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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

es gewährte vom Schiffsraume aus, wo ich stand, einen merkwürdigen Anblick, den schönen Schimmelhengst zu sehen, wie er zuerst hinaufkam, sich nicht wieder zu stehen getraute und rings herum nun festgehalten wurde, bis er den Gebrauch seiner Beine wieder erlernte.

Große Schwierigkeiten verursachten die Elephanten; sie ließen sich noch ziemlich ruhig unter die Krahnkette führen, aber von dem Augenblicke an, wo ihnen der Gurt untergelegt wurde, wehrten sie sich oft verzweifelt, unter furchtbarem Gebrülle warf fast stets das betreffende Thier die drei Männer, die dieses Amt übernommen hatten, rechts und links auseinander und entwickelte dabei trotz seiner verhältnißmäßigen Kleinheit eine für die Zukunft vielversprechende Kraft. Und doch schmeckt keins der eingefangenen Thiere von Anfang an so viel Prügel, wie der widerspenstige Elephant. Aber es ist eben leichter in China einen gemeinen Soldaten zur willenlosen Maschine zu machen, als einen solchen in der Freiheit geborenen Elephanten über seinen nunmehrigen Standpunkt zum Menschen aufzuklären.

Hingen die Elephanten nach Bewältigung ihres Widerstandes endlich in der Schlinge, so waren sie auch da noch lange nicht zur Ergebung in ihr Schicksal gekommen; sie brüllten noch wie besessen, oben auf dem Verdecke aber kamen sie, wahrscheinlich im Gefühle ihrer dicken Beine, auch schnell wieder zum Gebrauche derselben. Einen sehr komischen Eindruck machte ein ganz kleiner Elephant, der aus seiner Decke kaum noch mit Rüssel und Schweif hervorragte und daher einen nicht ganz Kundigen über das Hinten oder Vorn leicht irre führen konnte. Als er, der am geduldigsten und nur auf’s Fressen bedacht war, am Krahn hing, erinnerte er fast an eine Schildkröte; so ganz anders war durch die verhüllende Decke seine Erscheinung geworden.

Den eigenthümlichsten Anblick von allen Thieren boten natürlich die Giraffen, wenn sie in gleicher Weise den Schiffsraum zu verlassen hatten. Die Giraffe hat bekanntlich etwas überaus Sanftes, Weibliches, und im Zusammenhange damit ist selbst ihr Widerstand, wo er stattfindet, mehr ein passiver. Ruhig ließen diese Thiere sich den Gurt umhängen und umschnallen, als sie aber nun in der Schwebe hingen, da wurde das Bild allerdings ein höchst groteskes. Gleich einer gigantischen Spinne griff dann stets das Thier mit den langen Beinen nach allen Seiten um sich, um den verlornen Boden wieder zu suchen, und die Gefahr, sich an den Wänden die Beine zu zerschlagen, war mehrmals sehr groß. Der Kopf wurde, wie auch bei den andern Thieren, gleich von Anfang an am Stricke, dessen Ende hinaufgereicht wurde, von oben gehalten, so daß das Thier, oben angekommen, gleich in der menschlichen Gewalt war. Aber merkwürdig, wie beim Menschen so oft, so war auch den Giraffen in der kurzen Minute der bodenlose Zustand so geläufig geworden, daß er ihnen als selbstverständlich erschien, und sie nicht wieder auf den Beinen stehen wollten. Es sah äußerst gefährlich aus, wenn auf dem engen Verdeckraume dann fünf bis sechs Personen mit allen Kräften bemüht waren, das immer von Neuem zusammenknickende Thier aufzurichten. Aber zuletzt gelang es doch stets, und endlich stand die langhälsige Gesellschaft auf dem Verdecke versammelt. Als die Thiere alle oben waren, wurde noch zusammengesucht, was noch unten zurückgeblieben, z. B. einige Kasten und dergleichen; die Schafe wurden gleich von Menschenarmen hinaufgehoben, wobei sie, jedenfalls zu ihrer Verwunderung, nicht eben sanft angefaßt wurden. Es waren dies ein Paar schwarzköpfige Fettsteißschafe mit einem Jungen. Das Mutterschaf und das Junge waren noch mit rothgelber Farbe bemalt, wie das die Hirtenvölker dort gern thun. Das auf dem Bilde liegend dargestellte Fettschwanzschaf war erst in Suez gekauft und soll die in Syrien übliche Race repräsentiren, während das dahinter stehende aus Cassale im Soudan stammt.

Jetzt war Alles zum Abzuge bereit; auch die Giraffen waren bereits am Lande. „Avanti (vorwärts)!“ rief laut Herr Hagenbeck, der die größte Giraffe selbst führte; „avanti!“ brüllte jetzt die ganze Masse der angestellten Leute, und fort ging’s in malerischem Zuge und mit fortwährenden Hindernissen. Für die liebe Straßenjugend war die Sache ein Hauptgaudium; auf alle Weise suchten sie die Thiere scheu zu machen, empfingen aber dafür gerechte Peitschenhiebe an die Beine, und auch ich habe sie mehrmals auf gut Deutsch grimmig ausgescholten, leider mit sehr vorübergehendem Erfolg. Es waren ein Paar famose Jungen darunter, die ich am liebsten gleich gemalt hätte, obgleich sie große Flegel waren. Von den Giraffen erwiesen sich einige kleinere als nicht sehr von der Weiblichkeit beseelt, die ich vorher pries; sie sprangen nach rechts und links, weshalb Herr Hagenbeck die schwierigste sich selbst zum Führen aussuchte; er blieb aber doch mit derselben immer mehr zurück. Mit fortwährendem Geschreie trieben die Wagenführer ihre Ochsen an, obgleich dieselben ganz wacker zogen; auf dem letzten Kasten des Wagens saß der rothe Affe angebunden, immer geneckt von der hoffnungsvollen Jugend und Gesichter schneidend. Von den Schafen mußten die schwarzköpfigen auf den Kutschersitz einer mitfahrenden Droschke genommen werden; kurz das Ganze bot ein wildes Durcheinander, so wild, wie man es als Künstler nur wünschen konnte. Nicht weit vom Bahnhofe kamen auf einmal sämmtliche Giraffen in Galopp, als könnten sie den Genuß der Eisenbahnfahrt nicht erwarten. Sie sollten ihn länger haben, als zu erwarten war.

Ich bin mit dem zu Ende, was zur Erläuterung des Bildes gehört, und kann nun ganz kurz sein. Nachdem ich noch der Gefahr, von einem Windstoße in’s Meer geweht zu werden, mit Noth entgangen war, fuhren wir, mein Freund, der Agent, und ich, mit dem Eilzuge voraus nach Wien; der Zug, der die Thiere mitnehmen sollte, fuhr später und langsamer. Der Regen wurde ein gewaltiger Landregen; wir zwar kamen noch glücklich nach Wien, aber eine viertel oder halbe Stunde nach dem Passiren unseres Zuges über eine kleine Brücke im obern Steyermark war diese, unterwaschen von dem steigenden Wasser, zusammengestürzt, und der später kommende Zug mit den Thieren konnte nicht weiter. Ziemlich drei Tage, bis eine Nothbrücke hergestellt war, mußte der Thiertransport hier liegen, glücklicherweise ohne andern Schaden, als den Zeitverlust.

Ich selbst reiste schließlich voraus bis Dresden, wo mich die Depesche mit der Nachricht von der Abfahrt aus Wien noch erreichte, so daß ich die Ankunft der Thiere noch abwartete; denn in Dresden wurde zur Erholung Halt gemacht; verschiedene Thiere wurden der Bewegung wegen einmal herausgenommen, z. B. die Pferde, die jungen Löwen mit dem Affen etc. Eine große Rolle spielten hier die Schildkröten, welche gleichsam als Trinkgelder, ein hoher Kasten voll, mitgenommen worden waren. Wer sich verdient machte durch Etwas, was sich nicht gut mit Geld lohnen ließ, erhielt seine Schildkröte und war glücklich darüber. Ich selbst, als ich mich hier von meinen Reisegenossen trennte, empfing zum Lohne für mein thatkräftiges Zusehen einen Korb voll großer aus Corfu mitgebrachter Orangen, nebst einem desgleichen voll Schildkröten. Letztere vertheilte ich aus Mangel an passendem Raum zur Unterbringung derselben, und sie wandeln wohl alle noch bei den Empfängern munter herum; erstere erlaubte ich mir wenigstens theilweise selbst zu behalten und ihr Andenken ist noch jetzt ein gesegnetes.

Den Schildkröten, beiläufig gesagt, bohrt man in die hintere Seite des Schildes ein Loch, zieht einen starken Faden hindurch, und kann sie so nach Belieben kurz oder lang anbinden, so daß sie sich nach persönlichem Bedürfniß im Freien bewegen können. Sie fressen fast alle Pflanzenkost. (Meine Knaben empfingen als Trost für die weggeschenkten Schildkröten später ein kleines Krokodil für ihr Aquarium, welches, nachdem es den ersten Aerger über die Reise von Hamburg überwunden, jetzt munter frißt und das Interesse von Jung und Alt erregt. Für Aquariumliebhaber sind solche kleine Krokodile eine sehr hübsche Neuigkeit.) Die transportirten Thiere sind natürlich alle längst verkauft, und auch von der großen Menagerie, welche in Triest gleich im Vorbeigehen mitgekauft wurde, ist meines Wissens nichts mehr vorhanden, da fast alles schon unterwegs seine Käufer fand.

L.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 649. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_649.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)