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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Corona war dieser Ausweg so erwünscht gekommen, daß sie in einer Art von Halbtraum zugehört und dahingeschritten war; sie hatte wohl noch allerlei auf dem Herzen, was sie gegen Quirin auszusprechen wünschte, aber sie fand die Worte nicht dazu, und wenn sie solche gefunden, wollte doch kein Laut aus der Kehle. – Auch war

Aus dem Regen in die Traufe.
Nach dem Oelgemälde von Toby E. Rosenthal.[WS 1]


Quirin sichtbar bemüht, jede weitere eingehende Unterhaltung abzuschneiden. Deshalb betrieb er die Abreise mit augenscheinlicher Eile und half der nicht Widerstrebenden auf den Sitz neben dem Bäcker, dem er sein „Bäschen“ auf’s Beste empfahl und der die Empfehlung gleich dadurch würdigte, daß er eine warme Decke zum Schutze gegen die rauhe Märznacht über sie warf. Kaum fand Corona noch Zeit, Quirin ihren flüchtigen Dank zu wiederholen, ihn zu fragen, wo sie ihn wiederfinden könne, um ihm dann erst so recht zu sagen, wie hoch sie den Dienst anschlage, den er ihr geleistet. Er überhörte die Frage, setzte den einen Fuß auf die Radspeiche, hob sich gegen Corona empor und sagte ihr seinen Abschied in’s Ohr; der Bäcker nahm eben vom Wirthe Zügel und Peitsche in Empfang und achtete nicht auf die Beiden.

„B’hüt Dich Gott, Sennerin!“ flüsterte Quirin. „Laß Dir’s gut geh’n und grüß’ mir im Auswärts die Gindelalm! Weil ich aber sorg’, es könnt’ Dir jetzt daheim ein Bißl hinderlich geh’n, d’rum möcht’ ich Dir ein Andenken mitgeben – da nimm das Papier da! Wenn Du in Warngau bist, mach’s auf und lies’s!“

Sie wollte Näheres wissen, wollte fragen – da zogen die Pferde an, das Blatt blieb ihr in der Hand; sie hörte nur noch aus weiter Ferne ein windverwehtes letztes „Bhüt’ Gott!“ des Burschen.

Es kam Alles genau, wie er vorhergesagt. Eben begann der späte Frühlingsmorgen zu grauen und die Glocke verkündete das Frühgebet, als sie vor dem Hofe hielten, in welchem Clarl als Wirthschafterin hauste. Bald hatte sie die Alte herausgepocht, die schlaftrunken und betroffen von der unerwarteten Begegnung vor ihr stand und sich flüchtig das Geschehene erzählen ließ. Zu genauerer Mittheilung war keine Zeit: im Hause des Bauern ist die Arbeit die erste Gebieterin; Clarl hatte vollauf zu thun und nur eben Zeit genug, Corona dem Bauer als ihre Base vorzustellen, die unerwartet zum Besuche gekommen. Erst als der späte Abend herankam, saßen sie Beide in Clarl’s Kammer auf dem Rande des gemeinsamen Bettes und erzählten und sprachen, bis die Mitternacht nahe und das Stückchen geringer Kerze, das die Kammer beleuchtete, am Erlöschen war.

Eine hatte der Anderen so viel zu sagen, Corona von ihren Erlebnissen bis zu der Stunde, da sie flüchtig an die Hütte der Freundin gepocht, Clarl von allen den Hoffnungen und Erwartungen, die sie sich von Corona gemacht, und wie doch oft etwas wie Reue und Sorge über sie gekommen, wie sie sich einen Vorwurf daraus gemacht, daß sie Corona angetrieben, den gewagten Entschluß auszuführen, und daß sie so vielleicht die Schuld trage, wenn die Sache keinen guten Ausgang nahm. Nachdem sie Alles erfahren, gab sie, wenn auch mit schwerem Herzen, das erträumte, vermeintlich mühelose und reizende Stadtleben auf und bot Corona herzlich die Hand. „Nun, wenn’s nit sein soll,“ sagte sie, „und wenn’s Dir so aufg’setzt ist, mußt Dich halt d’rein finden. Bist ja ein gescheites Leut; greif halt wieder zur Arbeit und lach’ über das, was Dir gescheh’n ist! Und wenn Du in meine Fußstapfen treten und ein alter Dienstbot’ werden mußt, wie ich, nachher wollen wir halt einmal in der Ewigkeit einander helfen beim Wolkenschieben. Aber was red’ ich denn da daher?“ rief sie, sich unterbrechend. „Mit dem Wolkenschieben hat’s ja wohl bei Dir keine Gefahr – der Wachtelschlager laßt Dich nach Allem, was Du mir erzählt hast, nimmer aus, und wenn Du Dich auch noch so stark einspreiz’st, geht das Spötterl zuletzt doch in dem Schlaghäusl ein. Was ist denn in dem Papier, das er Dir gegeben hat?“

„Ich weiß noch nit,“ entgegnete Corona, indem sie das Blatt aus dem Mieder hervorzog. „Ich hab’s heut’ schon ein paar Mal in der Hand g’habt und aufmachen wollen, und allemal ist mir wieder gewesen, als wenn mich was abhalten thät’. So hab’ ich’s für’n Abend aufg’spart. Kann mir zwar gar nit

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: G. Rosenthal, siehe Berichtigung (Die Gartenlaube 1874/47)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_707.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)