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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

baumlanger Kerl, eine kräftige, stattliche Erscheinung; sein Gesicht war dick mit Mennige bemalt, die Kleidung aber halb civilisirt, halb indianisch. Er war nach Denver mit seiner Squaw gekommen, um sich die übliche Lieferung an Naturalien und sonstigen Bedürfnissen für seinen Stamm zu holen, der öfter, namentlich im Herbste, in der Nähe von Denver erscheint. Später sah ich ihn mit seiner Squaw hinter sich auf einem Pony fortgaloppiren. Das Utelager ist noch immer ein Gegenstand des Aufsehens für die Bewohner von Denver, welche Stadt öfter für längere Zeit wegen des gesunden Klimas bei seiner hohen Lage von Leuten aus dem Osten aufgesucht wird. Die Utes treiben dann auch Tauschhandel, indem sie Büffelfelle und Erzeugnisse der merkwürdigen indianischen Industrie feil bieten.

So hielten nach den Berichten der deutschen Zeitung von Denver noch neulich, im Juli, dicht bei der Stadt fünfzig Indianer von diesem Stamme ihr Lager und führten aus Freude über die Tödtung dreier Feinde vom Stamme der Arapahoes einen Scalptanz auf, zu welchem interessanten Schauspiele, wie bei uns zu Volksfesten, Wettrennen und dergleichen, sich die civilisirte Welt der Platte-Riverstadt, besonders die Ladies, in großer Zahl eingefunden hatte. In ihrem vollen Staate und Ornate sieht man aber die Vornehmsten unter den Indianerstämmen bei den Deputationen, welche von Zeit zu Zeit sich nach Washington aufmachen, begleitet von Indianeragenten und Dolmetschern. Eine solche Deputation war gerade zur Zeit unseres Aufenthaltes in St. Louis im Everett-Hôtel angekommen, und nicht weniger als sechs Stämme waren in derselben vertreten. So hatten gesendet: die Kiowas den einsamen Wolf, den schnellfüßigen Knaben, den schlafenden Wolf, den Hunde-Esser und zwei Squaws; die Comanchen: die Milchstraße, den Silberbach, Graubein, den zehnfachen Bär, Waldschlucht, den äßenden Hirsch, Büffelbuckel, Pini Arragahe John und sieben Squaws; die Apachen: Läufer, Schläger, den Käpten und Grauadler mit zwei Squaws; die Arrapahoes: Großmaul, Linkhand, Weißkrähe, das gelbe Pferd und die Schwarzkrähe; die Caddoes: Georg Wafhing, Warloupe und Antilope; die Witchidas: Essadun, Esquitschew, und den Rappen. Außerdem waren gekommen: Der lange Soldat vom Wacoe-, Knie-war-war vom Keechie-, Dave und Sohn vom Towoccaroe- und der schwarze Biber vom Delawarestamme.

Um aber den Lesern der Gartenlaube einige recht interessante und charakteristische Erscheinungen vorzuführen, habe ich es vorgezogen, die vier hier im Holzschnitt so trefflich dargestellten zu geben. Die Originale, ebenfalls Mitglieder von Deputationen zum „Weißen Hause“, wurden in Washington vom Photographen Alex. Gardner, welcher eine vollständige Sammlung dieser Art besitzt, photographirt. Sie stellen dar: 1. „Running Elk“ (den laufenden Hirsch, Ma-to-no-pah) vom Stamme der unteren Yanctonais. 2. „Graß“ (He-Vua-she-tson), Häuptling der Schwarzfuß-Sioux. 3. „Bloody-mouth“ (Blutmund, E-wa-hu) vom Stamme der Onca-pa-pa und 4. noch einmal „Graß“ in halber Figur.

Es bedarf wohl kaum einiger Worte der Erläuterung zu der Tracht und dem Putz, in welchen diese Häuptlinge sich hier darstellen. Die Adlerfeder spielt, wie man sieht, eine große Rolle in der Kleidung, die sich sonst aus Fellen und Wollstoffen, von den Squaws gefertigt, zusammensetzt. Aus Fellen bestehen auch die kunstvoll zusammengenähten Mocassins; endlich sind noch die Wampumschnüre zu beachten, aus Muscheln gefertigte buntfarbige Perlen, welche als Hals- oder als Armbänder getragen werden. Die geliebte Tabakspfeife ist nicht zu vergessen.

Fragt man, wie groß die Zahl der Indianer ist, welche noch gegenwärtig innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten mit Ausschluß Alaskas leben, so schlägt sie ein Bericht, welchen der Commissar für die Indianerangelegenheiten vor einiger Zeit dem Staatssecretär für das Innere in Washington erstattete, auf etwa 300,000 an. Man kann sie hinsichtlich ihrer geographischen Locirung in fünf große Abtheilungen zergliedern; es leben nämlich in Minnesota und den Staaten östlich des Mississippi etwa 32,600, in Nebraska, Kansas und im Indianterritorium 70,400, in den Territorien Dacota, Montana, Wyoming und Idaho 65,000 in Nevada und den Territorien Colorado, Neu-Mexico, Utah und Arizona 84,000 und an der Pacificküste 48,000.

Man kann sie auch in Hinsicht auf die drei Eisenbahnlinien eintheilen, die zwischen den Staaten und dem stillen Ocean gebaut werden oder projectirt sind, nämlich die Nord-, Central- und Südbahnen und zwar, wenn man diejenigen ausschließt, die östlich von Minnesota und vom Missouri und südlich von Dacota wohnen, wie folgt: Zwischen der vorgeschlagenen nördlichen Route und den britischen Besitzungen etwa 33,000, zwischen der Nord- und der Centralroute 92,000, zwischen der Central- und der vorgeschlagenen südlichen Route und Mexico 85,000, was zusammen 274,000 ausmachen würde.

Man kann sie endlich auch eintheilen in Hinsicht auf die Mittel zu ihrer Unterhaltung und die Methoden ihrer Subsistenz. Darnach mögen diejenigen, die sich selbst auf ihren Reservationen erhalten und die mit Ausnahme der Zinsen ihres eigenen Geldes oder der ihnen für die Cession ihrer Ländereien an die Vereinigten Staaten bewilligten Jahrgelder, von der Regierung nichts empfangen, 130,000, diejenigen, die gänzlich von der Regierung unterhalten werden, etwa 31,000, diejenigen, welche theilweise von ihr ernährt werden, 84,000, zusammen 245,000 zählen; diejenigen, die von der Jagd, der Fischerei, dem Sammeln wilder Beeren und Wurzeln oder von Betteln und Stehlen leben, mögen etwa 55,000 betragen. Von den 300,000 Indianern des Landes haben etwa 180,000 Verträge mit der Regierung geschlossen; 40,000 haben keine Verträge mit den Vereinigten Staaten, es sind ihnen jedoch durch Executivordre Reservationen zugewiesen worden, oder sie stehen unter der Aufsicht der erwähnten Agenten, welche die Regierung ernennt; 25,000 haben keine Reservationen, stehen aber mehr oder weniger unter der Controle der für sie ernannten Agenten und werden von der Regierung mehr oder weniger unterstützt. Der Rest besteht aus den erwähnten 55,000, über welche die Regierung factisch keine Controle ausübt, für welche keine Verträge und keine sonstigen Bestimmungen bestehen. In Bezug auf die Civilisation kann man sie, jedoch mit nur geringer Zuverlässigkeit und stets mit Rücksicht auf das, was man von einer Race mit solchen Antecedentien und Traditionen, wie die der Indianer, erwarten kann, eintheilen in 97,000 civilisirte, 125,000 halbcivilisirte und 78,000 völlig barbarische Indianer. Die Zahl der gegenwärtig noch feindseligen und marodirenden Indianerbanden schätzt der Bericht auf 8000. Unter ihnen ist vorzugsweise der Kiowa-Stamm vertreten, welcher, wie gemeldet, jetzt wieder gezüchtigt worden ist. Diese Zahl wird mit jedem Jahre mehr und mehr zusammenschmelzen. Der fortschreitende Bau der Eisenbahnen verengt ihr Terrain zusehends.

Die Romantik, welche bei uns noch von der Zeit her, wo Seume seinen Canadier dichtete, die edelmüthigen Indianer umgiebt und ihr freies Jägerleben, ihre einfachen Sitten und Anschauungen verherrlicht, sie muß zerfließen gegenüber der harten Wirklichkeit der Gegenwart. Jene nomadisirenden räuberischen Grenzstrolche des Westens verdienen das gleiche Schicksal wie die weißen Rowdies der großen Städte des Ostens. Mit der Zeit wird sicher die noch in der Entwickelung begriffene amerikanische Civilisation mit Beiden fertig werden.

M. Lindeman.




Die Blätter fallen.

Als schweigend ich die rothe Rose
In Deine weiße Hand gelegt,
Da zuckten Deine Lippen leise –
Ich sah es wohl, Du warst bewegt.

Zu Deinen Füßen warf mich nieder
Ein unaussprechlich weher Schmerz;
Du wandtest Dich und preßtest heftig
Die Rose an Dein klopfend Herz.

Und gabst zum Abschied mir noch ein Mal
Die bleiche Hand, die, goldbereift,
Von meines Lebens Baum die Blüthen
Nun alle, alle abgestreift. –

 Alexander Duncker.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_757.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)