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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Vogel und giftigem Reptil, wie es im Haushalte der Natur nicht zum zweiten Male vorkommt. – Gern hätten wir noch länger an dem Hundedorfe verweilt, dessen zahlreiche Bewohner kläffend auf den fußhohen Erdhügeln saßen, um bei der leisesten Bewegung in die dort mündende Hauptröhre zu verschwinden; aber der Jagdeifer trieb uns vorwärts.

Wir bekamen bald eine Antilopenheerde in Sicht, welche jedoch schon auf zwölfhundert Schritt das Weite suchte, und beobachteten später mit unseren Gläsern eine andere, welche über fünfzig Stück zählte und bei der es in Folge der Brunstperiode lebhaft herging. Man sah, wie alte Böcke mit einander kämpften, die Thiere trieben, welche ihrerseits wiederum Zudringlichkeiten abwehrten, kurzum es war ein fortwährend wechselndes, für den naturkundigen Beobachter ungemein anziehendes Bild, von dem wir uns nur trennten, um unsere Jagd in ähnlicher Weise, wie bisher, fortzusetzen.

Als es endlich Zeit wurde, an den Heimweg zu denken, schritten wir nach der Stelle, wohin wir den Wagen dirigirt hatten, als uns das Jagdglück abermals hold war. Wir wollten eben um den vorspringenden Ausläufer eines steil abfallenden Regenbettes biegen, als wir unerwartet einem kleinen Trupp Antilopen gegenüberstanden, ein Anblick, bei dem wir uns lautlos niederwarfen. Wir waren aber bereits gesehen worden, und die Thiere galoppirten, unseren Weg kreuzend, wie sie es gewöhnlich thun, an uns vorüber. Sie wandten uns dabei ihre Breitseiten zu, und als wir schossen, brachen zwei Thiere zusammen. Meine Kugel war zu niedrig gegangen und hatte der Antilope beide Hinterläufe zerschmettert. Wir eilten also, um sie abzufangen, was sich indeß weit schwieriger erwies, als wir je erwartet hatten; denn trotz der furchtbaren Verwundung lief das arme Thier noch so schnell und wußte dabei so geschickte Seitenwendungen zu machen, daß es nur Borcherdt’s stählernen Gliedern gelang, es einzuholen und niederzustoßen.

Nachdem wir unsern Wagen glücklich aufgefunden und die Beute abgeholt hatten, traten wir die Heimfahrt an.

Die untergehende Sonne färbte das öde Gelbbraun der Prairie von Orange bis Braunroth, während die Kette der Felsgebirge mit einem sanften Violett übergossen wurde, gegen welches das zauberhafte Purpurroth der schneeigen Spitzen und Hörner wunderbar contrastirte, bis diese wechselnden Bilder mit dem Eintritte der Dämmerung mehr und mehr verblaßten und endlich ganz entschwanden. Erfüllt von ihnen und in Stillschweigen versunken, erweckte uns der Ruf des Prairiekauzes und das Geheul der Cayote aus unseren Träumereien. Bald vernahmen wir auch Hundegeheul – wir näherten uns einer einsamen Farm. Borcherdt sprang ohne Zögern unter die anscheinend wüthenden Hunde, öffnete das schwere Gatter und ging in das Haus, um über eine Fuhrt des Platteflusses Erkundigungen einzuziehen. Wir hörten, daß dieselbe einige Meilen oberhalb liege, aber der Farmer hielt auch hier den Uebergang für nicht allzu schwierig und ließ sich bereit finden, uns, auf einem Pferde voranreitend, den Weg zu zeigen. Beim sanften Scheine des Mondes lag bald das glitzernde ansehnlich breite Flußbett, von mächtigen Bäumen eingefaßt, vor uns, und wir erreichten ohne Unfall das andere Ufer, obschon uns das Wasser an tiefen und reißenden Stellen, die wegen des steinigen Grundes den Pferden gefährlich zu werden drohten, oft bis in den Wagen gedrungen war. Auf geebnetem Wege eilten wir nun ohne Aufenthalt Denver zu, wo wir, erwartet von unseren deutschen Bekannten, gegen Mitternacht eintrafen.

Bei den besonderen Schwierigkeiten, welche mit der Antilopenjagd verknüpft sind, erklärt es sich übrigens, daß man so Wenige trifft, welche diesem Waidwerke, dem edelsten, das Nordamerika besitzt, huldigen, und Leute wie Borcherdt, der sich rühmen konnte, Hunderte dieser Thiere erlegt zu haben, gehören auch im Westen zu den Ausnahmen.

Alt eingefangene Gabelantilopen sollen unzähmbar sein, aber junge, mit der Flasche künstlich aufgezogene gewöhnen sich vollständig an Haus und Menschen und werden vollkommen zahm; doch ist ihre Aufzucht mit Schwierigkeiten verbunden. Man sieht deshalb nur höchst selten Gabelantilopen in Gefangenschaft, und in Europa können bis jetzt nur die zoologischen Gärten in London, Antwerpen und Berlin auf den Besitz dieser Seltenheit stolz sein. Nach dem herrlichen Pärchen im Berliner Garten, der sich unter Bodinus’ Leitung so mächtig entwickelte, hat der Thiermaler Moritz Hoffmann in Berlin das lebensvolle Bild entworfen, in welchem wir unseren Lesern eine naturgetreue Darstellung des interessanten Thieres vorführen.

O. F.




Der Heimgang eines Dichters.


Fritz Reuter ist todt! In vielen Tausend Herzen haben diese Worte einen schmerzvollen Widerhall gefunden; von Mund zu Mund ging die Trauerbotschaft und manches Auge hat sich mit Thränen gefüllt bei dieser Kunde. Er ist todt der Mann, der dem deutschen Volke ein so reiches Erbe in seinen Werken hinterlassen hat; sein treues, gutes Auge leuchtet seinen Freunden nicht mehr; sein Herz, das so reich an Liebe war, welches für alles Gute und Edle so warm schlug, steht still für immer – er ist heimgegangen, der Dichter, der an Gaben so reich begnadet war.

Ich will in diesen Zeilen nicht Reuter’s Verdienste würdigen, denn sie liegen in seinen Werken unantastbar versiegelt; ich will den Heimgang eines echten deutschen Dichters schildern, der mit jedem Gedanken, mit jedem Pulsschlage seines braven Herzens fest in seinem Volke wurzelte; ich will dem Freunde, dessen Hand so lieb und innig zu drücken verstand, einen letzten Gruß zurufen.

Die Stelle, welche Reuter in der deutschen Literatur einnimmt, ist ihm freudig von allen Denen eingeräumt, welche den Klang seiner Sprache verstehen – seine Werke sind liebe Freunde geworden in Palast und Hütte; der Volkesmund hat aus ihnen geschöpft. Seine Gestalten haben Fleisch und Blut gewonnen; sie leben fort und werden noch oft bald schalkhaft, bald wehmüthig lächelnd, an uns herantreten, als wüßten sie, wie lieb wir sie gewonnen haben.

Fritz Reuter ist todt! Noch vermag ich den Gedanken kaum zu fassen, und es ist mir, als müßte ich zu ihm eilen auf die Terrasse in seinem Garten, wo er, seit Ostern schon an einem Herzübel leidend, den schönen Frühling und die Blumenpracht des Sommers in seinem Rollstuhle begrüßte, da zu gehen ihm nicht mehr gestattet war. Wie warm drückte er die Hand, wie lieb blickte sein Auge, wie durchzuckte mich die ganze Fülle seiner Herzensgüte, wenn seine Hand mir schmeichelnd durch den Bart hinstrich und seine Lippen so freundlich sagten: „Mein lieber alter Fritze!“ Noch hatte sein Geist trotz seines Leidens seine volle Frische bewahrt. Er nahm an Allem das regste Interesse; er scherzte und lachte.

Dort saß er unter den schattenden Zweigen einer Eiche, in einer kleinen Grotte, welche sein treuer Diener und Gärtner Möller in den Felsen gemeißelt, um den Kranken gegen Wind und Zug zu schützen. Frei glitt von dort sein Auge hin in das stille und liebliche Johannisthal, und wenn dann auf der nahen, zur Wartburg hinführenden Chaussee Fremde hinwanderten und dem Dichter durch Schwenken der Hüte und Wehen mit Tüchern einen Gruß zuriefen, dann glänzten seine Augen und mit rührender Bescheidenheit sprach er noch leise: „Die guten Menschen!“

Von der Eiche, die ihm den Schatten gab, waren bei dem Aushauen der Grotte zwei kräftige Wurzeln abgeschnitten und mehr als einmal sagte er: „Die Wurzeln sehen mich wie zwei Augen an. Wenn ich hingehe, wird auch die Eiche hingehen.“ Die Eiche stand noch wenige Tage vor seinem Tode in vollem, frischem Grün, und heute, an dem Tage, an dem er in die Erde gebettet ist, färben sich ihre Blätter, und halb vertrocknet steht sie da, als wollte sie keinem Menschen weiter Schatten geben.

Die Gefahr seines Leidens kannte er nicht, obschon sie seiner treuen und so innig geliebten Gattin nicht verborgen war. Monatelang wechselte sein Zustand. Seine kräftige Natur schien sich immer wieder durchringen zu wollen; die Hoffnung auf Genesung keimte wieder empor, und nur, wenn er die Hand seiner Gattin erfaßte und mit seiner weichen Stimme sagte: „Meine liebe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_498.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)