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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Form von stattlichen Portalen, Erkern, Thürmchen etc. die Fronte, die sich jetzt ohne alle Gliederung hinstreckt, und Fresken von der Meisterhand des jüngern Burgkmair schmückten die Wände. Von allem dem, wie namentlich auch von der von den Zeitgenossen mit den blendendsten Farben geschilderten Pracht des Innern sind heute nur noch vereinzelte Reste erhalten. Eine ungefähre Darstellung von der versunkenen Herrlichkeit kann sich der Besucher jedoch jetzt noch an zwei Stellen des Fuggerhauses verschaffen: an dem großen Hofe im Innern des Gebäudes und an den jetzt dem Kunstvereine als Ausstellungslocal dienenden Räumlichkeiten.

Beide Oertlichkeiten haben ihre ursprüngliche Gestalt fast unversehrt bis auf unsere Tage herab beibehalten. Der Hof ist mit Arcaden umzogen, welche nach italienischer Weise auf toscanischen Säulen von rothem Marmor ruhen. In der Tiefe der Hinterhalle erheben sich mächtige Marmorsäulen mit getheiltem Schafte, die Capitäle üppig mit Laubwerk und Widderköpfen geschmückt. Um den ganzen Hof ist die Laibung (innere Fläche) der Bögen mit herrlichen grauen Arabesken auf schwärzlich blauem Grunde bedeckt. Ueber den Bögen sieht man gemalte Medaillons, die eine Füllung von rothen Marmorplatten haben. Darüber zieht sich ein arg zerstörter Fries hin mit grau in grau gemalten historischen Scenen, wahrscheinlich Resten jener Wandgemälde, deren Gegenstände durch den gelehrten Conrad Peutinger bestimmt worden waren, und die Jakob Fugger 1516 durch Altorfer ausführen ließ. Welche Pracht in der Blüthezeit des Fugger’schen Geschlechts die inneren Räume ihres Palastes erfüllt hat, davon legen die jetzt dem Kunstvereine überlassenen Räumlichkeiten mit ihren herrlichen Fresken beredtes Zeugniß ab. Die Tradition berichtet, daß hier dereinst die Hausbäder eingerichtet gewesen seien. Bis in die neueste Zeit hatte man jene geistvollen und lieblichen Bilder, welche die Verherrlichung des Fugger’schen Hauses, symbolisirt durch dessen Wappen, zum Gegenstande haben, dem großen Meister Tizian zugeschrieben. Es ist immerhin möglich, daß er die Entwürfe angefertigt und die Arbeit geleitet hat; gemalt hat er die Bilder nicht, sondern, wie dies aus einer versteckten Inschrift hervorgeht, ein anderer Meister seiner Schule, Antonio Ponzano.

Die Geschichte der Fugger von ihren ersten Anfängen an bis zu ihrer höchsten Blüthe hinauf zu verfolgen, gewährt einen eigenthümlichen Reiz. Als sie von einem kleinen Dorfe auf dem Lechfelde nach Augsburg übersiedelten, arbeiteten sie in der bescheidensten Weise, völlig verborgen und unbekannt, zwei Menschenalter hindurch. Jakob, der ältere Fugger, hatte noch ein ganz mäßiges Vermögen, als er starb; seine Wittwe konnte ihren drei Söhnen nur erhalten, was sie besaß. In den bescheidensten Verhältnissen zog sie die Kinder groß; diese lernten aber in solcher Bescheidenheit auch das rechte Maß kennen, welches den bürgerlichen Wohlstand mit Sicherheit begründen lehrt. Katharina hatte noch allen Kindern von der treuen Hausmagd die Firmbinde umbinden lassen, und doch war schon ihr Sohn Jakob in der Lage, mit seinem Reichthume die Kaiserwahl zu entscheiden. Mit seinen Brüdern Ulrich und Georg begründete er den Ruhm des Fugger’schen Namens.

Es war aber nicht allein das Geld, was der Familie den großen Namen machte; nicht weil die ungeheuren Erträgnisse der Bergwerke Ungarns, Istriens und Tirols in dem Hause Jakob Fugger’s zusammenflossen, ertönte die ganze damalige civilisirte Welt von ihrem Ruhme, sondern weil jenes Geld benutzt wurde, der Wissenschaft und Kunst, der Wohlthätigkeit und dem Vaterlande die edelsten Dienste zu erweisen. Jakob Fugger wußte, was er that; sein Geist und Herz drängte ihn dazu, als er, selbst kinderlos, den früh verwaisten Kindern seiner Brüder eine wissenschaftliche Ausbildung zu Theil werden ließ, die Bestrebungen der Gelehrten unterstützte, bei der Erbauung des Chores von Sanct Anna wie bei der Errichtung seines Grabmales alle Künste beschäftigte, für die Armen eine Stadt in der Stadt baute, bei jeder Theuerung seine Kornspeicher öffnete und, als Deutschland in Gefahr war, seine Kaiserkrone an den französischen König zu verlieren, die ungeheuren Summen darlieh, mit welchen Karl der Fünfte die Stimmen der Kurfürsten kaufen mußte.

Man liest gewöhnlich, daß der Erste dieses weltberühmten Geschlechts im Jahre 1370 von dem Dorfe Graben, östlich von Schwabmünchen am Westrande des Lechfeldes gelegen, nach Augsburg eingewandert sei. Es ist dies aber schon zwei Jahre früher geschehen. Es waren zwei Brüder, welche nach Augsburg zogen, Ulrich und Johannes Fugger. Johannes kam damals zuerst allein dahin; erst 1376 kam Ulrich nach. Die Brüder bewohnten von da an gemeinschaftlich ein von der eigentlichen Verkehrsstadt weit abgelegenes Haus. Die Familie hatte sich schon in Graben mit Weben und Färben beschäftigt, denn diese Gewerbe waren in älterer Zeit immer vereinigt; der Name „Fugger“ heißt seiner altdeutschen Bedeutung nach nichts anderes als „Färber“, und eine ununterbrochene Ueberlieferung bezeichnet alle älteren Fugger als Weber. Neben dem Gewerbe hatten sie in Graben einigen Feldbau betrieben, denn es ist bekannt, daß spätere Fugger die Wiesen und Felder, welche das ursprüngliche Eigenthum der Familie gebildet hatten und veräußert worden waren, als die Fugger nach Augsburg übersiedelten, wieder an sich brachten.

Der außerordentliche Aufschwung, welchen, wie die Stadt im Allgemeinen, so auch Handel und Gewerbe, namentlich die Weberei, im vierzehnten Jahrhunderte genommen hatte, nöthigte gleichsam die Fugger, nach Augsburg zu ziehen, wo sie allein mit ihrem Geschäfte Fortschritte machen konnten. Hier war bereits mit Barchent aus Wolle, Flachs und Hanf ein so lebhafter Geschäftsverkehr in’s Leben getreten, daß das Umgeld von den Weberwaaren eines der einträglichsten Gefälle der Stadt bildete. Ein gewinnvoller Handel mit diesen Waaren hatte sich nach allen Ländern Europas ausgedehnt. Die bedeutende politische Macht der Stadt war es allein, welche in jenen unruhigen Zeiten diesem Verkehre die nöthige Sicherheit verschaffte.

Die Heirath mit Clara Widolf verschaffte dem Hans Fugger das Bürgerrecht in Augsburg. Nach dem Tode derselben schritt Hans im Jahre 1383 zur zweiten Ehe mit Elisabeth Gevattermann, welche beinahe zweiundzwanzig Jahre in „Fried und Freud“, wie die Familienchronik berichtet, währte und mit sechs Kindern gesegnet wurde. Vier von diesen starben in jungen Jahren; nur zwei Söhne, Andreas und Jakob, pflanzten das Geschlecht weiter fort.

Andreas, geboren 1406, wurde der Stammvater der Fugger vom Reh. Er trieb zuerst größeren Handel und wurde bereits „der reiche Fugger“ genannt.

Der zweite Sohn, Jakob, geboren 1410, wurde Vorgeher (Zunftmeister) der Barchentweber und der Stammvater der Fugger von der Lilie. Nachdem er 1469 gestorben war, bezog seine Wittwe das Haus am Judenberge (im Herzen der Stadt), das bereits der alte Hans Fugger von einem Gürtler gekauft hatte.

Sein ältester Sohn, Ulrich, geboren 1441, kaufte ein eigenes Haus auf dem Heumarkte. Schon im Jahre 1473, als Kaiser Friedrich sich in Augsburg zum Zuge nach Trier rüstete, um den Herzog Karl von Burgund mit Geldern zu belehnen, begann Ulrich Fugger mit den Fürsten des Hauses Oesterreich die in der Folge zu so enormer Höhe gelangten Geldgeschäfte. Er lieferte dem Kaiser das seidene und wollene Gewand zu dem Zuge und erhielt dafür für sich und seine Brüder das Wappen von der Lilie. 1494 verband er sich mit seinen Brüdern zu einer Handelsgesellschaft mit Specereien, Seide und Wolle nach und aus Italien, Tirol, den Niederlanden, Deutschland, Ungarn und Polen. Er war ein „gar schöner, freundlicher, frommer Herr, sein dickweißes Haar ist ihm fast herrlich gestanden“. In hohem Alter mußte er sich einer Steinoperation unterziehen und starb an den Folgen derselben im Jahre 1510.

Der zweite Sohn Jakob Fugger’s, Georg, geboren 1453, verheirathete sich 1488 mit Regina Imhof. Mit seinem Bruder Ulrich kaufte er die Behausung auf dem Weinmarkte (jetziges Fuggerhaus). Durch seine Söhne Raimund und Anton wurde er der Stammvater aller Fugger von der Lilie, die sich forterhielten.

Der bedeutendste unter den Söhnen des älteren Jakob wurde der gleichnamige jüngste Sohn. Er hatte sich ursprünglich dem geistlichen Stande gewidmet und war später Domherr des Eichstädtischen Stifts Herrieden geworden. Als jedoch vier seiner Brüder in rascher Folge gestorben waren, ließ er sich durch die Bitten des ältesten Bruders Ulrich bewegen, sein ruhiges Gelehrtenleben zu verlassen und wieder zum Geschäfte zurückzukehren. Vorerst wandte er sich nach Venedig, um dort im Fugger’schen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_592.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)