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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Angorakaninchens zu sehr feinem Garn spinnen ließ, aus dem Strümpfe, Handschuhe u. dgl. gefertigt wurden, so finden jetzt die feineren, weichen Kaninchenhaare, entweder für sich gesponnen oder mit Wolle, Baumwolle oder Seide zusammengewebt, ihre Verwendung. Kaninchenwolle ist leider nur viel zu theuer, um vortheilhaft in Gespinnstproducten verwerthet zu werden.

In Großenzersdorf bei Wien hat Herr Alfred Russo eine große Kaninchenzucht. Genannter Herr hat sich das große Verdienst erworben, die Kaninchenzucht in Oesterreich eingeführt und gezeigt zu haben, daß Kaninchenhaare außer zu feinen Hüten, auch in gesponnenem Zustande vielfach zu verwerthen sind. Sehr feine und zarte, dabei haltbare Kaninchenhaar-Gespinnste und Strickwaaren, sowie Kaninchenwollstoffe, welche Herr Russo fertigen ließ, fanden allgemeine Anerkennung und wurden auf der Wiener Weltausstellung prämiirt.

Wie zu Gespinnsten, so benutzt man diese Haare auch zur Erzeugung sehr feiner Filzwaaren, z. B. zur Herstellung von Filzpantoffeln, Filzröcken etc.

Vergessen darf endlich nicht werden, daß der Kaninchendünger – besonders für Gärten – werthvoll ist.

Das bisher Mitgetheilte hat jedenfalls bewiesen, daß das Kaninchen ein sehr fruchtbares und in verschiedener Beziehung sehr nutzbringendes Hausthier genannt werden muß. Da dasselbe mit verhältnißmäßig wenigen Unkosten groß zu ziehen ist, ferner die Zucht dieser Thiere auch im kleinsten Maßstabe, also von ärmeren Leuten, betrieben werden kann, Franzosen, Engländer und Belgier aber uns gezeigt haben welches gewaltige Capital in und mit der Production von Kaninchen in Bewegung gesetzt wird, so muß ganz entschieden mit Freude begrüßt werden, daß sich jetzt auch in Deutschland das Interesse für die Zucht dieser Thiere gehoben hat und daß namentlich sich mehrfach (z. B. in Hildesheim, in Hannover und an anderen Orten) Kaninchenzüchtervereine gebildet haben.

Ganz besonders wünschenswerth ist es, daß der ärmere Mann, sofern seine Verhältnisse es gestatten, die Zucht der Kaninchen zum eigenen Bedarf ausübt, insbesondere in solchen Gegenden, wo die Bedingungen zur Haltung dieser Thiere auch günstige sind und notorisch die ärmere Bevölkerung der Fleischnahrung mehr oder weniger entbehren muß. Ich meine z. B. den Thüringer Wald, den Harz, das Erzgebirge. Wenn die Zahlen, welche uns die Statistik über den Fleischverbrauch in den verschiedenen Ländern des deutschen Reiches geliefert hat, auch nicht vollkommen zuverlässig sind, so bezeugen sie doch, wie nothwendig es ist, Alles zu unterstützen, was die Production eines für Menschen genießbaren und zuträglichen Fleisches heben und fördern kann. Nach Hausner beträgt der jährliche Fleischverbrauch pro Kopf der Bevölkerung in Baiern 34, Baden 25, Würtemberg 22, Preußen 19 und Sachsen 17 Kilogramm.

Könnte man ermitteln, wie sich z. B. der in Sachsen auf den Kopf der Bevölkerung kommende jährliche Fleischconsum von siebenzehn Kilogramm vertheilt auf den Reichen und den Armen, so würde entschieden ein Erstaunen erregendes Resultat über die Geringfügigkeit des jährlichen Fleischquantums, welches auf den Kopf der armen Bevölkerung kommt, zu Tage treten.

So sehr nun auch die Kaninchenzucht, namentlich für kleinere Leute auf dem Lande, empfohlen werden darf und es gewiß an der Zeit ist auch Versuche mit der Zucht dieser Thiere im Großen zu machen, trotzdem die bisherige Erfahrung lehrt, daß letzteres ein äußerst mühevolles Unternehmen ist, so ist es doch Pflicht vor allzustarken Illusionen über die Rentabilität dieses Erwerbszweiges nachdrücklich zu warnen.

Wer da glaubt Kaninchen in irgend einem beliebigen, dunklen, feuchten Stallwinkel halten zu können, wer da meint, daß diese Thiere eine besondere Aufmerksamkeit seitens des Besitzers nicht bedürfen, nicht gut gepflegt und abgewartet werden müßten, der irrt sich so sehr, wie Derjenige, der den marktschreierischen Reclamen gewisser Züchter Glauben schenkt und überzeugt ist durch die Kaninchenzucht in wenigen Jahren ein reicher Mann zu werden. Die Kaninchen bedürfen einer besonders aufmerksamen Pflege, wenn sie etwas einbringen und nicht ein bloßes Spielzeug für Kinder sein sollen; sie verlangen gut ventilirte reinliche, trockene Ställe; sie wollen einen öfteren Wechsel in der Nahrung, denn sie sind kleine Näscher; die trächtigen und säugenden Mutterthiere sind unverträglich und müssen meist isolirt werden; manche sind so beißsüchtig, daß sie die junge Zucht zerstören. Wenn den Kaninchen nicht recht genügende Abwartung zu Theil wird, verfallen sie leicht in Tod bringende Krankheiten, namentlich auch in durch Parasiten bedingte (z. B. die sogenannte Psorospermienkrankheit oder Gregarinose; die durch die erbsenförmigen Finnen – Vorstufen des im Hundedarme hausenden gesägten Bandwurms – hervorgerufene Krankheit; die Räude etc.).

Wer auf die große Fruchtbarkeit des Kaninchens pocht, der wolle bedenken, daß man zweckmäßiger Weise – um recht große und kräftige Nachkommen zu erzielen – das Weibchen im Jahr vielleicht nur vier bis fünfmal befruchten läßt, und ein solches am besten in einem Alter von acht Monaten zum ersten Male zur Zucht verwendet, über vier Jahre alte Exemplare aber von der Zucht ganz ausschließt.

Ueber die Kosten der Aufzucht und der Ernährung hat man sich auch vielfältig eine falsche Anschauung gebildet. Hochstetter behauptet in seiner vortrefflichen Broschüre „Das Kaninchen“ (Stuttgart bei Schickhardt und Ebner), „daß ein Kaninchen vom Tage der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten etwa neun Silbergroschen zu erhalten koste, daß dieser Betrag aber wesentlich geringer sich stelle bei der Aufzucht solcher Thiere in kleineren ökonomischen Wirthschaften, in Gärtnereien etc.“

Kann man nicht darauf rechnen, daß theilweise sonst werthlose Abfälle zur Verwerthung kommen, so stellen sich die Erhaltungskosten bestimmt wesentlich höher. Bei allen Thieren, deren Benutzung in erster Linie auf Fleischproduction gerichtet ist – also auch bei den Kaninchen – muß auf gute Ernährung von erster Jugend an Bedacht genommen werden. Eine landwirthschaftliche Autorität ersten Ranges, welche sich auch praktisch mit der Züchtung größerer ausländischer Kaninchen beschäftigt hat, hatte die Güte mir mitzutheilen, daß im Durchschnitt ein Kaninchen, welches dergestalt ernährt worden sei, daß es nach Vollendung des ersten Halbjahres neun Pfund lebendes Gewicht aufzeigte, 1655/100 Silbergroschen zu erhalten gekostet habe. Rechnet man den Werth eines solchen Thieres so hoch, wie in Frankreich auf dem Markte für dasselbe gern gezahlt werden würde, nämlich vier bis fünf Franken, gleich einen Thaler zwei Silbergroschen bis einen Thaler zehn Silbergroschen, so wäre immerhin ein recht hübscher Gewinn erzielt. Ist der Preis freilich nicht höhere als er z. B. im Februar dieses Jahres sich in Berlin herausgestellt hat, nämlich zehn Silbergroschen bis zweiundzwanzig Silbergroschen fünf Pfennige, so würde entweder bedeutend zugesetzt oder doch nur wenig gewonnen worden sein.

Dazu kommt, daß die Interessen für das Anlagecapital häufig gar nicht in Anschlag gebracht werden. – Gewiß hat man aber auch daran zu denken, daß der Preis der Bälge und Haare von Kaninchen bei einer eintretenden Massenproduction dieser Thiere und einem daraus resultirenden vermehrten Angebote sinken wird. –

Der Verkauf von Zuchtkaninchen bei den bisher üblichen Preisen hat sich freilich als recht rentabel herausgestellt. Lapin ordinaire oder Lapin de garenne bester Qualität wird das Stück nicht unter sechs bis fünfzehn Franken, gleich einem Thaler achtzehn Silbergroschen bis vier Thalern, zu haben sein; Lapin bélier wird und zwar das Paar junger Thiere mit zwanzig bis vierzig Franken, gleich fünf Thalern zehn Silbergroschen bis zehn Thalern zwanzig Silbergroschen, das Paar zuchtfähiger Widderkaninchen aber mit sechszig bis hundert Franken, gleich sechszehn Thalern bis sechsundzwanzig Thalern zwanzig Silbergroschen, bezahlt. Diese hohen Preise haben nun auch manchen in- und ausländischen Speculanten veranlaßt, Zuchtkaninchen zu erziehen und durch marktschreierische Reclame an den Mann zu bringen. Betrügereien der mannigfachsten Art wurden ausgeführt. Bestellt man in Frankreich Lapin bélier, so bekommt man sehr häufig nur Lapin ordinaire; die Leporiden werden als echte Hasen-Kanin-Bastarde bezeichnet und als solche verkauft; alte, vollkommen werthlose und abgenutzte Zuchtthiere werden als durchaus zuchtfähig versendet u. s. f. Mancher Arme hat sein mühsam erspartes Geld dahingegeben, um aus dem Auslande recht schöne und brauchbare Zuchtkaninchen zu acquiriren, und ist abscheulich betrogen worden.

Deshalb ist es gewiß zweckmäßig, sich an bekannte ehrenwerthe deutsche Züchter zu wenden, um geeignetes Material zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_449.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)