Seite:Die Gartenlaube (1874) 559.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

rasch, als wolle er eine heftige Bewegung unterdrücken oder verbergen, wandte er sich zum Gehen. Wenn ihm auch die Aufregung seines Bruders, den er jetzt allein ließ, nicht entgangen war, so ahnte er doch nicht entfernt, welchen Brand er mit seinen Worten in dessen Inneres warf.

Wenn Reinhold seiner Umgebung in der letzten Zeit fast nur noch Ermüdung und Gleichgültigkeit gezeigt hatte, wenn es ihn selbst oft überkam, wie ein Gefühl, als sei es nun zu Ende für ihn mit dem Leben und Lieben, diese Stunde bewies, daß es noch in ihm stürmen konnte mit der ganzen wilden Leidenschaftlichkeit, die den jungen Künstler einst den Heimathbanden entrissen hatte, und die Art, wie der Sturm entfesselt ward, verrieth, wenn nicht Anderen, doch ihm selber, was er bisher nicht wissen wollte, und was sich jetzt in schonungsloser Klarheit vor ihm enthüllte. Vor dem heißen Schmerze, der plötzlich in seinem Inneren aufflammte, sanken der Trotz und die Bitterkeit zusammen, mit denen er sich gegen die Frau waffnete, die es wagte, ihn fühlen zu lassen daß er sie einst schwer beleidigt hatte, und daß sie diese Beleidigung nun und nimmermehr verzieh. Aber wenn sein Stolz ihn lehrte, der Kälte und Gleichgültigkeit, der Unversöhnlichkeit mit Schroffheit zu begegnen, er hatte es doch nicht hindern können, daß, sobald das Bild seines Kindes vor ihm auftauchte, auch die Gestalt der Mutter an dessen Seite stand. Freilich war es nicht jene Ella mehr, die vor wenigen Monaten kaum noch einen Platz in seiner Erinnerung behauptete, sondern die Frau, die ihm einen so unbeugsamen Stolz, einen so energischen Willen und eine niegeahnte Gluth der Empfindung gezeigt, an jenem Abende, wo er zum ersten Male erkannte, was er frevelhaft aufgegeben und was er nun unwiederbringlich verloren hatte. Neben dem blonden Lockenkopfe des Kindes schwebte immer und immer das Antlitz mit den tiefblauen Augen, deren Strahl ihn gleichwohl so verachtend getroffen hatte. Er gestand sich selbst nicht, mit welcher Leidenschaft er an diesem Bilde hing, mit welcher

Der Kampf um die Beute.
Originalzeichnung von Guido Hammer.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_559.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)