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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Lager seine Lehrjahre zu bestehen. Venedig war damals und noch lange Zeit danach die hohe Schule der süddeutschen Kaufleute. Man mußte in Venedig gewesen sein, wenn man daheim etwas gelten wollte. Dieser Schule und einigen größeren Reisen nach den vornehmsten Plätzen des europäischen Handels verdankte auch Jakob den hohen Grad kaufmännischer Bildung, der ihn befähigte, dem damals schon bedeutenden Handel seines Hauses jene Ausdehnung zu geben, die es seitdem weltberühmt gemacht hat. Im Jahre 1498 verheirathete er sich mit der schönen Sibylla Arzt, blieb jedoch in seiner siebenundzwanzigjährigen Ehe kinderlos. Er brachte den Handel zu einer solchen Höhe, daß er die Geschäfte in Wolle, Seide und Specereien aufgab und sich ausschließlich auf Bergbau und Bankgeschäfte verlegte. Er erwarb den ganzen Kupferkauf in Ungarns Bergwerken um hohes Geld; der jährliche Reinertrag derselben belief sich auf einhundertzehntausend Gulden. In Kärnthen baute er ein Bleiwerk. Daneben brachte er viele Grafschaften, Flecken, Dörfer und Schlösser an sein Haus, insbesondere die mächtigen Herrschaften Kirchheim und Weißenhorn, die ihm als uneingelöste Pfandschaften Kaiser Maximilian’s des Ersten heimgefallen waren.

Bekannt ist dieser Fugger namentlich auch durch seine Bauthätigkeit. Von ihm rührt der Ausbau des Fugger-Palastes in der Maximiliansstraße her; der neue Chor von St. Anna verdankt ihm seine Entstehung. Ein den Ruhm seines Geschlechts lange überdauerndes Andenken sicherte er sich durch die Gründung der „Fuggerei“, jener inmitten der Stadt gelegenen, in sich abgeschlossenen Stadt der Armen, deren Eigenart noch heute die Aufmerksamkeit des reisenden Publicums erregt. Die Gründung dieser eminent wohlthätigen Anstalt wird uns durch eines der großen Frescobilder des Fugger-Hauses in zutreffendster Weise vergegenwärtigt. In der Mitte zeigt Jakob Fugger seinen Neffen den Bauplan; seine Gemahlin theilt Brod unter die Armen aus, die sie umringen. Rührig wird an den Häusern gebaut, die zum Theil schon vollendet sind. Die „Fuggerei“ – wie diese Armenstadt im Volksmunde genannt wird – ist rings von Mauern umfangen, durch welche vier Thore, welche Nachts abgesperrt werden, in das Innere der durchaus sauberen, ja hübschen Colonie führen. Sechs Straßen durchschneiden dieselbe rechtwinkelig. Im Ganzen sind es dreiundfünfzig Häuser mit einhundertsechs Wohnungen, welche den ärmeren Einwohnerclassen der Stadt gegen die kaum nennenswerthe jährliche Miethe von zwei Gulden eingeräumt sind. Es war daher nur ein Act der Dankbarkeit, als die Stadt Augsburg[WS 1] diesem großen Wohlthäter der leidenden Menschheit auf einem der öffentlichen Plätze der Stadt ein ehernes Denkmal errichtete. Seine Zeitgenossen und Nachfolger aber waren des Lobes voll über „seine Magnificenz, durch die er im ganzen Reiche und an allen Höfen in großes Ansehen gekommen, da er nicht, wie etwa Geizwänste pflegen, seinen Reichthum in Kisten verschlossen, sondern Herr, nicht blos Hüter desselben gewesen ist“. Als Kaiser Maximilian sich im Jahre 1508 zum Zuge gegen Venedig rüstete, schossen ihm die Brüder Fugger binnen wenigen Wochen die für damalige Verhältnisse ungeheure Summe von zweihundertvierzigtausend Dukaten vor. Sie wurden dafür von Maximilian in den Adelstand erhoben und mit werthvollen Privilegien begabt.

Die höchste Blüthe erlangte die Familie unter den beiden Neffen und Erben Jakob’s, Raymund und Anton. Die Brüder, in denen nunmehr das gesammte Vermögen des Hauses vereinigt war, bewohnten gemeinsam die Fuggerhäuser auf dem Weinmarkt. Raymund wird uns geschildert als eine „schöne, lange und fast lustige Person, stark von Leib und Gemüth, nit allein ein besonder Liebhaber, sondern ein Vater aller wahrhaften Historien, ein fleißiger Nachfrager aller guten Künste, besonders der Antiquitäten. Von ganzem Herzen und Gemüth ist er sanft, mild und gebreich gegen männiglichen und insonderheit gegen alle Armen gewesen.“ Raymund ist der Stammvater der einen nach ihm benannten Fugger’schen Linie. Ihm wurde in Gemeinschaft mit seinem Bruder jenes berühmte kaiserliche Privilegium ertheilt, von dem Karl der Fünfte selbst sagte, daß kein deutscher Kaiser jemals ein ähnliches ertheilt habe, noch ertheilen werde. Durch dasselbe wurden die Brüder in den erblichen Grafenstand des Reiches erhoben und ihnen für ihre Person und ihre Güter die volle Landeshoheit verliehen. Wie tief verpflichtet ihnen aber auch Karl der Fünfte war, können wir daraus abnehmen, daß Raymund und Anton Fugger es waren, von denen er die Mittel zu seinen Expeditionen gegen Tunis und Algier und zur Unterdrückung des schmalkaldischen Bundes erhielt. Dabei waren jedoch die Fugger viel zu schlaue Geldmänner, als daß sie nicht, wie sie den Kaiser gegen die rebellischen protestantischen Fürsten mit ihrem Golde stützten, als sich ihnen eine gewinnreiche Aussicht eröffnete, auch den Fürsten, vorweg Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen, in ihrer Auflehnung gegen das kaiserliche Oberhaupt mit ihrem Gelde unter die Arme griffen.

In die Zeit Anton’s – Raymund war schon 1536 gestorben – fallen jene uns erhaltenen Schilderungen mehrerer Zeitgenossen über die mehr als fürstliche Pracht des Fugger’schen Haushalts. Schon um 1531 berichtet uns der berühmte Schlettstadter Humanist Beatus Rhenanus, als er auf seinen Reisen auch Augsburg besuchte: „Welch eine Pracht ist nicht in Anton Fugger’s Haus! Es ist an den meisten Orten gewölbt und mit marmornen Säulen unterstützt. Was soll ich von den weitläufigen und zierlichen Zimmern, den Stuben, Sälen und dem Cabinete des Herrn selbst sagen, welches sowohl wegen des vergoldeten Gebälks wie der übrigen Zierrathen und der nicht gemeinen Zierlichkeit seines Bettes das allerschönste ist? Es stößt daran eine dem heiligen Sebastian geweihte Kapelle mit Stühlen, die aus dem kostbarsten Holze sehr künstlich geschnitzt sind. Alles aber zieren vortreffliche Malereien von außen und innen. Raymund Fugger’s Haus ist gleichfalls köstlich und hat auf allen Seiten die angenehmste Aussicht in Gärten. Was erzeuget Italien für Pflanzen, die nicht darin anzutreffen wären! Was findet man darin für Lusthäuser, Blumenbeete, Bäume, Springbrunnen, die mit Erzbildern der Götter geziert sind! Was für ein prächtiges Bad ist in diesem Theil des Hauses! Mir gefielen die königlich französischen Gärten zu Blois und Tours nicht so gut. Nachdem wir in’s Haus hinaufgegangen, beobachteten wir sehr breite Stuben, weitläufige Säle und Zimmer, die mit Kaminen, aber auf sehr zierliche Weise, versehen waren. Alle Thüren gehen aufeinander bis in die Mitte des Hauses, so daß man immer von einem Zimmer in’s andere kommt. Hier sahen wir die trefflichsten Gemälde. Jedoch noch mehr rührten uns, nachdem wir in’s obere Stockwerk gekommen, so viele und große Denkmale des Alterthums, daß ich glaube, man wird in Italien selbst nicht mehrere bei einem Manne finden. In einem Zimmer die ehernen und gegossenen Bilder und die Münzen, im andern die steinernen, einige von colossaler Größe. Man erzählte uns, diese Denkmale des Alterthums seien fast aus allen Theilen der Welt, vornehmlich aus Griechenland und Sicilien, mit großen Kosten zusammengebracht.“

Auch Graf Wolrad von Waldeck, der 1548 auf dem Reichstag zu Augsburg war, weiß gar Manches von dem Glanze der Fuggerhäuser zu berichten. Von Anton Fugger’s Haus sagt er, es könnte eine königliche Wohnung sein. Er rühmt die Kamine aus Marmor, die Vertäfelung der Wände aus verschiedenen Holzarten, die vergoldeten oder goldähnlich gemalten Decken, die bunten Labyrinthe von eingelegter Arbeit auf den Fußböden.

Und als dreißig Jahre später der lüderliche Herzog Heinrich von Liegnitz mit seinem Haushofmeister Hans von Schweinichen in Augsburg war, erschien den Schlesiern der Glanz des Fugger’schen Hauses märchenhaft. Schweinichen erzählt davon in seiner Selbstbiographie: „Es lud Herr Max Fugger (ältester Sohn Anton’s) Seine Fürstliche Gnaden einst zu Gaste. Ein dergleichen Banket ist mir sobald nicht vorgekommen, daß auch der römische Kaiser nicht besser tractiren könnte; es war dabei überschwengliche Pracht. Das Mahl war in einem Saale zugerichtet, in dem man mehr Gold als Farbe sah. Der Boden war von Marmelstein und so glatt, als wenn man auf dem Eise ging. Es war ein Credenztisch aufgeschlagen durch den ganzen Saal, der war mit lauter Trinkgeschirren besetzt und mit merkwürdigen schönen venetianischen Gläsern; er sollte, wie man sagt, weit über eine Tonne Gold werth sein. Ich wartete Seiner Fürstlichen Gnaden beim Trinken auf.

Nun gab Herr Fugger Seiner Fürstlichen Gnaden einen Willkommen, ein künstlich gemachtes Schiff vom schönsten venetianischen Glas; wie ich es vom Schenktisch nehme und über den Saal gehe, gleite ich in meinen neuen Schuhen, falle mitten im Saale auf den Rücken, gieße mir den Wein auf den Hals; das

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hierzu Berichtigung in Heft 42, S. 686
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_593.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)