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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Absonderliches von Sehenswürdigkeiten versprechen können. Für den auf culturgeschichtliche Gegenstände aufmerksamen Reisenden enthält wohl jede alte Sammlung etwas Beachtenswerthes, und für einen solchen ist auch der Gang in die Schwarzburg kein vergeblicher. Mit drei Fünfgroschenstücken zu Trinkgeldern ausgerüstet, begeben wir uns an das Thor, wo der wachthaltende Invalide das erste empfängt und uns dem Büchsenmacher überantwortet, der uns die Rüstkammer zeigt. Hier wende der Gast sich besonders der Sammlung alter Sättel und Pferdegeschirre aus verschiedenen Jahrhunderten zu, welche culturgeschichtlichen Werth hat, und ebenso zeigt die Sammlung älterer Feuergewehre, guterhaltene und werthvolle Exemplare. Haben wir uns hier des zweiten Fünfgroschenstücks entledigt, so lassen wir für das dritte uns von der Beschließerin in das Innere des Schlosses führen. Der Jagdfreund findet hier als Schmuck der Galerien eine ausgezeichnete Sammlung von zum Theil sehr starken Hirschgeweihen; der Pferdeliebhaber kann zweihundertsechsundvierzig Pferdebilder bewundern, die sämmtlich von einem schwarzburgischen Fürsten, Ludwig Günther, in Oel gemalt sind; den Curiositätenfreund wird im Speisesaale u. A. ein gar seltsamer Mutherprober überraschen, der „Schwarzburger Willkomm“, ein stattlicher Pokal, dessen Leerung schon einen erprobten Trinker erforderte; aber ehe er den Pokal bis zur Neige hob, rollte im Boden desselben eine Kugel auf eine Zündmasse, die einen Schuß löste, und nur wer da nicht erschrak, sondern ruhig bis zur Nagelprobe austrank, war ein ganzer Mann. Im Kaisersaale sind jetzt, statt der alten schlechten, gute neue Kaiserbildnisse (vom Hofmaler Oppenheim) aufgestellt, und in der mit Thüringer Marmor und Alabaster ausgeschmückten Schloßkirche bewahrt man einen Gypsabguß des Grabdenkmals, welches dem Kaiser Günther von Schwarzburg († 1349) im Dom zu Frankfurt am Main errichtet ist.

Der Kaisersaal mit seiner viereckigen Kuppel ist ein Ueberrest der alten Burg aus dem zwölften Jahrhundert, und auch das Aeußere des Baues läßt errathen, welch ritterlichen Wohnsitz die großen Feuersbrünste, Ende des siebenzehnten und Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, zerstörten. Das jetzige Schloß ist 1744 fertig geworden, aber wie! Als ein Denkmal der traurigsten Zeit Deutschlands auf noch vielen Gebieten menschlicher Thätigkeit, und insbesondere der Baukunst. Der Kasernenstil hat hier einen allzugroßen Triumph gefeiert, und die Späteren haben leider Nichts gethan, um durch veredelnde Nachhülfe dem Auge die trostlose Einförmigkeit der langen Wand- und Dachflächen ein wenig erträglicher zu machen. Nur zum Leuchten im dunklen Kranze sind die hellen Mauern gut; dies und der Kranz selbst schützen unsere Freude an der Schwarzburg vor jeder dauernden Störung. Ein Blick vom Schloßgarten oder der Balustrade oder aus den Fenstern des Salons im „Hirsch“ hinab in’s Thal, dessen Wiesengründchen am Morgen und Abend das äßende Wild belebt, läßt alle Bauten und Unbauten vergessen, und die köstliche Lust des Waldes bleibt völlig über uns Herr.

Oestlich am Fuße des Schloßfelsens durchrauscht die Schwarza das Dorf Schwarzburg, in welchem die „Thalleute“ wohnen und die „Männer von Schwarzburg“ in dem ehemaligen Eisenhammer schwarze Erdfarbe aus Döschnitzer Alaunschiefer bereiten. Westlich vom Schlosse erhebt der Quittelsberg sein über 2200 Fuß hohes Haupt und eröffnet auf seinem Gipfel, der Keilsburg, einen Rundblick voller Waldpracht, der von Neuhaus am Rennsteig bis zum Steiger bei Erfurt reicht und hoch über die leuchtende Schwarzburg hin bis zu der Burg, die durch ihren Namen leuchtet, zur Leuchtenburg.

Wird wirklich, wie unheimlich verlautet, die Eisenbahn von Westen her bis zur Schwarzburg vordringen und auch das Schwarzathal durchbrechen? Was ist der Industrie-Speculation heute unmöglich? Geschieht’s aber, so haben wir vor unseren Nachkommen, die wir sonst so gern beneiden, wenigstens Das voraus gehabt, daß wir Burg und Thal gesehen, als sie noch undurchräuchert und undurchschrillt waren vom Dampf und Pfiff der Eisenkönigin Locomotive.

Fr. Hfm.




Winke für Großstädte. In der größten Stadt der Welt, London, mit dem größten Straßenlärm, beschäftigt man sich seit längerer Zeit mit Versuchen, möglichst geräuschlose Straßen herzustellen. Gründlich kann dies nur mittelst des Straßenpflasters geschehen. Hier hat man nun besondere Versuche und Vergleiche mit Granit-, Asphalt- und Holzpflasterung angestellt und ist zu der Ueberzeugung gekommen, daß für Gewinnung möglichster Geräuschlosigkeit das Steinpflaster überhaupt ganz aufgegeben werden müsse. So handelt es sich vorläufig nur noch um die Vorzüge zwischen Asphalt und Holz. Sechs Wochen lang fortgesetzte genaue Beobachtungen auf Holz- und Asphaltstraßen haben den damit beauftragten Ingenieur Heywood zu folgendem Urtheile geführt: Asphalt macht das wenigste Geräusch; Räder und Pferdehufe passiren weich und glatt darüber hin, und wenn die Straße aufgerissen werden muß, läßt sich die Asphaltdecke leicht in regelmäßigen Stücken ausschneiden, und binnen kurzer Zeit wieder befestigen. Aber im Regenwetter ist dieser Boden für Pferde zu schlüpfrig, so daß sie gar zu leicht fallen und sich schwer verletzen. Gleich beim ersten Guß dick aufgestreuter grober Kies veringert indessen diesen üblen Umstand bedeutend. Holz ist entschieden die beste Pflasterung für Erreichung möglichster Geräuschlosigkeit. Man hört zwar die Pferdehufe, aber nur dumpf, und die Räder gleiten sanft darüber hin. – In einer Hauptverkehrsader Londons und zwar in der City von Templebar bis zur Bank und Börse findet man dicht hintereinander Muster von Granit-, Asphalt- und Holzpflasterung und kommt hier bei jeder Fahrt zu der Ueberzeugung, daß auch dieses beste Steinpflaster noch als zu schlüpfrig, geräuschvoll, mühsam und kostspielig für Erhaltung und Reparatur zu Gunsten der Asphalt- oder Holzpflasterung aufgegeben werden müsse. Auf die Mehrkosten kommt es dabei gar nicht an, denn eine Stadt, als Ganzes genommen, verliert, indem sie durch schlechtes Steinpflaster die gesunden Nerven ihrer Einwohner und deren Wagen und Pferde verdirbt, immer unendlich viel mehr, als das theuerste gute Pflaster kosten würde. Wir in Deutschland mit unseren weisen Magistrats- und Stadtbehörden werden wohl nicht so bald das schlechte Steinpflaster los werden, geschweige auf einen guten Holzweg kommen. So wäre es wenigstens gut, wenn ein guter, vielfach bewährter Rath angenommen würde. Dieser besteht darin: man pflastere wenigstens die Hauptverkehrsstraßen mit möglichst regelmäßig behauenen Steinvierecken und zwar mit möglichst geringer Wölbung nach der Mitte, wie es eben hinreichend ist zum Abfluß des Regenwassers in Rinnsteine, für welche Berlin meist eine Warnung und Paris ein Muster ist. Diese Rinnsteine müssen oben nur eine schmale Oeffnung haben, eben breit genug, um die Stiele der zur Reinigung besonders eingerichteten Besen hindurch und entlang zu ziehen. Dieses ziemlich glatte und wenig gewölbte Steinpflaster ist zwar auch nicht billig, aber doch für die Stadt und deren Bewohner gegen das gewöhnliche schlechte schon eine ungeheure Ersparniß an Nerven, Rippen, Wagen und Pferden.

In London hat man außerdem mit den Squares und Crescents oder halbmondförmigen Straßenbogen wenigstens gute Anfänge für geräuschloses Wohnen gemacht. An den Ecken und Winkeln vieler dieser viereckigen Plätze und an den halbmondförmigen Straßenfronts hin wird wenig oder gar nicht gefahren. Dies sichert schon ziemlich viel Ruhe, nur daß die Leierkasten und Ausrufer noch entsetzlich stören. So müßte man für das Wohl der geistigen Arbeiter in Schulen, Universitäten und Staatsbureaux, sowie für sonst ruhebedürftige Personen die betreffenden Stadtabschnitte vervollkommnen, wie dies in London hier und da geschieht, obwohl noch mancherlei Fehler auch hier übrig bleiben. Kurz, Staats- oder Stadtbehörden oder gebildete Privatspeculanten sollten für das Gedeihen des geistigen Lebens und somit auch ihrer Casse für Stadtabschnitte sorgen, in welchen kein Ausrufer, kein öffentliches Wagenrad, kein Leierkasten, nicht einmal ein Kind die für geistige Arbeiten oder schwache Nerven nöthige Ruhe stören kann. Für Kinder müßten hinter den betreffenden Häusern besondere gesicherte Spielplätze eingerichtet sein. Solche Stadtabschnitte entstehen am besten dadurch, daß man einen größeren Flächenraum mit Häusern, die einander die Gesichter zukehren und durch Garten- und Parkanlagen in der Mitte einen gemeinschaftlichen heiteren und gesunden Ausblick haben, so bebaut, daß nur ein oder zwei Einfahrten von der Außenstadt bleiben. Diese Zugänge wären durch Portiers zu bewachen, wie die sogenannten herrschaftlichen verschlossenen Häuser. Schwache Anfänge dazu in Berlin, Hamburg und London habe ich immer so beliebt und von allen höher gebildeten Familien so bevorzugt gefunden, daß vervollkommnete Anlagen dieser Art sich jedenfalls auch als gewinnreiche Privatspeculation empfehlen. Wo diese sich nicht einfindet, könnten Vereine für Hebung geistiger und physischer Gesundheit, städtische oder staatliche Behörden den dazu gehörigen Geist beleben und so das dazu erforderliche Geld herbeischaffen. Dies fiele wohl auch in das Bereich der „Verschönerungsvereine“. Berlin hatte einen solchen dem Namen nach, aber wohl kaum je in sichtbar gewordener Wirksamkeit.

Musterhaft wirkt dagegen seit zehn Jahren der Verschönerungsverein in Halle an der Saale, früher wohl einer der häßlichsten und jetzt schon vielleicht einer der musterhaftesten Städte. Der edelsten Nacheiferung würdig ist wenigstens die schon ziemlich abgerundete That dieses Vereins, zwischen der alten Stadt und den massenhaften neuen Ansiedelungen ringsum einen Schönheitsgürtel zu ziehen, eine luftige, sonnige und zugleich schattige Rundpromenade, welche den Bewohnern der inneren und äußeren Stadttheile gleichmäßig zu gute kommt. Hier wirkten die gebildeten Kräfte der Universität, der höheren Beamten und gebildetsten Bürger so gut und einheitlich, so energisch und ausdauernd zusammen, daß die häßliche Stadt wenigstens in dieser Beziehung bereits zum Muster für alle Städteverschönerung geworden ist. Der Verein hat, um nur das Eine zu erwähnen, auch unfruchtbare, trockene, felsige Höhen mit schattigen, luftigen Bäumen bepflanzt und, um das Begießen derselben zu erleichtern und zu sichern, oberhalb der Wurzeln größere Flaschen ohne Boden eingegraben, in welche das Wasser mit Trichtern gefüllt wird. So kommt jeder Tropfen den Wurzeln zu gute, während beim gewöhnlichen Gießen, noch dazu an Abhängen, viel Wasser nutzlos abläuft und verdunstet.

Dies sind so einige aus mehreren Großstädten gesammelte Andeutungen für Beruhigung, Gesundheit und Verschönerung unserer dämonisch menschen- und moralmörderisch wachsenden Großstädte. Wenn nicht gründlich und umfassend wenigstens für Ruhepunkte, geräuschlosere Straßen, Athmungs- und Erholungsplätze innerhalb derselben gesorgt wird, so können wir uns darauf verlassen, daß diese gerühmten Brennpunkte des geistigen Lebens vielmehr zu Mördergruben desselben werden. An Warnungen und Beispielen fehlt es schon jetzt nicht. Auch in dieser Beziehung könnten unsere bedrohlichen Großstädte sich zum Theil Halle und in noch größerem Maßstabe London zum Muster nehmen. London, die größte Großstadt der Welt, ist zugleich am wenigsten eine solche, sondern eine höhere Vereinigung von Stadt und Land. Mit Ausnahme der alten inneren Theile überall große, viereckige Plätze mit herrlichem Blumen- und Buschwerk zwischen den Straßen; dazu ein Dutzend Parks mit allen Reizen des offenen Landes, des Waldes und des Feldes und Tausende von größeren oder kleineren Straßen mit Gärtchen vor den Häusern und meist zusammenstoßenden Hintergärten, die nur durch niedrige Mauern oder Hecken getrennt mit ihrer guten Luft und ihrem heiteren Gesammtüberblicke allen Bewohnern ringsum gleichzeitig ohne Beeinträchtigung zu Gute kommen. Tausende von Augen, sich gleichzeitig darauf weidend, stören einander nicht, und jeder Blick führt jeder einzelnen Seele den Eindruck eines großen, gemeinsamen heiteren und erquickenden Besitzthums zu. Das kleine, längliche Viereck von Privatgärten liefert den einzelnen Bewohnern vollständig ungehinderten Spielraum für Erholung und nützliche, angenehme Beschäftigung. Auch der kleinste Garten, den man theils mit Küchengewächsen, theils mit Blumen und Strauchwerk bepflanzt, giebt der Sorgfalt, Lust und Liebe jeden Tag hinreichende angenehme Beschäftigung.


Hierzu die „Allgemeinen Anzeigen zur Gartenlaube“, Verlag von G. L. Daube & Comp.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_425.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)