Blutgefäße eine Tödtung der untersten Epithelzellen; das in denselben enthaltene sonst flüssige Eiweiß schlägt sich, ähnlich wie in dem gekochten Eie, nieder; es entsteht eine regellose Masse, der Brandschorf.

Welchen Effect muß nun auf eine so verbrannte Hautstelle, selbst wenn es nur zu einer größeren Blase gekommen ist, ein Glöckner’sches oder überhaupt ein derartiges Pflaster ausüben? Wie eben auseinandergesetzt, sickert Blutflüssigkeit durch die erweiterten Gefäße nach der freien Oberfläche. Außer dem Blutwasser gelangen aber bald kleinste körperliche Bestandtheile, die weißen Blutkörperchen, nach oben und bilden mit dem Wasser zusammen den Eiter. Je nachdem das Wasser oder die Blutzellen überwiegen, ist der Eiter dünn- oder dickflüssig. Für eine schnelle Heilung einer Wunde ist es nun vor Allem erforderlich, daß dieser Wundausfluß so gut und schnell wie möglich abfließen kann. Klebt man aber ein Pflaster hermetisch über die Wunde, so wird dieser Abfluß gehindert, der Eiter zersetzt sich, fault und giebt den Pestheerd ab für den ganzen Organismus. Die faulenden Bestandtheile werden aufgesaugt und setzen von der Wunde aus die Entzündung nach allen Seiten hin fort. Die vollständig illusorische Wirkung dieser aus Mennige und Olivenöl zusammengesetzten Pflaster beruht bei nicht offenen Hautstellen nur in der zurückgehaltenen Wärme, bei Wunden dagegen stiften sie den offenbarsten Schaden.

Die einfache naturgemäße Heilungsmethode folgt aus unserer Betrachtung. Die Mutter verliert bei der plötzlichen Entstehung der Verbrennung durch das ahnungslose Hereinbrechen der Gefahr und das Geschrei des kleinen Patienten beinahe immer die Besonnenheit; es wird daher, bis der Arzt kommt, Nichts oder in der Mehrzahl Verkehrtes gethan. Kaltes Wasser stiftet bei einer größeren Verbrennung keinen Nutzen. Die starke Hitze erforderte einen Wechsel von Minute zu Minute, was außer der starken Wärmeentziehung eine erhebliche Reizung der Wundfläche veranlassen würde. Die Volkssitte hat seit Jahren das Verfahren angewendet, welches auch die Wissenschaft als das Beste anerkennen muß. In Leinöl oder auch gewöhnliches Olivenöl, welchem man, wenn es möglich, die Hälfte Kalkwasser zusetzen läßt, werden Leinwandstücke stark getränkt und auf die Wunde gelegt; über diesen Verband kommt eine dichte Schicht von Watte. Wenigstens zweimal täglich müssen die Leinwandstücke erneuert werden. Die Watte hindert die zu starke Wärmeausstrahlung und ersetzt die verloren gegangene Hornschicht; das Kalkwasser stumpft die gereizten Hautnerven etwas ab und desinficirt den Wundabfluß. Will man, wie es am besten ist, eine derartige Mischung vorräthig halten, so muß man sich von Zeit zu Zeit überzeugen, daß das Oel keinen ranzigen Geruch zeigt. Besitzt es diesen, so würde es ebenso schädlich wirken, wie die von den Frauen so überaus bevorzugten, hoffentlich aber nun bald in der Vergangenheit lebenden geheimen Zug- und Heilpflaster.

Dr. –a–




„Verödet!“ (Abbildung Seite 145.) Wer unsere Illustration betrachtet, dem wird das geflügelteste Wort einer großen Zeit wieder in den Ohren klingen, das Wort, das vor nur einem Lustrum so oft gesprochen wurde: „Das ist der Krieg.“ Ja, solcher Bilder hat er unzählige geschaffen; jede Truppe ließ sie noch jedem Kampf und Weitermarsch hinter sich, und tausendweise haben nach dem Friedensschluß die Heimkehrenden ihre Heimstätten so wiedergefunden. – „Das war der Krieg.“ – Wir brauchen nicht auf die Einzelheiten der der Meisterhand des königlichen Hofmalers C. Arnold in Berlin entstammten Darstellung dieser Kriegserinnerung einzugehen; das Bild spricht deutlich genug für sich, um sich Aufmerksamkeit zu erwerben. Das Original, ein sehr werthvolles Oelgemälde, hat bereits seinen Käufer gefunden und geht der Oeffentlichkeit für immer verloren; um so mehr erfreut es uns, daß der Künstler selbst für die „Gartenlaube“ eine Copie zeichnete, welche dem beigehenden Holzschnitt als Grundlage diente.




Berichtigung. In einem Theile der Auflage unserer Nr. 7 ist in dem Artikel über die Stärkefabrik bei Salzuflen der wöchentliche Reisverbrauch irrthümlich mit 400 statt mit 4000 Centnern angegeben worden.



Kleiner Briefkasten.


O. v. M. in D. Was deutsche Blätter, aus ungarischen Quellen schöpfend, über Michael Klapp, den Verfasser von „Ein ungarisches Königsschloß“ (Nr. 5 unseres Blattes) colportiren, ist der Hauptsache nach heller Blödsinn. Jeglicher Begründung entbehrt namentlich die Insinuation, Klapp sei von der Redaction der „Montags-Revue“ entfernt worden. Als dem Eigenthümer jenes Blattes kann ihm die Leitung desselben von Niemandem entzogen werden, wie er dies auch in einer Entgegnung im „Pester Lloyd“ ausdrücklich erklärt. Ueber die in österreichischen Regierungskreisen geplante Nachahmung der „Gartenlaube“ sind wir längst unterrichtet.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_156.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2019)