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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Schätze in Sicherheit gebracht und einen Theil derselben ihm in Verwahrung gegeben hätten, so sei er entschlossen, diese Summen zum Besten seines Vaterlandes und zur Beschämung seiner Verfolger durch außerordentliche Wohlthaten zu verwenden. Er stellte jedoch für Alle, die daran Theil haben wollten, die Bedingung auf, ihren Lebenswandel zu bessern, ihre sämmtlichen alten und neuen Sünden zu beichten und Vergebung von Allen zu erbitten, die sie je gekränkt und beleidigt. Sobald dies geschehen sei, werde er die schriftlichen Belege für seine Angaben vorlegen und die Wahrheit derselben durch Geistererscheinungen bekräftigen lassen, die jedoch nur auf die Orte beschränkt sein könnten, an welchen die zu citirenden Geister im Leben gewohnt hätten.

Es gehörte gewiß ein starker Glaube dazu, diesen Lügenbau für einen Tempel der Wahrheit anzusehen, aber Du Bosc hatte diesen Glauben und übergab Schrepfer sogar deshalb Empfehlungsbriefe nach Dresden an seinen Schwager, den Geheimen Finanzrath Ferber, und an den Conferenzminister von Wurmb. Ersterer, ein höchst achtbarer und gebildeter Mann, wies die Sache ebenso entschieden zurück, wie Schrepfer selbst ihn aufgab, weil er sofort einen ihm gefährlichen Gegner in ihm erkannte. Dagegen zog er nicht nur Wurmb, sondern auch den Herzog von Kurland in sein Garn, nachdem Beide in allen ihnen von Schrepfer vorgelegten Briefen, Urkunden und Vollmachten nicht die geringste Fälschung entdeckt und von den Gebrüdern Bethmann in Frankfurt am Main die Bestätigung der Aussage Schrepfer’s erhalten hatten, daß bei ihnen wirklich ein wohl eingepacktes und versiegeltes Paket, das anscheinlich Papiere enthalte, aufbewahrt und gegen Rückgabe der Quittung und gegen ein eigenhändiges Schreiben des Obersten von Steinbach sofort ausgeliefert werde. Diese Papiere sollten nun den Schatz der Jesuiten, im Betrage von mehreren Millionen – und zwar an sächsischen Steuerscheinen! – enthalten.

Es versteht sich von selbst, daß bei der Aussicht auf solche Reichthümer die Cassen der Betheiligten nun Schrepfer offen standen, besonders da er auch seinen Geisterbeweis beizubringen verstand. Diese Beschwörungen fanden in dem Palais des Herzogs statt, das nach dessen Tod zum Zeughause geschlagen worden ist. Theil nahmen daran: der Herzog von Kurland, der Minister von Wurmb, der Baron Hohenthal, der Kammerherr von Bischofswerder, derselbe, welcher später Günstling, General und Minister des Königs Friedrich Wilhelm des Zweiten wurde und eine Hauptperson in dem mystischen Treiben am damaligen Berliner Hof war; ferner der Kammerherr und Geheime Kriegsrath Christian Friedrich von Hopfgarten und der Adjutant des Herzogs, Oberst von Fröden.

So geschickt wußte Schrepfer seine gefährliche Rolle zu spielen, daß alle diese hohen Herrschaften ihn mehr und mehr ihres intimsten Umgangs würdigten. Er selbst behandelte sie wie seines Gleichen, auch den Herzog nicht ausgenommen; er stand nicht vom Stuhle auf, wenn dieser ihn in seiner Wohnung im Hotel de Pologne besuchte, und winkte ihm nur herablassend, neben ihm Platz zu nehmen. Hopfgarten wurde sein ergebenster Freund und Bischofswerder machte sogar Brüderschaft mit ihm. Er stand auf der Höhe seines Glanzes, und doch nahte bereits das schwarze Verhängniß. Die ‚Freunde‘ drangen auf Theilung der Reichthümer; so hatte er denn das Millionenpaket aus Frankfurt kommen lassen, verschob die Eröffnung desselben aber von Tag zu Tag, bis eine neue Gefahr über ihn hereinbrach: der französische Geschäftsträger Marbois verlangte von ihm die Vorzeigung seiner Oberstenpatents und drohte, ihn als Betrüger verhaften zu lassen, falls diesem Verlangen nicht Folge geleistet würde. Die Freunde beschworen zwar diese Gefahr, aber nun durfte Schrepfer auch nicht länger mit der Eröffnung des Pakets zögern und setzte dazu einen Tag kurz vor der Leipziger Michaelismesse fest. Alle Genossen waren beim Minister von Wurmb in Dresden versammelt, und auf dem Tische lag die geheimnißvolle Bescheerung. Alles wartete auf Schrepfer. Da kam die Nachricht, daß dieser Postpferde genommen und wegen höchst wichtiger Geschäfte nach Leipzig gereist sei.

Trotz des nun vielleicht aufgestiegenen Verdachtes blieb das Paket an diesem Tage noch ungeöffnet, aber geöffnet wurde es, man weiß nicht wo und wann, und was fand man? Nichts als weißes Papier und dazwischen einige Zettel, welche wieder auf andere Papiere verwiesen. Wurmb und Du Bosc kannten diesen Inhalt, aber sie schwiegen, ob aus Scham oder weil sie die Hoffnung auf den selbst von den Geistern verheißenen Schatz doch noch nicht aufgaben, ist zweifelhaft.

Wurmb reiste damals auf sein thüringisches Gut Großen-Furra, ohne sich in Leipzig aufzuhalten; Bischofswerder und Hopfgarten aber begaben sich während der Messe dahin und verkehrten mit Schrepfer in der alten Vertrautheit. Dieser hatte einen der letzten Meßtage als Zahlungsfrist zur Befriedigung seiner Gläubiger festgesetzt, und dieser Tag stand nahe bevor.

Da lud er, am 7. October 1774, Bischofswerder, Hopfgarten und noch zwei andere seiner Bekannten zum Abendessen zu sich. Der Abend verging heiter, aber nach dem Essen sprach Schrepfer; ‚Diese Nacht legen wir uns nicht zu Bett, denn morgen mit dem Frühesten, noch vor Sonnenaufgang, sollen Sie ein ganz neues Schauspiel zu sehen bekommen. Bis jetzt habe ich Ihnen Verstorbene gezeigt, die in’s Leben zurückgerufen wurden; morgen aber sollen Sie einen Lebenden sehen, den Sie für todt halten werden.‘ Darauf legte er sich auf das Sopha und schlief bis fünf Uhr. Dann erhob er sich mit den Worte: ‚Nun, meine Herren, es ist Zeit, daß wir gehen.‘ Schrepfer führte sie nach dem Rosenthale, wies ihnen hier einen Platz an und sprach: ‚Rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich Sie rufen werde. Ich gehe jetzt in dieses Gebüsch, wo Sie bald eine wunderbare Erscheinung sehen sollen.‘

Ruhig, wie er am ganzen Morgen gewesen, schreitet er in das von ihm bezeichnete Gebüsch. Bald darauf fällt ein Schuß. Die Harrenden beachten dies nicht und warten lange; endlich gehen sie doch besorgt in das Dickicht – und da liegt ein ‚Lebender‘ – aber er ist todt.

Auf die Anzeige des Vorfalls versiegelte der Stadtrath sofort Schrepfer’s Wohnung. Seltsamer Weise war an demselben Morgen Wurmb durch Leipzig nach Dresden gereist. Noch in Meißen erreichte ihn ein Bote, den ein Winkeladvocat und Anhänger Schrepfer’s, Dr. Teller, ihm nachgesandt, mit der Todesnachricht und bringt an Teller die Weisung des Ministers zurück, sich um jeden Preis der hinterlassenen Papiere des Todten zu bemächtigen und sie ihm nachzuschicken. Auf diesen Ministerbrief hin erbricht Teller die Siegel und besorgt den Befehl. Die Strafe blieb nicht aus, aber die Papiere waren geborgen. – So ist wohl das Geheimniß des Antheils der einzelnen Betheiligten an den Verlusten des Betrugs gerettet, aber die Kunde von dem jämmerlichen Schwindel beschämt uns noch nach hundert Jahren.“

Fr. Hfm.




Der Untergang des amerikanischen Expeditionsschiffes „Polaris“.*[1]


Ein Brief von Dr. Emil Bessels, wissenschaftlichem Chef der Polaris-Expedition.


Als der Dampfer, der mich bisher trug, zu Anfang Februar Southampton anlief, um neuen Kohlenvorrath sowie die Post an Bord zu nehmen und mir dadurch unerwarteter Weise das Vergnügen wurde, Ihnen vor meiner Abreise nochmals auf englischem Boden die Hand zu drücken, da mußte ich Ihnen versprechen, Ihnen einen langen Brief darüber zu schreiben, wie wir Schiffbruch gelitten und wie wir unsern zweiten Winter in der Polarregion zugebracht. Erst jetzt, nach beinahe sechs Monaten, komme ich dazu, mein Wort einzulösen. Vierwöchentliche Krankheit sowie die angestrengte Thätigkeit, welche mir die Herausgabe

  1. * Bei dem erhöhten Interesse, welches in Folge der österreichischen Expedition jetzt die Polargegenden und ihre Erforschung in Anspruch nehmen, gewährt es uns eine besondere Freude, unseren Lesern den obigen Brief des wissenschaftlichen Leiters der im Jahre 1872 von Amerika ausgegangenen Halls’schen Polar-Expedition mittheilen zu können. Es geschieht dies mit Genehmigung des Briefschreibers, welcher augenblicklich als Mitglied der bekannten Smithsonian Institution in Washington mit den Ausrüstungen zu einer kurzen Recognoscirungsfahrt nach den Polargegenden beschäftigt ist, die er im nächsten März zu unternehmen gedenkt.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_664.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)