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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

geht hervor, daß auf der Station noch ein zweites Wohnhaus errichtet ist und daß Herr Soyaux, Mitglied der Expedition, auch schon einen Garten mit Versuchsfeldern angelegt hat. Einen interessanten Anblick dürfte denjenigen, welchen die Einzelheiten einer solchen Expedition noch fremd sind, das Zelt gewähren, in welchem die Waffen und Instrumente der Expedition aufbewahrt werden. Ich lege eine Photographie desselben bei, auf welcher zugleich das für die Passage von Flüssen und Seen angefertigte Boot sichtbar ist.

Bastian kehrte, nachdem die nöthigen Angelegenheiten geordnet und er noch hier und da einen Forscherblick in das Küstenland geworfen, nach Europa zurück.

Am 13. October vorigen Jahres war die Station Chinchoxo so weit hergestellt und eingerichtet, daß die Expedition nun selbstständig an der Küste existiren und Dr. Güßfeldt einer ferneren Aufgabe näher treten konnte, und bereits am 16. October brach derselbe von Chinchoxo aus nach den Landschaften Mayombe und Yangela auf. Es gelang ihm, in das bisher für verschlossen gehaltene Innere einzudringen, ohne daß man

Dr. Paul Güßfeldt.

ihm ein Ziel steckte. Da diese wichtige Reise doch eben nur eine vorläufige Recognoscirung war, so mußte er sich selbst ein Ziel stecken. Nachdem Güßfeldt den Quillufluß, einen Strom, der unserm Rhein an Größe kaum etwas nachgiebt, bis zu einer Entfernung von zweiundsechszig Miles (circa sechszehn deutsche geographische Meilen) von der Mündung verfolgt, was einer Entfernung von Köln bis Bingen gleichkommt, und seinen Lauf niedergelegt, kehrte er nach Chinchoxo zurück. Die Reise dauerte bis zum 2. December 1873 und war eine recht erfolgreiche, wenn auch recht beschwerliche. Güßfeldt scheint das innere Hochplateau erreicht zu haben, denn er beobachtete Höhen von vierhundertdreißig bis siebenhundert Metern und spricht von Gegenden, die uns an heimathliche oder doch europäische erinnerten. „Diese Gegend,“ sagt Güßfeldt, „schien für Deutsche oder Schweizer geschaffen zu sein, aber nicht für Schwarze, und es erschien mir fast wie Hohn, daß ich mich hier, statt in ein reinliches kleines Wirthshaus einzutreten, mit den Schwarzen wegen der zu bezahlenden Fazenda herumzanken mußte.“

Nach glücklich überstandener Reise versorgte sich Güßfeldt mit den nöthigen Begleitern zu seiner nun schon angetretenen Reise nach dem Innern. Die erforderlichen Instrumente und Schußwaffen waren auch inzwischen eingelaufen. Auch hatte der Vorstand nach und nach noch die folgenden Mitglieder der Expedition nach der Station Chinchoxo hinausgesandt: die Herren Dr. med. Falkenstein, Lindner, Soyaux, Botaniker, Dr. phil. Lenz, Geolog, und in neuester Zeit Dr. phil. Pechuel-Lösche. Letzterer ist besonders befähigt, Dr. Güßfeldt in allen Arbeiten zu unterstützen und nach mancher Richtung hin das Feld der Thätigkeit zu erweitern.

Die Station ist so weit vorbereitet, nun auch strengwissenschaftliche Gelehrte aufzunehmen, und während sich diese Mittheilung im Druck befindet, bereitet sich ein jüngerer, vielversprechender Gelehrter, Dr. Georg Lohde aus Leipzig, vor, nach der Station Chinchoxa abzureisen. Dr. Lohde. hat sich bereits durch mehrere wissenschaftliche Abhandlungen, z. B. „Ueber die Entwickelungsgeschichte und den Bau einiger Samenschalen,“ Inauguraldissertation, ferner „Ueber Insectenepidemien, welche durch Pilze hervorgerufen werden“ u. A., rühmlichst hervorgethan. Lohde wird nicht in das Innere gehen, sondern nur auf der Station morphologische und physiologische Forschungen anstellen.

Zum Schluß dieser ersten Mittheilung*[1] über die deutsche Expedition geben wir noch Einiges über Land und Leute an der Congoküste.

Wie die Loangoküste unter den Küstenländern Westafrikas eine klimatisch bevorzugte Oertlichkeit bildet, so zeichnen sich auch die Bewohner derselben vor den anderen Negern durch ihre Intelligenz aus. Sie verstehen sehr zierlich in Metall zu arbeiten, in Holz oder auf Elfenbein zu schnitzen; sie stellen feine Thonwaaren her und verfertigen Matten mit einer Mannigfaltigkeit geschmackvoller Muster. Die ersten Entdecker rühmen die feinen Zeuge, die aus Bastfasern gewebt werden, aber ein seidenartiges Aussehen hatten, und noch jetzt kommen mitunter solche Manufacturen aus dem Innern, während an der Küste selbst durch die Einfuhr baumwollener Stoffe aus Europa die einheimische Industrie verdrängt ist. Ausnehmend gefällig sind die sogenannten Mafuka-Mützen gewirkt, das heißt die von den Mafuka und anderen Häuptlingen als Standeszeichen getragenen Mützen, von denen sich einige Exemplare in dem ethnographischen Museum in Berlin befinden, ebenso wie mit mühsamer Sorgfalt hergestellte Körbe, die in großer Zahl ineinander geschachtelt sind.

Die königliche Würde ist in all’ diesen Negerländern mit vielen lästigen Verpflichtungen verknüpft, indem die Untertanen sehr weitgehende Anforderungen an den Landesherrn stellen. Es wird ihm Schuld gegeben, wenn keine Fische in’s Netz gehen, wenn die Ernten fehlschlagen oder wenn der Regen ausbleibt, und im letzten Falle wird von dem Fürsten verlangt, daß er Regen mache. Dies ist ein bedenkliches Ding, da ein Fehlschlagen des Versuches leicht einen gefährlichen Aufstand hervorrufen könnte, und die Klügeren unter den Fürsten lassen sich deshalb persönlich auf nichts ein, sondern schicken einen verantwortlichen Minister, der die weiteren Folgen, also auch wenn es mißlingt, zu tragen hat.

Der Lebenslauf des Einzelnen fließt ziemlich gleichförmig dahin, und auch der Stand macht keinen großen Unterschied. Zwar besteht auch an der Loangoküste, wie überall in Afrika, die Sclaverei, doch ist diese Haussclaverei eine weit mildere Form der Leibeigenschaft, verglichen mit dem Geschicke der Sclaven in Colonien, wo sie zum harten Felddienste angehalten werden. Unter den Freien scheidet sich eine Classe von Vornehmen (Fume genannt) ab, zu denen auch die fürstlichen Familien gehören, doch unterscheiden sie sich ihrem äußeren Auftreten nach kaum von dem gewöhnlichen Volke, außer daß sie meistens von einem mehr oder weniger zahlreichen Gefolge umgeben sind.

Wenn ein junger Weltbürger in’s Leben tritt, wird er für

  1. * Die Gartenlaube wird von Zeit zu Zeit authentische Berichte über die Resultate der Expedition aus der Feder des Dr. Pechuel-Lösche bringen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_615.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)