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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Nun folgte der dritte Theil der Feier. Der Abt ließ sich, die Infel auf dem Haupte, auf einem rothsammtenen Faldistorium (Bischofssessel) nieder, das auf die höchste Altarstufe gestellt wurde, und vor ihm knieten wir nun der Reihe nach hin. Der schwere Chormantel, der bisher noch um unsere Schultern lag, wurde abgenommen; man bekleidete uns mit dem Rochet (einem kurzen hemdartigen weißleinenen Gewande), sowie mit dem Almutium (einem grauen leichten Pelzkragen mit Capuze) und drückte das Barett auf unser Haupt. Hierauf legte Jeder seine gefalteten Hände in die gleichfalls gefalteten des Abtes, und nach nochmaligem Gelübde und Handkuß folgte der Bruderkuß, welcher zuerst dem Abte, dann allen übrigen Brüdern ertheilt wurde. Auffallend, fast schmerzlich war es, daß einzelne Brüder sich dem letzteren consequent entzogen.

So waren die neuen Capitularen fertig, wenigstens äußerlich; wie es innerlich bei den Einzelnen aussah – Gott und der Betreffende haben es gewußt. Am nächsten Morgen erhielten wir unter allerlei, mitunter fast drastischen Ceremonien (eine Thür einmal auf- und zumachen, einmal an einem Glockenstrange ziehen etc.) die vier niederen Weihen: Akolythat, Ostiariat, Lectorat und Exorcistat, und mußten uns die Tonsur auf dem Hinterhaupte ausscheeren lassen, die allerdings in Kurzem wieder verwachsen war und erst, der Formalität halber, bei der Priesterweihe wieder erneuert wurde. Von den Priestern selbst trug beinahe Keiner dieses geistliche Abzeichen, außer wem die Natur in ihrer oft zu reichen Güte dazu verholfen hatte.

Noch ein Jahr brachten wir nun in den Hallen des „gastfreundlichen“ Klosters der Bettelmönche in Prag zu, sowie in den dumpfen Sälen der theologischen Facultät mit ihrer dem Geiste so wenig gesunden Luft, dann schlossen wir äußerlich unser Studium mit den höheren Weihen des Subdiaconates, Diaconates und Presbyterates ab und wurden mit dem letzteren „hochwürdige“ Herren, während wir bisher nur als „ehrwürdige“ gegolten hatten.

Nun erst trat die Pflicht des Gehorsams eigentlich an uns heran, indem Jeder nach dem Ermessen des Abtes seinen bestimmten Wirkungskreis zugetheilt erhielt, entweder als Lehrer, oder, was meist der Fall war, als Seelsorger. –

Es ist ein wesentlicher Vortheil der Ordenspriester, daß sie bei eintretendem Alter, bei Krankheit, oft auch aus weniger triftigen Gründen, in das Kloster selbst zurückkehren und hier, vor Nahrungssorgen geschützt, ihr Leben zubringen können. So fehlt es dem Kloster selbst nie an Bewohnern, freilich an Bewohnern, deren Jeder ein Original ist oder geworden ist, deren Jeder seine mehr oder weniger ausgeprägten Eigenthümlichkeiten besitzt, die wenig geeignet sind, die friedliche Einheit einer Familie aus diesen heterogenen Elementen zu bilden.

Ist das Friede, wenn der Bruder das Messer auf den Bruder zücken möchte, wenn er mit geladenem Gewehre demselben durch die Hallen des friedlichen Klosters nacheilt? Der das gethan hat, soll irrsinnig sein, sagt Man. Derselbe Mann hat übrigens jedem Neuaufgenommenen dringend zum Austritte gerathen. Die Bilder des Friedens sind selten in den Hallen des Klosters, weil nicht immer Beruf, weil äußerer Zwang, weil materielle Verhältnisse die Meisten hinter diese Mauern bringen, die dann in ihrer Unzufriedenheit sich und Anderen das Leben verbittern.

Es giebt unter ihnen gewiß auch ehrenwerthe Männer, denen ihr Beruf heilig ist, aber sie würden außer dieser Genossenschaft Gott ebenso gut, vielleicht besser dienen als in ihr.

Wer mag es dem Manne verargen und einen Stein auf ihn werfen, der wohl nach heftigem Seelenkampfe und in der Ueberzeugung, Recht zu thun, den Muth hat, die Fesseln trotz des Geschreies der Welt und der „Brüder“ zu sprengen? Hat er damit schon seine Kirche verlassen, ist er darum schlecht geworden, verdient er darum Tadel, daß er lieber ein ganzer Mensch als ein schlechter Mönch sein will? Und doch wirft die Kirche selbst, welche die Religion der Liebe lehrt, den Stein auf ihn; sie will ihn nicht dulden; sie stößt ihn aus ihrer Gemeinschaft und legt ihren Fluch auf sein Haupt, obwohl er vielleicht besser war als mancher ihrer „treuen“ Söhne, der ein weiteres Gewissen hat. Es wäre entsetzlich traurig, wenn Jene unfehlbar wären, die den Fluch aussprechen – aber Gott kennt in seiner Vatergüte den Fluch nicht, mit dem man seinen Namen entehrt.




Aufruf für Meiningen.


Wiederum müssen wir die Stimme erheben, um zur Linderung eines harten Schicksals, welches vor einigen Wochen über die Bewohner einer uns benachbarten deutschen Stadt hereingebrochen ist, die Nächstenliebe und Barmherzigkeit Aller aufzurufen.

Meiningen ist am 5. September innerhalb weniger Stunden zu einem rauchenden Trümmerfelde geworden: ein Dritttheil der Stadt, zweihundert Häuser, liegen in Asche, und zweitausendsechshundert Menschen, etwa die Hälfte der Einwohner, wissen nicht, woher Brod nehmen gegen den nagenden Hunger, wo das Haupt hinlegen und es schützen gegen Wind und Wetter und den herannahenden Winter.

Hier thut Hülfe, schnelle Hülfe um der Menschlichkeit willen noth. Darum, Ihr Alle, fern und nah, diesseits und jenseits des Oceans, die Ihr den Ruf der Gartenlaube, wenn er um Abwehr des Elends bat, noch niemals überhört habt, hört und helft auch diesmal, helft den Bürgern von Meiningen, die in Noth und Drangsal die Hände ausstrecken und in ihrer schweren Bedrängniß Eurer rettenden Liebe hoffend entgegensehen. Jedes Scherflein ist willkommen, und der Empfang desselben wird dankbar von uns bescheinigt werden. Auf denn, sammelt in allen Kreisen und lindert mit Werken der Barmherzigkeit das unsaglich tiefe Elend braver und unglücklicher deutscher Mitbürger, deren Hab und Gut in wenigen Stunden zu einem Häuflein Asche zusammengesunken ist!

Die Redaction der Gartenlaube.




Erste Quittung.

An Liebesgaben können wir heute bereits quittiren: Sammlung des Bibliographischen Instituts in Leipzig (früher in Hildburghausen) 162 Thlr. 6 Ngr.; Redaction der Gartenlaube 100 Thlr.; Ad. Winkler in Sebnitz 1 Thlr.; Alfred 10 Thlr.; Leo Gebhardt 20 Thlr.

Ernst Keil.




Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.




In Folge einer Verordnung der kaiserlichen Post werden die nach Erscheinen der ersten Quartalnummer aufgegebenen Bestellungen nur gegen Portovergütung von 1 Sgr. ausgeführt. Wir bitten also unsere Post-Abonnenten, zur Ersparung dieser überflüssigen Ausgabe, ihre Bestellungen

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Die Verlagshandlung.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_618.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)