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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

beiden javanischen Hasenfüße vertheidigten ihr gestriges Davonlaufen mit der ernsthaften Bemerkung, daß sie sicher geglaubt hätten, der Tiger würde mir nichts anhaben, weil ich eine holländische Beamtenmütze mit goldbordirtem Streifen (die des Herrn W.) auf dem Kopfe trug, welches gesetzliche Abzeichen ja von allen Bewohnern Javas respectirt würde.

Das prachtvolle Fell des Königstigers maß von der Kopfspitze bis zum Schwanze über neun Fuß und befindet sich zur Zeit in dem Hause meiner Eltern, während das Kopfskelet dem Museum der Academy of natural science in der Hauptstadt von Minnesota einverleibt worden ist. Die Regierungsprämie von fünfzig Gulden, die in Java Jedem zusteht, der einen Tiger tödtet, ließ ich den Bewohnern des Dorfes übermitteln, in dessen Bezirk das Thier erlegt worden war.

Jener Schuß vom Baume war der letzte, den ich bis zu dieser Stunde begangen habe.




Sonnenkraft-Maschinen.
Ein Zukunftsbild von Carus Sterne.

Die große deutsche Entdeckung der Einheit aller Naturkräfte, des Gesetzes, daß keine Kraft[WS 1] jemals verloren geht, sondern sich nur, wenn sie zu verschwinden scheint, in eine andere verwandelt, hat in den Augen der Physiker die alten Sonnenanbeter wieder zu Ehren gebracht; denn nunmehr wissen wir, daß nicht nur alles organische Leben unserer Erde, sondern auch jede mechanische Bewegung der unbelebten Stoffe auf derselben von den Sonnenstrahlen geweckt werden muß. Wenn der Gluthball unseres Centralkörpers im Osten emporsteigt, erwacht das Naturleben, welches ohne seine Strahlen nicht gedacht werden kann, und jubelt ihm entgegen. An jedem Orte, den seine durchdringenden Lichtblicke treffen, steigt ein Strom erwärmter Luft in die Höhe, um sich als frische Brise, die unsere Schiffe und Windmühlen treibt, oder als wilder Orcan, der Städte und Landstrecken verwüstet, in die weniger erwärmten Regionen zu ergießen.

An den Oberflächen der Meere verdunsten täglich ungeheure Massen Wasser im Sonnenscheine, um mit der erwärmten Luft emporzusteigen und den ewigen Kreislauf von Neuem zu beginnen, in welchem es, wie der Dichter sagt, der menschlichen Seele gleicht. Nah oder fern vom Ufer fällt es als Nebel, Regen, Schnee oder Hagel zum Boden nieder, nur in letzterm Falle uns den ungeheuren mechanischen Effect des gehobenen Wassers in seiner vernichtenden und zertrümmernden Wirkung sichtbar machend. Außerdem sehen wir nur noch von derjenigen Feuchtigkeit, die sich an den Gebirgen, den eigentlichen Condensatoren der großen Dampfmaschine Erde, niederschlägt, mehr oder weniger unmittelbar die gewaltige Arbeit des von der Sonne gehobenen Wassers, theils in Gestalt thälerausschleifender Gletscher, denen kein Hinderniß widerstehen mag, theils in Gestalt reißender Bergströme, die gerade so wie jene centnerschwere Blöcke in’s Thal wälzen und ungeheure Massen des Berglandes jahraus, jahrein in die Niederung schlemmen.

Aber nicht weniger gewaltig tritt uns die mechanische Arbeit der Sonne entgegen in den Organen der lebenden Wesen, die sehnsüchtig nach ihr emporschauen und zum Theil so fest an ihrem Lichte hängen, daß sie sich, ihrem Scheinwege am Himmelsgewölbe folgend, immerfort herumwenden, um nur keinen ihrer Blicke zu verlieren.

Die Sonnenkraft, welche täglich gebraucht wird, um die Blumen und Blätter allerwärts zu öffnen und zu schließen, ist in ihrer Summirung gewiß sehr respectabel, aber verschwindend gegen die Kraftmasse, welche erfordert wird, um das Wasser von der Wurzel bis in die Kronen der Bäume, wo es centnerweise im warmen Sonnenstrahle verdunstet, hinaufzupumpen. Man hat berechnet, daß sieben Pferde den Tag über arbeiten müßten, um die in dieser Zeit demselben unentbehrliche nöthige Feuchtigkeit in den Wipfel eines mäßigen Eichbaumes zu schaffen. Man überschlage danach, welche Wasserträgerarbeit die Sonne täglich in einem großen Walde verrichtet! Aber die Hebung der Millionen Centner Wasser ist immer nur ein Theil ihrer Arbeit; das Wachsen der Blätter und des Stammes absorbirt ohne Zweifel einen viel größern Kraftaufwand. Abgesehen von den Blättern und Früchten, welche jeder Herbst verzehrt, können wir die mechanische Kraft, welche in der Holzbildung aufgespeichert wurde, ungefähr, freilich nicht ohne bedeutende Verluste, wiedererhalten, wenn wir das Stammholz zur Heizung einer Dampfmaschine verwenden. Ein kleiner Bruchtheil der Sonnenarbeit früherer Aeonen liegt in den ungeheuren Kohlenfeldern des Erdinnern verborgen. Dem Kohlenstoffe, den die Sonne in unabsehbaren Zeiträumen aus der Kohlensäure des Luftkreises abschied, verdanken wir heute die Entlastung unserer Hände durch die Dampfkraft, unsere Reiseschnelligkeit zu Land und Wasser. Es ist die Sonne und immer die Sonne, welche für uns arbeitet.

Aber auch in uns selber, in den Pferden, die unsere Wagen, und dem Ochsen, der unsern Pflug zieht, glüht und arbeitet nur das Sonnenfeuer. Alle Kraft, die wir entfalten, empfangen wir aus der Nahrung, welche die Sonne emporsprießen ließ, unmittelbar, wenn wir Vegetabilien, mittelbar, wenn wir Fleisch, Milch oder Eier genießen. Es ist wahr, Mensch und Thier können anscheinend des Anblicks der Sonne an den Polen halbe Jahre lang entrathen, ohne unterzugehen, aber sie können es doch nur, weil die Sonne im anderen Halbjahre Nahrung für die lange Nacht aufspeichert oder in anderen glücklicheren Regionen wachsen und von den Strömungen des Meeres herbeiführen läßt. Wie ganz anders lesen wir, wenn wir uns diesen Zusammenhang der Naturkräfte klar gemacht haben, die Inschrift jener Personification der Natur in dem Bilde der vielbrüstigen Diana zu Ephesus: „Tiefes Dunkel ist mein Dunkel; zur Sonne blick’ auf, die allein Leben giebt strahlend!“ Gewiß, wir können es den Urvölkern nicht verdenken, daß sie überall die Sonne als das Symbol der Gottheit verehrten, am wenigsten den Bewohnern warmer Striche, die als echte Sonnenbrüder diesem Gestirne alle Arbeit und Sorge für ihren Unterhalt überlassen, welche die Arbeit ihres Lebens gethan haben, wenn sie ein paar Fruchtbäume für die Enkel pflanzen.

Und doch, wie wenig fangen wir von der unendlichen Kraftausströmung der Sonnenstrahlen auf! Das Pünktchen im All, welches wir Erde nennen, erhascht davon im Fluge vielleicht den Bruchtheil eines Billionstel. Alles Andere strömt in den weiten Weltraum. Ja, von dem Wenigen sogar strahlt vielleicht die größere Hälfte Nachts, wenn die Sonne verschwunden ist, in den Weltraum zurück, zum Mindesten in den unbewölkten Nächten, die im Durchschnitt weit in der Majorität sind. Und von dem Reste der Sonnenarbeit, wie wenig wissen wir für uns zu verwerthen! Es ist kein Zweifel, wir könnten Alle auf Divanen liegen, ohne den Finger zu rühren, wenn wir die Sonnenkräfte auszunützen verständen. Ich will nicht sagen, daß ein arbeitsloser Zustand irgendwie wünschenswerth wäre, aber wahr ist es, daß wir die Sonnenkraft nur sehr entfernt ausnützen. Hier und da liegt am Bergstrome, welcher wie ein wildes Thier in’s Thal stürzt, eine Wassermühle oder ein Eisenhammer, und dann und wann trägt die Woge einige Holzflößen in’s Thal. Man hat berechnet, daß die Kraft des Niagarafalles allein mehr Arbeit im Jahre repräsentirt, als alle Maschinen der Welt zusammen. In den Niederungen, wo selbst der Fluß träge schleicht, fiel ehemals alle Arbeit dem Menschenarme und den Hausthieren zur Last. Es waren die Zeiten, wo man darauf sann, wie ein Perpetuum mobile zu construiren sei, welches unaufhörlich gehe und aus sich selber Kraft producire. Heute, wo wir genau wissen, daß von außen alle mechanische Kraft auf unsern Erdball kommen muß, daß selbst in dem Ticktack unserer Taschenuhr und in dem Klopfen unseres Herzens die Sonne nachwirkt, würden wir nicht mehr auf solche Träumereien verfallen.

Die Zahl der Maschinen, welche mehr oder weniger unmittelbar die Sonnenkraft unseren Bedürfnissen anbequemen, hat allmählich sehr zugenommen. Den Wassermühlen folgten die Windmühlen, welche, in dem wasserarmen Kleinasien erfunden, zuerst mit den Kreuzzügen in Europa bekannt wurden; die ältesten scheinen im Anfange des zwölften Jahrhunderts bei uns erbaut

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist die Energieerhaltung. Der Begriff der Kraft war damals noch mehrdeutig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_468.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2018)