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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

dieser Sammlung, ein Geschenk des sächsichen Generalconsuls Gerson in Frankfurt am Main, bestehend in zweihundertundzwölf Handzeichnungen, die in Rom zwischen 1550 und 1555, also zu einer Zeit, wo die antiquarischen Studien dort einen höchst bemerkenswerthen Aufschwung nahmen, entstanden sind und unschätzbaren Werth für die classische Alterthumskunde dadurch erhalten, daß ein nicht geringer Theil der hier dargestellten Monumente seitdem vollständig verschollen ist. Auch von den noch existirenden sind, wie uns diese Zeichnungen belehren, nur sehr wenig noch in demselben Zustande, in dem sie das sechszehnte Jahrhundert kannte. Es wird daraus klar erkennbar, wie unglaublich diese Denkmäler unter den Restaurationen des siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts gelitten haben. Eine ausführliche Beschreibung derselben gab Dr. Matz in Göttingen in einem Monatsberichte der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, die deren Werth so hoch stellt, daß sie eine Vervielfältigung dieser Blätter auf ihre Kosten angeordnet hat.

Wir gingen nur noch durch die Räume der Münz- und Autographensammlung, um wenigstens ein Bild ihrer äußeren Anordnung mitzunehmen. Im Vorbeigehen traten wir in den ehemaligen Fürstenstand der Luther-Capelle ein. Das ist der Raum, den in den verhängnißvollsten Tagen seines Glaubenskampfes so oft Luther’s Stimme erfüllt hat. Wie klein und schmucklos ist dieses Kirchlein! Und doch spricht aus ihm gerade in diesem Augenblick, wo der vor vierthalbhundert Jahren begonnene Kampf von Neuem und am erbittertsten in Deutschland tobt, sein Geist mahnend und stärkend zu unseren Herzen.

Und nun hinaus in’s Freie! Welchen Gang durch die deutsche Geschichte hatten wir auf unserer dreistündigen Wanderung vollbracht! Es war ein Uebermaß von Eindrücken, das uns nicht sogleich zum Genusse der Naturschönheit kommen ließ, die hier von allen Himmelsgegenden aus der Nähe und Ferne uns winkt. Nach kurzer Rast und Erquickung machten wir rasch noch einen Gang um den Wall, um einige beachtenswerthe alte Geschütze der Bärenbastei zu besehen und uns des Rundblicks ins Land zu erfreuen. Letzterer ist oft geschildert und bedarf hier meines Lobes nicht mehr.

Auf der hohen Bastei hatte Barth uns das schönste Plätzchen bewahrt, eine uralte Laube hart vor dem Wirthshause mit dem freien Blicke nach Süden und Osten. Wir erreichten sie noch im rechten Augenblick. Die letzten Strahlen der scheidenden Sonne beleuchteten die Thürme von Banz, die Kirchenfenster von Vierzehnheiligen, die Capelle des Staffelberges und die fernen Berghäupter des Fichtelgebirgs und des näheren Franken-Jura; auf den anmuthigen Itzgrund sank schon die Dämmerung hinab. Auf der Bastei und auf den Terrassen herrschte überall munteres Leben; für uns aber hatte der Tag so reichen Stoff aufgesponnen, daß der Faden der Unterhaltung kein Ende genommen hätte, wenn nicht, wie Alles in der Welt, auch eine Festung endlich geschlossen würde.

Als wir am äußern Burgthor den in der Veste wohnenden Freunden den letzten Handdruck gereicht und im Freien waren, gingen wir, weil wir vom Berg noch nicht lassen konnten, noch einmal um den äußern, parkartigen Wall, und Alle stimmten mir zu, als ich, an meine alte Dichtung von der Veste erinnernd und auf das Land hinabzeigend, sprach: „Ja, es ist und bleibt herrlich, hier

Zu wandeln rings um die Bastei’n,
Zu weilen in den Mauerscharten
Im Hauch der Nacht, im Sternenschein
Umblüht von diesem Wundergarten!“




Pariser Bilder und Geschichten.


Blumen


Von Ludwig Kalisch.


Von Blumen sollte man eigentlich nur in gebundener Rede sprechen; allein unsere Zeit liebt die Verse nicht mehr. Sie betrachtet Alles von dem nationalökonomischen Standpunkte und man beweist ihr nicht leicht eine Wahrheit, wenn man sie nicht in Prosa und durch Zahlen beweist. So will ich denn diese Skizze mit der statistischen Bemerkung einleiten, daß Paris vier große Blumenmärkte besitzt, von denen einer auf dem Quai aux fleurs, am Hôtel Dieu, der zweite auf dem Platze St. Sulpice, vor der Kirche gleichen Namens, der dritte am Chateau d’Eau zwischen dem Boulevard St. Martin und dem Boulevard du Temple und endlich der vierte sich dicht an der Madeleine befindet. Zweimal in der Woche und je an verschiedenen Tagen bieten diese Märkte ihre reizenden Waaren feil, so daß Paris jeden Tag seinen großen Blumenmarkt hat.

Man hat die Behauptung aufgestellt, daß der Culturzustand eines Volkes sich am sichersten nach der Quantität Seife bemessen lasse, die dasselbe verbraucht, und es giebt vielleicht Nationalökonomen, die genau berechnet haben, wie viel Portion Cultur aus einen Centner Windsor- oder Mandelseife kommt. Was aber beweist die Pflege der Blumen für die Civilisation eines Volkes oder einer Stadtbevölkerung? Kann man von der Vorliebe für Harlemer Zwiebeln auf den sittlichen Zustand, auf den Geschmack, auf das poetische Gefühl einer städtischen Bevölkerung schließen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß die Stadt Paris jährlich viele Millionen Franken für Blumen ausgiebt und daß hier die Blumenzucht sich immer mehr ausbreitet und mit einer wahren Leidenschaft betrieben wird.

Die eingefleischten Pariser, die niemals in das Weichbild der Riesenstadt kommen, die während der schönen Jahreszeit nicht viel mehr als die kränkelnden Bäume auf den Boulevards und im Winter gar nichts grünen sehen, würden am Ende ganz vergessen, daß außerhalb des Festungsgürtels, wo kein Asphalt und Macadam die Mutter Erde deckt, die Natur allerlei Knospen und Blüthen treibt, wenn sie nicht durch ein schüchternes Pflänzchen, das in einem Topfe vor ihrem Fenster vegetirt, daran erinnert würden. Man steht in Paris selten ein Empfangszimmer, in welchem nicht einige Zierpflanzen prangten oder zu prangen sich bemühten. Diejenigen Pariser aber, die über alles Irdische am meisten erhaben sind, die nämlich im fünften, sechsten oder gar im siebenten Stockwerke wohnen, lieben es besonders, ihre Fenster und Fensterchen mit Pflanzen zu verzieren. Befindet sich, wie dies häufig der Fall ist, vor ihrer Wohnung eine Altane, so verwandeln sie diese in ein hängendes Gärtchen; und wenn sie sich aus dem Zimmer auf dasselbe begeben, glauben sie auf’s Land zu gehen. Die Pariser sind auf diese Taschenausgabe der hängenden Gärten nicht weniger stolz, als Semiramis auf die ihrigen war. Keine Classe der Pariser Bevölkerung liebt indessen die Blumen so sehr wie die Grisetten. Man findet selten ein Pariser Nähmädchen, dessen Kammerfensterchen nicht mit einer Zierpflanze geschmückt wäre. Eine Grisette pflegt jeden Morgen ihre Blumen, wie eine Mutter ihre Kleinen pflegt. Sie denkt an die Toilette ihrer Fuchsias früher als an ihre eigene. Sie wäscht und säubert ihnen die staubigen Blätter; sie giebt ihnen zu trinken. Sie freut sich, wenn sie gedeihen; sie ist traurig, wenn sie dieselben verkommen sieht, und trennt sich von dem sauer ersparten Frankenstück, um sie durch neue zu ersetzen. Der Blumenmarkt auf dem Quai aux fleurs im lateinischen Viertel zählt die Grisetten zu den treuesten Kunden, und es ist bekannt, daß in schweren Zeiten, wenn die Arbeit stockt, dieser Markt es sogleich und auf’s Empfindlichste spürt.

Außer den erwähnten Blumenmärkten giebt es auch viele Läden, wo zu jeder Jahreszeit die prachtvollsten Blumen vorhanden sind. Man findet dort einen beständigen Vorrath an exotischen Blüthen, die sehr theuer bezahlt werden. In diesen Läden werden auch die großen kunstvollen Sträuße verkauft, von denen ein einziger hundert, ja zweihundert Franken und darüber kostet. Der Umsatz eines solchen Blumengeschäfts ist oft sehr bedeutend, zumal im Winter und während der Faschingszeit. Man braucht in Paris nicht um Blumen, Sträuße und Kränze in Verlegenheit zu sein. Wer von den Trillern einer Prima Donna oder von den Sprüngen einer Tänzerin begeistert ist und ihr ein kostbares Bouquet vor die Füße werfen will, findet in der nächsten Nachbarschaft der Theater eine reiche Auswahl. Es giebt in diesen Blumenläden stets mehr Lorbeerkränze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_338.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)