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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Arezzo in viele Städte Italiens und Frankreichs und selbst nach Holland, Deutschland und in die Schweiz geführt, im hohen Alter endlich in einem stillen Winkel die erste und die letzte Ruhe fand, so begeben auch wir uns zum Schluß wohl am besten ebenfalls dahin. Wir entnehmen die Schilderung dieser Oertlichkeiten der Mittheilung eines Herrn Hugo Knoblauch, welcher erst jetzt jene Stätten besucht hat, die den Mittelpunkt dieser Dichterfeier bilden. Er schreibt der Redaction unseres Blattes:

„Ein schönes Plätzchen, fern vom Treiben der Welt, in Mitte der Euganeischen Berge hatte Petrarca sich für die letzten vier Jahre zu seinem Dichten und Schaffen erwählt.

Das Dorf Arquà liegt in dem anmuthigsten Theile des Thales ‚Sensibeo‘, am Fuße eines einige hundert Fuß hohen Berges und führt nach diesem den Namen ‚Arquà del monte‘. Petrarca’s Haus steht inmitten eines Gartens, welcher von einer Mauer umschlossen ist, vereinzelt hoch oben am Berge; ein steiler, mit Wagen nicht befahrbarer Weg führt nach dem reizend gelegenen Häuschen, von welchem man das ganze fruchtbare Thal, eingerahmt von olivenbewachsenen Hügeln, überblicken kann.

Ueber der Thür, welche durch die Mauer in den Garten und zum Hause führt, ist eine Marmortafel angebracht mit den Worten:

‚Se Ti agita  ‚Wenn Dich bewegt
Sacro amore di patria,  Heilige Vaterlandsliebe,
T’inchina a questa mura,  Neige Dich vor dieser Mauer,
Ove spirò la grand anima,  Wo athmete eine große Seele,
Il cantor dei Scipioni  Der Sänger der Scipionen
     E di Laura.‘      Und der Laura.‘

Eine Freitreppe führt zu der kleinen Werkstatt des Dichters, welche aus einer geräumigen Vorflur, einem Arbeits- und einem Schlafzimmer besteht. Von dem Vestibül, an dessen Wänden sich leider unzählige Kieselack’s verewigt und dadurch die alten Frescomalereien ruinirt haben, gelangt man rechts nach dem Arbeitszimmer Petrarca’s, einem mehr als bescheidenen Raum von circa acht Fuß Breite und vierzehn bis fünfzehn Fuß Länge, und links nach dessen Schlafzimmer. Ueber der Thür, welche nach dem Arbeitszimmer führt, ist ein Glaskasten, welcher Petrarca’s Lieblingskatze ausgestopft enthält, angebracht; im Zimmer hängt gegenüber der Thür das von Petrarca selbst gemalte Bild seiner geliebten Laura. Im Schlafzimmer wird noch des Dichters hölzerner Arbeitssessel, auf welchem er während der Arbeit am 18. Juli 1374 sanft entschlafen ist, aufbewahrt. Inmitten des Vestibüls steht ein großer runder Tisch, auf welchem das Fremdenbuch für jeden Besucher ausliegt; gegenüber der Eingangsthür zum Vestibül führt eine große doppelflügelige Glasthür nach dem Balkon, von welchem aus man jene bereits erwähnte wundervolle Rundsicht in das anmuthige Thal hat.

Hier in diesen bescheidenen Räumen hat Italiens Dichterfürst die letzten Jahre seines sang- und thatenreichen Lebens in stiller Zurückgezogenheit verlebt. Geboren am 20. Juli 1304 zu Arezzo im Toscanischen, hat Petrarca das hohe Alter von siebzig Jahren erreicht, sein Leichnam, um dessen Besitz mehrere italienische Provinzen heftigen Streit führten, ruht unten im Dorfe Arquà vor der Kirche in einem Sarkophag, getragen von Marmorsäulen. Noch heute wird an dem Sarkophag ein nachträglich geschlossenes Loch gezeigt, welches Jünglinge aus der benachbarten Provinz Vicenza in der Nacht mit Gewalt durchbrochen hatten, um durch dasselbe den Sarkophag öffnen und wenigstens einen Arm Petrarca’s in ihre Vaterstadt Vicenza bringen zu können. Auf dem Grabmal ist Petrarca’s Büste und eine reimspielende lateinische Inschrift angebracht.“ –

Wir muthen unseren Lesern wohl nicht zu viel zu, wenn wir sie bitten, das Biographische über Petrarca im ersten besten Conversationslexikon nachzulesen. Wer aber sich näher mit dem Gefeierten bekannt machen will, dem empfehlen wir das „Zur Erinnerung an die fünfte Säcularfeier Petrarca’s am 18. Juli 1874“ erschienene Buch von Ludwig Geiger (Leipzig, Duncker und Humblot), das zugleich öffentliches Zeugniß dafür ablegt, daß wir Deutsche, wie wir so gern „in die Fremde“ gehen, um von den Fremden zu lernen, und wie wir die geistigen Schätze aller Völker uns zum Eigenthum gemacht haben, auch stets bereit sind, dankbar da mit zu feiern und mit Ehren zu lohnen, wo wir von fremdem Geiste mit genossen haben.

H.




Sprachliche Kleinigkeiten. Es ist interessant zu beobachten, wie gewisse Sprachfehler namentlich durch den täglichen Gebrauch in den öffentlichen Blättern sich festsetzen und schließlich zur Regel werden. So findet man in den zahllosen Concertanzeigen aller Orte wohl durchgängig die Schreibweise „Musikchor“, „Trompeterchor“. Dieselbe kann jedoch nicht als richtig anerkannt werden. Das aus dem Griechischen stammende Wort „Chor“ bedeutete ursprünglich einen mit Gesang verbundenen Reigentanz, und ist dann auf jede Sängerschaar übertragen worden. Es heißt also richtig: Sängerchor, Chorgesang, Chorist. Durch eine naheliegende Verwechslung hat man dieses Wort „Chor“ auch auf eine „Musikbande“ angewendet. Allein offenbar haben wir es in diesem Falle mit dem französischen Worte „corps“ (von dem lateinischen corpus) = „Körperschaft, Gesellschaft“ zu thun, demselben Worte, welches uns in den Zusammensetzungen „Armeecorps“, „Turnercorps“, „Schützencorps“ u. s. w. völlig geläufig ist. Selbst beim Ballet, wo nach der ursprünglichen Bedeutung das Wort „Chor“ eher am Platze wäre, schreiben wir „Balletcorps“, weil es im Französischen, welchem alle diese deutschen Ausdrücke entlehnt sind, heißt: corps de ballet. Und ebenso gewiß sagt man französisch: corps de musique, und nicht etwa choeur de musique. Folglich ist auch im Deutschen zu schreiben: Musikcorps, und nicht: Musikchor.

An Musik und Theater anknüpfend, wollen wir ferner der sehr verbreiteten falschen Aussprache des Wortes „Orchester“ erwähnen. Dieses aus dem Griechischen stammende Wort, in lateinischer Form = orchestra, bezeichnet ursprünglich den zwischen der Bühne und dem Zuschauerraume befindlichen Tanzplatz, auf welchem in der griechischen Tragödie und Komödie der Chor seinen Reigentanz aufführte. Es ist dann auf den Sitzraum der Musiker in dem neuern Theater, weiterhin auf das Musikcorps selbst übertragen worden. Die französischen Form ist orchestre und wird ausgesprochen: orchestr’, wie überhaupt „ch“ in den meisten aus dem Griechischen entlehnten französischen Wörtern wie „k“ lautet. Die meisten Deutschen aber, welche ihr Französisch gelernt zu haben glauben und daher wissen, daß im Französischen „ch“ gewöhnlich wie unser „sch“ gesprochen wird, übertragen diese Aussprache fälschlicher Weise auch auf das Wort „Orchester“ und sprechen ganz unrichtig: „Orschester“. Man halte sich entweder an die griechisch-lateinische Aussprache und spreche demnach das Wort aus, wie es geschrieben wird. „Orchester“, oder man spreche nach französischer Weise: „Orkester“.

Noch unerträglicher ist die ebenfalls aus mangelhafter Kenntniß der französischen Aussprache hervorgegangene Mißhandlung eines schönen Eigennamens, wie sie namentlich in Sachsen üblich ist. Der Vorname „Eugen“ ist ebenfalls griechischen Ursprungs und bedeutet. „edelgeboren“. Die lateinische Form lautet: Eugenius, die hiervon abgeleitete französische: Eugène. Die Aussprache dieser letzteren ist ungefähr = „Oeschän“, wobei das „sch“ möglichst weich zu sprechen und der Ton auf die letzte Silbe zu legen ist. Hiermit vergleiche man die sächsische Aussprache dieses Namens: „Eischeen“, welche obendrein den Ton auf die erste Silbe legt, und denke sich beispielsweise das bekannte Soldatenlied in dieser Weise recitirt oder gesungen: „Prinz Eischeenius, der edle Ritter!“ Warum hält man sich nicht an die ursprüngliche griechisch-lateinische Form Eugenius, abgekürzt Eugen, und spricht sie gerade so aus, wie sie geschrieben wird? Für jedes sprachlich gebildete Ohr ist es eine wahre Pein, wenn der ursprüngliche Wohlklang griechischer oder lateinischer Wörter durch eine vermeintlich oder halb französische Aussprache in obiger Weise verdorben wird.

M.




Die Fortpflanzung des Aales. In Nr. 7 dieses Jahrgangs brachte die Gartenlaube einen Aufsatz unter obiger Ueberschrift von dem Herrn Dr. K. Eberhardt in Rostock. Da ich gehört habe, daß dieser Aufsatz in weitesten Kreisen interessirt hat, so erlaube ich mir, über ein ein schlagendes Factum Mittheilung zu machen, bemerkend, daß ich von demselben erst jetzt, und zwar in Folge jenes Aufsatzes, Kenntniß erlangt habe.

Herr Vetter hierselbst, ein langjähriger, eifriger Naturfreund und ruhiger Beobachter, bemerkte vor etwa vier Jahren, als er einen gefangenen Aal der Reuse entnahm und, damit er nicht enschlüpfe, fest mit der Hand umfaßte, an dessen Afteröffnung eine gelblich gefärbte, wie es ihm schien, aus Schleimhaut bestehende Blase von dem Umfange einer halb ausgewachsenen großen Kirsche. Da er bei häufigem Fange von Aalen niemals Derartiges bemerkt hatte, so holte er ein mit Wasser gefülltes Glas und ließ dann die Hand fest über den Aal abwärts gleiten, worauf sich die Blase freiwillig von diesem trennte und zersprungen mit ihrem Inhalte in das Glas fiel. Der Inhalt bestand aus einer beträchtlichen Anzahl junger Aale, welche etwa die Dicke und Länge von feinen englischen Nähnadeln hatten und, abgesehen von ihren Krümmungen und Bewegungen, überhaupt solchen ähnlich sahen.

Herr Vetter trug bald seinen Fund zu dem hiesigen Conrector, Herrn Clasen, welcher sich seit lange lebhaft für Naturkunde interessirt und namentlich über die Entwickelung des Embryo im Hühnerei und über die Naturgeschichte der Seidenraupe streng wissenschaftliche Beobachtungen gemacht hat. Mit Zuhülfenahme einer Loupe erkannte Herr Clasen die Thierchen unzweifelhaft für Aale, und beide Herren bemerkten noch, daß selbige im Laufe der nächsten drei, vier Stunden ihre anfänglich gelbliche Färbung – Nankingfarbe, sagt Herr Vetter – verloren und eine dunklere graue annahmen, mit einem schwarzen Strich längs des Rückens. Betreffs der Reste des Bläschens – Eihaut oder Dottersack? – weiß Herr Clasen nichts zu erinnern; Herr Vetter weiß dagegen, daß selbige mit in’s Glas gekommen, eine nähere Untersuchung hat aber auch er nicht angestellt. Etwa vier Stunden nach dem Fange schüttete Herr Vetter die Thierchen in den neben seinem Garten fließenden Bach. Hier gingen dieselben ganz in der Weise anderer kleiner Fische, welche man nach kurzer Gefangenschaft wieder in’s Wasser setzt, bald munter nach verschiedenen Richtungen auseinander.

Schon derzeit ist die Sache hier in weiteren Kreisen besprochen, jetzt aber durch den Aufsatz des Herrn Dr. Eberhardt frisch in’s Gedächtniß gerufen. Ich bemerke noch, daß die betreffenden beiden Herren sich mit Vorstehendem vollständig einverstanden erklärt haben, auch meinen, daß sie solchem Nichts hinzuzufügen wüßten.

Schwaan in Mecklenburg.

S.




Berichtigung. In einem Theil der Auflage unserer Nr. 27 ist in dem Artikel „Kaninchenzucht in Deutschland“ von Prof. Dr. Friedrich Anton Zürn auf Seite 432 in der dreizehnten Zeile von oben statt „einhundertsechszig- bis zweimalhunderttausend“ zu lesen: „hundertundneunzig bis zweihundert Millionen“ Franken.




Zur Notiznahme. Vielfachen Anfragen gegenüber die Mittheilung, daß diejenigen Gartenlauben-Nummern des vorigen Quartals, welche den Anfang der Novelle „Gesprengte Fesseln“ von E. Werner enthalten (Nr. 23, 24, 25 und 26), gegen Zahlung von 7½ Sgr. durch jede Buchhandlung oder Postexpedition nachgeliefert werden können.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_474.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)