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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Meeresgrund“, den nun seine Gattin im Rollwagen durch die Anlagen fuhr, seinem Herzen that. Zur vollständigen Lähmung der Füße kam 1870 die der Finger; das Schreiben wurde ihm zur Pein und endlich unmöglich. Er dictirte nun seinem Töchterlein Constanze. Da mußte ihm auch dieses sterben, und ein Schlaganfall lähmte ihm (1871) sogar die Sprechorgane, während der unerschütterte Geist fortarbeitete, immer das große Ziel vor Augen, mit aller Qual der Hoffnungslosigkeit. – Auch ein letzter Cur-Versuch in Partenkirchen blieb erfolglos.

Wilhelm Bauer’s letzte Sorge wandte sich nunmehr der Rettung seiner Erfindungen für die Zukunft und das Vaterland zu, und abermals winkte ihm ein Lichtblick von Hoffnung. Eine letzte Commission von Professoren des Polytechnicums besichtigte seine Modelle und Zeichnungen und fand, daß dieselben für die kaiserliche Kriegsmarineschule in Kiel zu empfehlen sein möchten und daß wohl das königlich baierische Ministerium des Aeußeren die weitere Vermittelung übernehmen werde. Diese Aussicht war dem armen Kranken ein erhebender Trost. Er hoffte auf die Erfüllung seines dringendsten Wunsches: daß aus dem Marinedepartement von Kiel oder Danzig ein guter Techniker zu ihm beordert werde, damit er diesem die zu den Zeichnungen und Modellen nöthigen Beschreibungen dictiren und unter seinen Augen die noch nöthigen Zeichnungen zu dem Küstenbrander und dem Unterwassergeschütz anfertigen lassen, kurz, seinem geistigen Nachlasse die Möglichkeit praktischer Verwerthung sichern könne. Auch hoffte er, daß dann die Reichsregierung ihm wohl ein kleines Capital oder auch eine Pension werde zu Gute kommen lassen; denn Bauer wurde nicht, wie die Zeitungen berichten, durch eine „Ehrengabe der Nation“, sondern durch eine Pension seines Königs vor Noth bewahrt. Aber auch diese letzte Hoffnung scheiterte. Der betreffende Herr Minister „ersah keine Veranlassung, an das preußische Ministerium hierüber zu berichten, und in Baiern seien weder Studienanstalten noch Museen, worin die Submarine irgendwie vertreten wäre.“

Das war die Art, wie Wilhelm Bauer’s fünfundzwanzigjähriges Jubiläum seiner Erfinderthätigkeit – er hatte sie 1850 in Kiel begonnen – in München gefeiert wurde. In England hatte man längst Bauer’s Portrait in die Sammlung berühmter Erfinder im Kensington-Museum eingereiht; ebenso ist es im Belvedere zu Wien. In seinem Heimathlande hat man nicht einmal eine öffentliche Aufbewahrungsstätte für seine Modelle und Zeichnungen. – Wahrlich, man braucht nur sämmtliche Gutachten der wissenschaftlichen und Fachmännercommissionen von 1850 bis 1874 über W. Bauer’s Erfindungen zusammen drucken zu lassen, um die Nachwelt in das gerechteste Erstaunen zu versetzen, daß ein solches Leben in unserer Zeit so enden mußte.

Auf seinem Sterbebette noch um die Rettung seiner Erfindungen für Deutschland besorgt, bestimmte er seinen Nachlaß an Modellen, Zeichnungen und Beschreibungen derselben zu einer Stiftung, welche jungen Talenten technische Aufgaben stellen, die beste Lösung belohnen und auf diesem Wege auch seine eigenen Erfindungen der Ausführung und Ausbeute preisgeben soll. Es war sein letzter Gruß für mich, daß er dieselbe „Bauer-Hofmanns-Stiftung“ benannte. Da jedoch dies eine rein technische Angelegenheit ist, so will die „Gartenlaube“ sie auch den Fachmännern und Fachblättern allein überlassen.

Möchte man auch gern glauben, daß das Zeugniß der vielen Zeitgenossen, welche den Bestrebungen Bauer’s ihre Theilnahme zuwandten, hinreichend sei, um das Einzige, was er in seinem mühevollen Leben erworben, seine Erfinderehre, gegen ungerechte Angriffe oder Todtschweigung zu schützen, so haben wir doch jetzt schon gesehen, wie kurz in dieser Beziehung oft das Gedächtniß der Tagespresse ist. In Nr. 42 von 1865 veröffentlichte die „Gartenlaube“ den illustrirten Artikel „Das unterseeische Kabel im Bunde mit der unterseeischen Schifffahrt und versenkbaren Kabelstationen“ – und 1870 verkünden deutsche Zeitungen denselben Plan als den eines Mr. Hall und preisen ihn als einen „kühnen amerikanischen Gedanken“. Von Bauer’s Taucherapparaten sind die Taucherkammer patentirt, das unterseeische Schiff erprobt und der „Polyp“ bekannt schon seit 1862; trotzdem wird 1871 bei der Schilderung von Toselli’s Versuch mit einem neuen Tauchapparat der Bauer’schen Vorarbeiten mit keiner Silbe gedacht. Für die neuen Torpedo-Boote wird der Mangel eines „ganz unter Wasser gehenden Fahrzeugs“ beklagt, als ob W. Bauer nie gelebt habe; ebenso wenig kennt man bei der Anpreisung eines neuen submarinen „Dampf“-Schiffs, das unter Wasser mit Gußstahlhinterladern schießen soll, Bauer’s Küstenbrander und seine Schießerprobung im Starnbergersee. Im Jahre 1860 brachte Payne’s „Panorama“ in trefflicher Stahlstich-Illustration eine „schwimmende Revolver-Batterie“, die den Beifall des Prinzen Adalbert von Preußen ganz besonders gefunden hatte; im Jahre 1870 bringt ein Münchener Blatt Illustration und Beschreibung einer soeben in England ausgeführten „schwimmenden Dreh-Batterie“, aber von der W. Bauer’s weiß es nichts.

Diese Beispiele genügen wohl, um den Wunsch zu rechtfertigen, daß die vielen zerstreuten Mittheilungen über Wilhelm Bauer’s Leben und Erfindungen in ein Buch zusammengefaßt und daß die vorhandenen Illustrationen demselben beigegeben werden möchten. Bauer selbst hat dazu bereits das Beste geliefert: in seinem Nachlaß fand sich eine ausführliche Selbstbiographie, zum Theil von seiner Hand geschrieben, zum Theil dictirt, vor; dieser würden sämmtliche Gutachten über seine Erfindungen und von den Hunderten seiner Briefe an mich diejenigen beizudrucken sein, welche eingehende Aufschlüsse, oft mit erklärenden Federzeichnungen, zu einzelnen Maschinentheilen und dergleichen enthalten. Ein solches Buch würde ein Denkmal und Ehrenschutz zugleich für Wilhelm Bauer sein. Möchte die alte Theilnahme für ihn wieder erwachen und es ermöglichen, daß wenigstens dieser Wunsch des unvergeßlichen Todten in Erfüllung gehe.




Blätter und Blüthen.


Die Tonsprache im Schnellverkehr. Die neuesten Aussichten im Telegraphenwesen erinnern an jenen Stotterer, dem man zu singen rieth, als er seine Eilbotschaft mit Hülfe der Sprache nicht an den Mann bringen konnte. Das bisherige Strichpunkt-System ist ein sehr umständliches Verfahren, und seit vielen Jahren sind die Bemühungen der Techniker darauf gerichtet gewesen, Abhülfe zu schaffen. Ein deutscher Physiker Phil. Reis hatte im Jahre 1861 gezeigt, daß man mittelst eines einfachen Apparates, des Telephons, Schallschwingungen in elektrische Ströme übersetzen und Gesang oder Musik per Draht nach einem entfernten Orte senden könnte. Diesen Gedanken hat nun ein dänischer Telegraphenbeamter, Herr Paul La Cour in Kopenhagen, in anderer vielversprechender Form aufgenommen, indem er mit Stimmgabeln von verschiedener Höhe Töne angiebt, und deren schwingende Zinken gleichzeitig als Stromvermittler und Unterbrecher wirken läßt. So viel Schwingungen die Stimmgabel in der Secunde macht, so viel Ströme sendet sie in die Ferne, und es ist klar, daß, wenn man an der meinetwegen hundert Meilen entfernten Station festzustellen vermag, wie viel hundert oder tausend Ströme in der Secunde ankommen, auch bekannt ist, welcher Ton jenseits angeschlagen wurde. Von dem Grundsatze ausgehend, daß nur gleich- oder harmonisch gestimmte Saiten, Stimmgabeln etc. von einer zu ihnen gelangenden Schwingungsart sympathisch berührt, das heißt zum Mittönen angeregt werden, wendet nun La Cour genau gleich abgestimmte Stimmgabeln (die aber, wie diejenigen der anderen Station, unter sich disharmonisch abgestimmt sein müssen) an, um die Botschaft zu entziffern. Er läßt nämlich die anlangenden Ströme spiralig um die aus weichem Eisen gefertigten Zinken sämmtlicher Stimmgabeln kreisen, und dieselben dadurch ebenso oft in Hufeisenmagnete verwandeln, als Ströme in der Secunde ankommen, wobei sich ihre Zinken, von äußeren Momentmagneten angezogen, ebenso oft entfernen und nähern. Aber nur bei der gleichgestimmten Gabel äußert diese Anregung eine tiefere Wirkung; sie schwingt freiwillig und stärker mit als die andere und verräth dadurch den in weiter Ferne angeschlagenen Ton. Aber daß man so mit beispielsweise zehn Stimmgabeln statt Strich und Punkt zehn verschiedene Zeichen angeben kann, ist noch das Geringste an der neuen Erfindung. Viel wichtiger ist, daß dem Drahte durch mehrere Stimmgabeln gleichzeitig elektrische Ströme mitgetheilt werden dürfen und daß die Urheber dennoch auf der Empfangsstation getrennt und sicher erkannt werden, in ähnlicher Weise, wie das menschliche Ohr mehrere verschiedene Töne nebeneinander unterscheidet. Durch diese Möglichkeit vermehrte sich bei paarweiser Verbindung der zehn Stimmgabeln die Zahl der Zeichen bereits auf fünfundvierzig, und es ist wahrscheinlich, daß man dies noch weiter wird treiben können, wenn es wünschenswerth ist.

Die Vortheile des Stimmgabeltelegraphen sind aber damit noch nicht erschöpft. Hätte man aus den Endstationen sehr viele und auf den Zwischenstationen immer nur einzelne und verschiedene derselben, so würde man mit jeder Station im Besonderen und in einer für die Zwischenstationen unverständlichen Weise verkehren können, was das in Nr. 40 der „Gartenlaube“ von 1875 (S. 669) geschilderte Aushorchen der Depeschen selbst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_107.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)