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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Ausladung fremdländischer Thiere.



„Mein lieber L., Sie sollten einmal mit mir nach Triest reisen, wenn für mich dort Thiere ankommen. Zu sehen, wie da die Elephanten, die Giraffen in der Schlinge hängen, mittelst des Krahns aus dem Schiffsraum in die Luft gehoben und dann entweder zum Landen in die Barke oder zunächst nur auf das Verdeck niedergelassen werden – das würde Sie gewiß sehr interessiren,“ so sprach schon im vorigen Jahre einmal mein Freund Hagenbeck zu mir, und ich gestehe, daß diese kurze Schilderung hinreichte, um den Entschluß zur Mitreise in mir zu reifen. Im vorigen Jahre wurde Nichts aus der Sache; um so energischer trafen wir aber für dieses Jahr unsere Verabredung, und im Mai führte uns ein Eilzug von Dresden, wo wir uns getroffen, nach dem Süden. Ein Transport von acht Giraffen, fünf Elephanten, drei Löwen, drei Leoparden, drei Hyänen, drei Luchsen, vier Nashornvögeln, einem Kranichgeier (Secretär), achtundzwanzig Perlhühnern, vier Trappen, einem Uhu und einer Menge kleiner Säugethiere und Vögel war bereits zu Schiff von Alexandrien unterwegs und mußte in den nächsten Tagen in Triest eintreffen.

Nach kurzer Ruhepause in Triest setzten wir in früher Morgenstunde unsere Reise fort und ließen uns fabrikmäßig als Eilzugreisende von den gebildeten und gescheitelten Kellnern der Bahnhöfe im Hochgebirge abspeisen und tränken. Trotz der langen Maitage kamen wir doch erst im Dunkeln in Triest an. Der im Bahnhof nebst andern ähnlichen Geistern aufgestellte Commissionär des Hôtels zum „Schwarzen Adler“ belehrte uns, daß das Schiff „Urano“ noch nicht angekommen sei, dagegen seien vor Kurzem einige Thiere ausgeladen worden, „nit Löwi, nit Leopardi“, sondern Thiere „mit die lange Näs“. Für wen diese Elephanten „mit die lange Näs“ waren, das wußte er nicht. So finster es war, so kam mir doch Alles gleich ganz italienisch vor; auf dem Bahnhofe vernahm man fast nur die italienische Sprache, und wo wir unsere Muttersprache hörten, war es stets das fremdartige Deutsch des Italieners. Auch der „Schwarze Adler“, der uns bald unter seine Fittiche nahm, machte in Bezug auf die Personen seines Haushalts davon keine Ausnahme, was insofern sein Gutes hatte, als man nun in freien Augenblicken gelegentliche Studien im Italienischen machen konnte, worin mir Carlotta, das Stubenmädchen, treulich behülflich war.

Ein sanftes, nicht unharmonisches Plätschern weckte uns am andern Morgen: der Himmel ergoß sich in Strömen von Regen. Ich hatte bisher immer solches Wetter für ein Vorrecht meines geliebten Vaterlandes gehalten, sah aller nun meinen Irrthum ein. Der „Urano“ war aber auch in der Nacht noch nicht angekommen.

Es war Sonntag, und da sogar an Festtagen einiges Verkaufsleben auf dem Markte am Hafen herrscht und die fremdartigen Fischformen mich interessirten, konnte das Auge sich doch nicht über Mangel an Beschäftigung beklagen. Auch eine große Menagerie war gerade in Triest und wurde natürlich von uns besucht. Als wir endlich zur Leibesstärkung dem Horste des schwarzen Adlers wieder zusteuerten, saßen bereits der Bruder und der Agent meines Freundes im Gastzimmer; der „Urano“ war also eben angekommen. Der erstgenannte Herr war mit einem Wärter dem Agenten, Herrn Meyer, bis Suez entgegengereist, und Alles war glücklich in Triest angelangt.

Jetzt war selbstverständlich das Nächste die Besichtigung der angekommenen Thiere; wir begaben uns also nach dem Hafen und balancirten über die lange, zum Verdecke führende, vom Regen schlüpfrige Brücke hinauf und dann auf steiler Treppe hinunter in den Schiffsraum. Hier herrschte natürlich ein malerisches Durcheinander: vor und hinter dem Maschinenraume standen die großen Thiere, an die Schiffsseiten angebunden. In der Mitte war aus Kisten, Koffern, Säcken, Matten und allerhand Vorräthen eine Art Lager errichtet, für einen Maler ein köstlicher und anregender Anblick; fast Alles war meinem Auge neu: die aus Stroh geflochtenen Säcke von verschiedensten Formen, früher mit Futter gefüllt, jetzt theilweise leer, die Schilde aus Elephantenhaut, die Seile aus Durrastroh, die aus einem Stück Baumstamm geschnitzten Futterschüsseln und was sonst Alles noch dalag. Nur der Schinken und die Bierflaschen, Reste eines von den Leuten genossenen Frühstücks, waren mir bekannte Größen.

Von den Thieren waren, wie schon erwähnt, nur die Giraffen und Elephanten frei angebunden; einige mitgenommene Schafe liefen, fast immer den Andern im Wege, ganz frei herum. Alles Uebrige befand sich in den üblichen durchweg aus Holz bestehenden Transportkäfigen, welche der Raumersparniß wegen stets so eng wie möglich sind, so daß es den Thieren darin nie zu wohl wird.

Einen unerwarteten und höchst unterhaltenden Anblick gab es, als aus einem Käfige zwei junge mit Halsbändern versehene Löwen, aus einem andern ein rother Affe genommen und mit Stricken angebunden wurden. Sie waren offenbar alte Bekannte, denn der Affe, ein junger, überaus lustiger, von der Philosophie des Lebens noch nicht angekränkelter Gesell, sprang sofort auf die Löwen zu und fing an mit ihnen zu spielen. Auch diese, im Gefühle der größeren, wenn auch gemäßigten Freiheit, überließen sich ihrer jugendlichen Heiterkeit, und die Scenen, die sich da entwickelten, waren so überaus komisch, daß Alles aus vollem Herzen lachen mußte. Am komischsten war es wohl, wenn der Affe auf einen der Löwen sprang und sich nun sitzend oder stehend wie ein Kunstreiter im Circus geberdete, wobei der als unfreiwilliges Pferd dienende Löwe auf’s Eifrigste bestrebt war, seinen Reiter loszuwerden.

Der Morgen des andern Tages galt den Vorbereitungen zur Ausladung, strafte aber leider unsere Hoffnungen auf schönes Wetter Lügen. Es regnete zwar nicht mehr mit der erstaunlichen Beharrlichkeit wie am Vormittage des vorigen Tages; dafür hatte sich aber ein kaltes Wehen aufgethan, die Bora, jener berüchtigte Wind, der von den kahlen Abhängen des Karstes herab die Triestiner öfter heimsucht. Um die Thiere vor Regen und Wind zu schützen, mußten also zunächst Decken gesucht und zum Umbinden zurecht gemacht werden. Ein immer regeres Leben entwickelte sich nun auf dem Schiffe, und ich ließ es nicht daran fehlen, überall, wo es galt, dabei zu sein und tapfer zuzusehen, denn das ist nun einmal der Beruf des Malers. Unweit des Hafens stand auf ganz niedrigen Rädern eine Anzahl merkwürdig langer Ochsenwagen; ein solcher wurde gemiethet, um die Kisten, Koffer und alles Derartige nebst den Thierkäfigen zu befördern. Ich habe nämlich zu erwähnen vergessen, daß eigentlich Alles zusammen auf einer Dampfbarke, also zu Wasser, nach dem Bahnhofe gebracht werden sollte, aber diese Art des Transportes wurde nicht nur dadurch unmöglich, daß das sonst so ruhige Wasser des Hafens immer größere Wellen warf, sondern auch in Folge eines Schadens an der Maschine der Dampfbarke. Der Transport mußte daher zu Lande, also durch die Straßen bewerkstelligt werden.

Jetzt endlich ging nach genügendem vorherigem Durcheinanderlaufen das Aufwinden vor sich; unter dem lauten Aechzen der Kisten, dem Rasseln der Krahnkette und dem Rufen und Commandiren der dabei Thätigen stiegen die betreffenden Gegenstände, gewöhnlich drei oder mehr zusammengefesselt, an’s Tageslicht empor, um dann die Brücke hinab auf den Ochsenwagen befördert zu werden. Beim Handhaben der Käfige mit den Raubthieren mußte natürlich mit großer Vorsicht verfahren werden, denn obwohl die starken Gitterlatten nur sehr enge Zwischenräume haben, greifen doch insbesondere die gewandten Leoparden oft mit den Tatzen heraus. So laborirte z. B. Herr Meyer noch an einer auf diese Weise in Alexandrien empfangenen Wunde am Beine, während ein Diener, Seppel, noch von Inner-Afrika her aus gleichem Anlaß die rechte Hand verbunden trug. Als der Wagen beladen war, sollte auch meine Neugierde befriedigt werden, denn nun kam die Reihe an die Thiere. Den Anfang machten zwei arabische Pferde, welche noch in Alexandrien gekauft worden waren; sie benahmen sich dabei verständig genug und ergaben sich, nachdem sie beim Emporheben einige fruchtlose Versuche, Boden zu gewinnen, gemacht hatten, ruhig in ihr Schicksal. Oben auf dem Verdecke hingegen kostete es große Mühe, die Thiere zum Stehen zu bringen, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_648.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)