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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

von einer Temperatur von 5 Grad Réaumur arbeiten mußten. In Folge dieser Erweiterung des inneren Quellenzuflusses ist der Kaiserbrunnen auf eine durchschnittliche Tagesergiebigkeit von 1,400000 Eimern gebracht worden und somit allein schon im Stande, den Wasserbedarf der Großstadt zu decken.

Erwägt man hierbei, daß die sämmtlichen jetzt unbenutzten Zuflüsse des Höllenthales oberhalb des Kaiserbrunnens die annähernde Tagesquantität von einer und zwei Drittel Million Eimer ergeben und daß deren künftige Ausnutzung keine technischen Schwierigkeiten mehr bietet, so gelangt man zu der Ueberzeugung, daß der Wasserbedarf der österreichischen Hauptstadt auf Generationen hinaus gedeckt ist. Die einzuhaltende Richtung bedingte die Aufführung von vier Aquäducten mit einem Gesammtkostenaufwande von circa 1,600000 Gulden; hiervon ist der die

Das Wasserschloß des Kaiserbrunnens nach dem Bau der Hochquellenleitung.
Nach einer Skizze von Robert Zander.

Stadt Baden übersetzende der bedeutendste. Dreizehn Stollen (Wassertunnel) mit einer Totallänge von 4405 Klaftern (gleich einer und einem Zehntel geographischer Meile) führen die dem Höllenthale entnommene Wassersäule durch die Berge; sie sind theils in den festen Felsen gehauen, theils in Ziegeln mit Portlandcement ausgemauert. Zu diesen Schwierigkeiten kam innerhalb des Weichbildes der Stadt Wien noch die Uebersetzung des Donaucanals und des Wienflusses.

Das Gesammtgefälle der Leitung vom Abflusse des Kaiserbrunnens bis zum Nullpunkte des Donaucanals dürfte 1150 Fuß betragen. Der hierdurch bedingte ungeheure Wasserdruck wird durch drei gewaltige Reservoirs in der unmittelbaren Nähe Wiens, auf dem Rosenhügel nächst Speising, auf der Höhe der Schmelz und auf dem Wienerberge nächst der Spinnerin am Kreuze belegen, neutralisirt, und so kommt es, daß ein Wasserquantum selbst von zwei Millionen Eimern, für welches die Leitung hergestellt ist, innerhalb vierundzwanzig Stunden gefahrlos für die Nachbarschaft seinen Weg vom Hochgebirge herab zurücklegen kann. Bereits im ersten Baujahre 1870 wurden unter der Leitung des Bauunternehmers Gabrielli 2500 bis 3000 Arbeiter täglich verwendet, die sich in den folgenden Jahren, im Verhältnisse des Baufortschrittes, mehr als verdoppelten. Das für eine Stadt von der Größe Wiens erforderliche Röhrennetz ist begreiflicher Weise von ungeheurer Ausdehnung, waren doch schon mit Ende des Jahres 1871 bei 49,000 Currentklaftern oder 12¼ deutsche Meilen Wasserröhren im Betriebe, während die neu hinzutretenden Röhrenanlagen auf 138,839 Currentklaftern mit einem Kostenaufwande von 3,766,771 Gulden in Voranschlag gebracht sind. Die Hauptröhrenstränge, welche von den Reservoirs abzweigen, besitzen eine lichte Weite von 36 und 33 Wiener Zoll und verjüngen sich, dem natürlichen Bedarfe entsprechend, in vielfältigen Abstufungen bis zum kleinsten Caliber. Der im letzten Spätherbste in Wien am Schwarzenberg-Platze eröffnete Hochstrahlbrunnen gab dem gigantischen, in seinen Hauptgrundzügen glücklich beendeten Werke eine würdige Weihe; sein 8¼ Zoll im Durchmesser haltender Hochstrahl kann bis zu einer Höhe von 150 Fuß getrieben werden, während ihn 300 vierundzwanzig Fuß hoch springende Seitenfontainen in Form einer Glocke umgeben.

Sind wir recht unterrichtet, so wurden für dieses Riesenunternehmen bis jetzt 23,379,000 Gulden aus städtischen Mitteln verausgabt, jedoch dürften bis zu dessen gänzlicher Vollendung noch mehrere Millionen erforderlich sein. Der Unternehmer des Baues, Gabrielli, wurde für frühere Vollendung als die contractlich bedungene mit einer Extra-Prämie von einer Million Gulden belohnt.

Gewiß hat dieses in seiner Art einzig dastehende Werk seine Entstehung dem vereinten Zusammenwirken vieler einsichtsvollen und verdienstlichen Männer zu danken, die von der richtigen Ueberzeugung durchdrungen waren, daß eine Commune

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)