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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

worden zu sein – eine große Wohlthat für die Niederungen, die erst durch diese Erfindung wohnlich wurden, eine Erfindung, die nicht blos in Holland, sondern über ganz Norddeutschland Segen brachte. Ich erinnere an den alten Windmühlenberg bei Berlin mit seiner großen geflügelten Schaar. Es war zunächst nur die Arbeit des Zerkleinerns der Körnerfrüchte, zu der sich die Urvölker Reibesteine und Reibschalen bedienten, welche diese Maschinen dem Menschen abnahmen. Bald darauf übernahmen sie auch die Zerkleinerung und Bearbeitung anderer Substanzen, das Zersägen des Holzes, das Walken der Tuche, das Hämmern der Metalle und namentlich das Ausschöpfen des Wassers. Meermühlen, von Küstenströmungen getrieben, gesellten sich allmählich zu den Fluß- und Windmühlen.

Die Erfindung der Dampfmaschine verdunkelte den hohen Werth dieser mittelbaren Sonnenmaschinen, vielfach bis zu einem gänzlichen Aufgeben derselben. Die aufgespeicherten Brennmaterialien, in denen die Sonne der Vorzeit ihre Kraft condensirte, sind es, welche unsere heutige Industrie bewegen. Täglich vervollkommnet, nehmen uns diese Maschinen eine Arbeit nach der andern ab; schließlich giebt es keine Handarbeiter mehr, sondern nur noch Maschinenwärter. Wir wissen, daß der Kohlenbedarf der Erde, auch bei einer bedeutenden Steigerung unserer Industrie, die natürlich nicht ausbleiben wird, auf Jahrtausende gesichert ist. Sind die Lager der alten Welt erschöpft, so verheißt uns Asien, namentlich China, unermeßliche Vorräthe. Freiherr von Richthofen hat in neuerer Zeit auf seinen Reisen in China Kohlenlager von einer solchen Ausdehnung entdeckt, daß sie hinreichen würden, den Bedarf des ganzen Erdballs auf Jahrtausende zu decken. Aber auch der Schatz eines Millionärs erschöpft sich zuletzt, und es läßt sich erwarten, daß das Menschengeschlecht seinen Kohlenreichthum überleben werde. Es ist gewiß sehr müßig, sich schon jetzt mit der Frage zu befassen, was dann kommen werde, aber interessant ist diese Träumerei dennoch. Wie werden wir unsere Maschinen in Bewegung setzen, wenn wir gezwungen sind, die Menge des jährlich nachwachsenden Brennmaterials zur Heizung unserer Wohnungen für den Winter zu reserviren? Die Meisten werden dabei an einen Ersatz durch elektromagnetische Motoren u. dgl. denken, aber dieser Gedanke ist nicht stichhaltig. Denn auch in diesen Maschinen wirkt nur eine verwandelte aufgespeicherte Sonnenkraft (in dem Metalle schlafend, welches, durch Kohle reducirt, in den Batterien aufgelöst wird), und wenn wir keine verwandelte Sonnenkraft mehr zur Verfügung haben, so bleibt eben nichts Anderes übrig, als dieselbe direct zum Betriebe zu benutzen.

In der Regel hat man die Sonnenstrahlen nur zum Austrocknen gefärbter durchfeuchteter Stoffe, zur Salzgewinnung u. dgl. gebraucht und dabei natürlich Feuermaterial gespart; erst die Neuzeit hat sie zur Vollendung bildlicher Darstellungen angehalten, zum Zeichner gemacht. Man kann bekanntlich auch bei Magnesium-Licht photographiren, aber dann bedarf man vorher ein bedeutendes Quantum Kohle (d. h. verwandeltes Sonnenlicht), um das Magnesium darzustellen. Auch die Magnesium- oder elektrische Sonne der Theater ist also nur ein Abglanz der wirklichen Sonne und von ihren Strahlen entzündet. Schon in alten Zeiten hat man einige Male spielend die Sonnenstrahlen direct mechanische Wirkung ersetzen oder ausüben lassen. Das Feueranzünden erforderte bei den alten Völkern, und bei den uncivilisirten erfordert es wohl noch heute, einen bedeutenden Aufwand mechanischer Kräfte. Nur durch anhaltendes Quirlen trockenen Holzes oder durch beharrliches Schlagen des Steins mit Metall gelang es, die nöthige Wärme hervorzubringen, um den Zunder in Brand zu setzen. Der Erfinder des Brennspiegels oder -glases, welche bei den Römern regelmäßig zur Entzündung des Vestafeuers dienten, ließ die Sonne zum ersten Male eine bis dahin mechanische Arbeit verrichten. Noch einen Schritt weiter gingen die Physiker seit dem sechszehnten Jahrhundert etwa, in welchem zuerst kleine Springbrunnen construirt wurden, welche die Sonnenwärme trieb, sei es, indem sie die Luft in einem dunkelangestrichenen Metallbehälter ausdehnte, oder indem die Sonnenstrahlen durch Glaslinsen direct auf den Wasserbehälter concentrirt wurden. Der Pater Kircher will ein solches Maschinchen construirt haben, welches alle Stunden, einer Sonnenuhr gleich, einen kleinen Strahl emporschickte. Das wäre wohl die erste direct wirkende Sonnenmaschine gewesen.

In neuerer Zeit ist dieses Problem im Hinblick auf ernstere Zwecke wieder aufgenommen worden. Verschiedene Physiker haben sich der ungeheuren Massen Sonnenwärme erinnert, die in manchen Ländern mit ewig klarem Himmel ungenützt verloren gehen, denn der Boden, welcher dort am Tage so heiß wird, daß man ihn kaum mit nackten Füßen zu betreten wagt, strahlt während der Nacht alle diese Hitze wieder in den Weltraum hinaus und wird eisig kalt. Ein kaum denkbares Maß von Kraft geht hier völlig ungenützt für uns verloren. Und es wäre vielleicht gar so schwer nicht, diese Sonnenstrahlen zur Arbeit anzuhalten.

Der französische Physiker Mouchot hat bereits im Jahre 1869 eine kleine Dampfmaschine construirt, deren einziger Feuerherd die Sonne war. Der wesentliche Theil derselben bestand aus einem mit Wasser gefüllten Kupferkessel, welcher durch einen großen Brennspiegel eigenthümlicher Construction erwärmt wurde. Derselbe war außen geschwärzt und rings in einigem Abstande mit einem gläsernen Mantel umgeben. In diesem gläsernen Mantel liegt der geniale Gedanke der Construction. Während sich nämlich ein geschwärzter Kessel viel stärker in den Sonnenstrahlen erhitzt als ein heller oder metallglänzender, strahlt er eben deshalb diese Wärme sehr leicht wieder auf seine Umgebung aus. Nun hat aber Glas die Eigenschaft, nur die hellleuchtenden, nicht aber die dunklen Wärmestrahlen passiren zu lassen, jener Mantel hält also die glücklich eingefangene Wärme vollständig fest. In alten physikalischen Cabineten sieht man zuweilen noch einen Apparat, der aus einem kleinen Tiegel besteht, über welchen eine große Anzahl klarer Glasglocken, eine immer einige Linien weiter als die andere, gestülpt war. Diese Vorrichtung hinderte die Wärmeeinnahme aus den leuchtenden Strahlen so wenig (weil nämlich die inneren Glaswände Alles durchlassen, was die erste durchgelassen hat), die Ausgabe aber so vollkommen, daß dieser Apparat, einfach in die Sonne gestellt, ohne Mithülfe einer Linse oder eines Brennspiegels auf seinem kleinen Herde eine solche Ansammlung der Sonnenhitze hervorbrachte, daß dort die schwerschmelzbarsten Metalle schmolzen. Eine Vermehrung der Glashüllen nach dem Principe dieses sogenannten Feuer- oder Wärmesammlers könnte vielleicht auch bei einem größern Kessel den Brennspiegel entbehrlich machen, der sonst durch einen complicirten Mechanismus dem Sonnenlaufe angepaßt werden müßte. Mouchot berechnete seiner Zeit, daß es leicht sein würde, mit solchem Apparate mehrere Pferdekraft Arbeit zu leisten, doch habe ich seitdem nichts weiter davon gehört.

Dagegen stellte in dem Octoberhefte 1873 von Poggendorff’s[WS 1] Annalen der Physik ein anderer Naturforscher, Gustav Adolph Bergh in Drontheim, einen wesentlich andern Plan zur Einrichtung einer solchen Sonnenmaschine auf.[WS 2] Er verwirft die Anwendung des Wassers zur Dampferzeugung in derartigen Maschinen, weil der hohe Siedepunkt desselben immer einen bedeutenden Wärmeverlust zur Folge habe. Statt desselben müsse im Kessel der Sonnenmaschine eine bei geringer Temperatur-Erhöhung siedende Flüssigkeit, wie z. B. Methyläther, Methylchlorid, schweflige Säure etc. zur Dampfbildung verwendet werden. Die schweflige Säure würde, wenn der Bedarf da ist, in Schwefelkiesgegenden zu einem sehr geringen Preise in großen Mengen herstellbar sein und könnte in vernieteten Metallkesseln versandt werden. Um mit dieser Flüssigkeit, die bereits bei zehn Grad unter Null siedet, bei hellem Sonnenschein in zweckmäßig construirten Kesseln eine Dampfspannung von drei Atmosphären und darüber zu erlangen, bedarf es keiner Brennspiegel und ähnlicher Vorrichtungen, die selber einer Maschinerie bedürfen, um dem Gange der Sonne zu folgen. Natürlich würde die schweflige Säure nach ausgeübter Wirkung immer wieder aufgefangen, verdichtet und dem Sonnenkessel von neuem zugeführt werden. Herr Bergh glaubt, daß eine solche Maschine, die es erlaubt, die geringsten Temperaturschwankungen zu einem mechanischen Effecte auszunützen, auch in unsern Breiten mit Vortheil arbeiten würde, namentlich wenn man sie mit einer Heizvorrichtung ausstattete, um sie auch bei bewölktem Himmel in Thätigkeit erhalten zu können. Sie würde im Winter mit nicht geringerem Vortheile arbeiten, da alsdann die Verdichtung des Gases durch Eisvorrath erleichtert werden würde, womit reichlich die geringere Kraft der schräger auffallenden Sonnenstrahlen aufgewogen werden dürfte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Poppendorff’s
  2. Gustav Adolph Bergh: Ueber die Anwendung der Sonnenwärme als mechanische treibende Kraft. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 225, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1873, S. 591 Quellen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_469.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)