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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

die gesammte Hauptstreitmacht Deutschlands zur See sich im Wasser befinden.

Die noch zur Flotte erforderlichen Panzercorvetten, schwimmenden gepanzerten Batterieen, Panzerkanonenboote und alle anderen Fahrzeuge werden im Inlande gebaut werden. Dieses ist um so mehr berechtigt, da die außerordentliche Eleganz, mit der der Stapellauf des großen Friedrich vor sich ging, wieder ein Zeugniß für die Tüchtigkeit deutscher Schiffbauer ablegte. In Kiel ist eine Panzercorvette im Bau begonnen worden. Dieselbe erhält noch einen stärkeren Panzer als der „Friedrich der Große“.

Zu dem Ablaufe und der vorhergehenden Taufe des Schiffes war der Kaiser Wilhelm selbst in Kiel erschienen und seine Gegenwart verlieh der Festlichkeit die gehörige Weihe.

Zum ersten Male wieder nach vielen Jahrhunderten besuchte ein deutscher Kaiser das dem Reiche zurückgewonnene Land.

Das Eintreffen des Monarchen in der festlich geschmückten Stadt am Abende des 19. September wurde nicht nur von den Kielern, sondern auch von herbeigeeilten Bewohnern ganz Schleswig-Holsteins enthusiastisch begrüßt.

Das denkbar schönste Kaiserwetter lachte am 20. September über dem von bunt beflaggten Schiffen belebten herrlichen Hafen. Nachdem der Kaiser am Vormittage zuerst die Kirche besucht, dann die Deputationen sämmtlicher Städte der ehemaligen Herzogthümer empfangen hatte, begab sich derselbe mit großem Gefolge zu der kaiserlichen Yacht „Grille“, um nach dem Hafeneingange Friedrichsort zu fahren, dessen Riesenkanonen jedem feindlichen Schiffe den sichern Untergang bereiten.

Bald verkündete der eherne Mund der Geschütze auf dem zur Feier anwesenden deutschen Geschwader das Herannahen des Kriegsherrn. In demselben Augenblicke sah man auf den im vollen Flaggenschmucke prangenden Schiffen „Kronprinz“, „Friedrich Karl“, „Niobe“, „Nymphe“ und „Rover“ großes Leben sich entwickeln. Mit staunenswerther Geschwindigkeit kletterten die Matrosen die Wanten empor bis in die höchsten Spitzen der Masten und standen im Nu Mann an Mann auf allen Raaen in weißem Paradeanzuge. Als die „Grille“ sich dem Geschwader näherte, ertönte ein donnerndes Hurrah als Gruß dem greisen Herrscher entgegen.

Der Kaiser begab sich in einem Boote an Bord des Admiralschiffs „Kronprinz“. Nachdem am Großmast die emporsteigende Kaiserstandarte das Betreten des Decks durch Seine Majestät verkündigt hatte, führten alle Schiffe Segelexercitien aus, die durch ihre Schnelligkeit und Präcision ein herrliches Schauspiel gewährten. In unglaublich kurzer Zeit standen die Schiffe mit in der Sonne glänzenden weißen Segeln da und ebenso schnell verschwanden die Segel wieder. Mit hohem Interesse beobachtete der Kriegsherr die Manöver und verließ erst lange nach der anberaumten Zeit und nachdem der „Kronprinz“ noch das Exercitium „Klar Schiff zum Gefecht“ vorgeführt hatte, das Admiralschiff, um sich wieder an Bord der „Grille“ zu begeben.

Nach der Besichtigung von Friedrichsort, der sich ein Manöver mit Torpedos anschloß, fuhr der Kaiser mit Gefolge nach der Werftanlage Ellerbeck, wo die aus Nah und Fern herbeigeströmte, nach Tausenden zählende Zuschauermenge des Ablaufs harrte. Auch dieses junge Marine-Etablissement zeigte sich in seinem ganzen Glanze, mit unzähligen Flaggen und Eichenguirlanden geschmückt. Vom Landeplatz dicht bei dem Dorfe Ellerbeck, bis in die Nähe des noch auf Stapel befindlichen Schiffs, fuhr der Kaiser durch die mit Ehrenpforten und Blumen geputzte Straße, die einen Ueberblick über die im Bau begriffenen großartigen Anlagen gestattete. Der brausende Jubel des Volks verkündete den nahenden Monarchen auch denjenigen, welche nicht aus nächster Nähe dem Schauspiele beiwohnen konnten.

Bald betrat Kaiser Wilhelm den vor dem Vorsteven des Schiffs errichteten Taufaltar in Begleitung seiner Nichte, der Landgräfin von Hessen, und des Chefs der Admiralität von Stosch, ergriff dann die an lang herabwehenden schwarz-weiß-rothen Seidenbändern befindliche Champagnerflasche und vollzog die Taufe des Schiffs mit folgenden Worten:

„Ich taufe Dich im Namen des großen Königs ‚Friedrich der Große‘. Magst Du seinem Namen Ehre machen, magst Du seinen Ruhm in alle Meere tragen!“

Mit sicherer Hand schnellte der Kaiser die Champagnerflasche gegen den Vorsteven des Täuflings, daß diese sofort klirrend zerschellte und mit ihrem perlenden Naß den Sporn des Schiffes benetzte – nach dem Glauben der Seeleute ein günstiges Omen für das Schiff. – Jugendlich raschen Schrittes begab sich Seine Majestät mit dem Gefolge, dem unter andern hohen Personen auch Prinz Friedrich Karl und Feldmarschall Moltke angehörten, durch die im Werkstättenhofe Spalier bildenden Beamten, Officiere und Deputationen nach einer für den Kaiser hergerichteten Tribüne, um von da aus das Zeichen zum Ablauf zu geben.

Lautlos harrte die Menge des Schauspiels; nur noch einige wenige Hammerschläge unterbrachen die feierliche Stille. Da gab der Kaiser das Zeichen, und der Schiffsbaudirector Zeysing, unter dessen Oberleitung der Bau des Schiffs zu seiner jetzigen Größe herangewachsen ist, durchschnitt die Schnur, welche die beiden Fallbeile hielten. Die Messer fielen herunter und kappten die das letzte Hemmniß bildenden Taue. Noch eine Minute stand das Schiff seiner Fesseln beraubt, eine Minute, in welcher manches Herz heftiger schlug als gewöhnlich, denn nun war der entscheidende Moment gekommen, in dem durch irgend einen unglücklichen Zufall die ganze Feier scheitern konnte. Doch die Spannung löste sich bald in allgemeine Freude auf, denn langsam und würdevoll setzte sich das Schiff in Bewegung. Als ob es sich bewußt wäre, welche ehrenvolle Auszeichnung ihm zu Theil geworden sei in der von einem deutschen Kaiser eigenhändig vollzogenen Weihe – so elegant und ruhig glitt das Schiff in sein künftiges Element.

In diesem Augenblicke entstieg Aller Brust ein begeistertes „Hurrah“; die anwesenden zahlreichen Musikchöre gaben den Empfindungen durch den Choral „Nun danket Alle Gott“ einen würdigen Ausdruck, und unter ihren Klängen und dem Jauchzen der auf unzähligen Schiffen im Hafen befindlichen Volksmenge legte das Schiff seinen letzten Weg zurück.

Jetzt befindet es sich an dem provisorischen Kai der Werft, um seiner Vollendung entgegen zu gehen. Rüstig wird die Panzerung in Angriff genommen, und in kurzer Zeit wird die deutsche Marine wieder ein Stück nationaler Arbeit aufweisen können, auf welches jeder Deutsche stolz sein kann.

Wenn auch die deutsche Marine nicht die Ausdehnung erreichen wird, welche die Seemächte ersten Ranges zu schaffen sich angelegen sein lassen, so wird dieselbe doch so gefördert werden, daß sie einen sicheren Schutz deutscher Interessen auf dem Meere, ein sicheres Bollwerk der deutschen Küsten und Häfen abgiebt.

Jedenfalls ist hier in kurzer Zeit mit kleinen Mitteln Großes geleistet worden, und wer die vorbereitenden Anlagen in Kiel und Wilhelmshaven gesehen hat, dem muß es klar geworden sein, daß mit Ernst und Energie an der Entwickelung unserer Marine gearbeitet wird.

S.




Zehn musikalische Sonette von David Fr. Strauß,
E. F. Kauffmann gewidmet.
II.

6. Zauberflöte.

Dem Gotte gleich, der aus den Thorenstreichen
Der Menschenkinder Weltgeschichte flicht,
Hast Du aus einem närrischen Gedicht
Ein Tönewerk erschaffen sonder Gleichen.

Schon warst Du nahe jenen ernsten Reichen,
Wo jede Lebenstäuschung uns zerbricht,
Das Haupt umstrahlt von jenem reinen Licht,
Vor dem die bunten Erdenfarben bleichen.

Da schien der Menschen Thun Dir Kinderspiel,
Du sahst den Haß in ew’ge Nacht verbannt,
Die Liebe sich zur Weisheit mild verklären.

Dank Dir, verklärter Meister! Nah’ dem Ziel,
Hast Du uns liebend noch herabgesandt
Vorklänge von der Harmonie der Sphären.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_716.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)