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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

insofern nicht lieb, als ich Dir wenigstens einen Tag vorher seine Ankunft anzuzeigen wünschte.“

„Es würde wenig an meiner Willensmeinung geändert haben, nach welcher dieser hereingeschneite junge Mann nicht in Schönwerth bleiben wird.“

Mainau hatte eben die gelösten Papiere in den Händen und war im Begriffe, sie nach dem Schreibtische zurückzutragen – bei den letzten, mit unglaublicher Impertinenz gesprochenen Worten des alten Herrn blieb er, wie durch einen Ruck festgehalten, sofort stehen und wandte das Gesicht nach dem Sprechenden zurück – die Damen schlugen unwillkürlich und ängstlich die Augen nieder vor dem Ingrimme und der tiefen Gereiztheit, die das schöne Gesicht des Mannes entstellten.

Der Hofmarschall ließ sich nicht beirren; er war innerlich wüthend – man sah es an seinem scharf hervorgeschobenen Kinne, an der Art und Weise, wie er seine bleichen Finger in das purpurseidene, auf seinem Schooße liegende Taschentuch vergrub. „Darf man wenigstens erfahren, was Dich veranlaßt hat zu diesem plötzlichen – Staatsstreiche?“

„Das könntest Du Dir selbst sagen, Onkel,“ antwortete Mainau sich bezwingend, mit leichtem Hohne. „Ich verreise – was ich wohl nun sattsam angesprochen habe – für Jahr und Tag; die Baronin geht nach Rudisdorf; sie wird Leo nicht mehr unterrichten;“ – bei dieser eisigkalten Hindeutung hob die Herzogin die gesenkten Lider, und ein unverschleierter Triumphblick flog nach der jungen Frau hin, die still und gelassen in ihrer bisherigen Stellung verharrte – „und – was mir in der That die Hauptsache ist,“ fuhr Mainau fort – „wir können unmöglich vom Herrn Hofprediger verlangen, daß er auch im Winter so oft nach Schönwerth kommt, um Leo Religionsunterricht zu ertheilen.“

„Ah bah – das machst Du mir nicht weis – an diesen Grund glaubst Du selbst nicht. Du weißt im Gegentheile recht gut, daß unser lieber Hofprediger sich kürzlich sogar erboten hat, das Kind auch in anderen Fächern zu unterrichten –“

„O ja, ich erinnere mich,“ versetzte Mainau trocken; „aber bei meinem Grauen vor gefälschter Welt- und Naturgeschichte wirst Du es begreiflich finden, wenn ich für so viel Güte und Aufopferung danke.“

„Herr Baron!“ fuhr der Hofprediger auf.

„Hochwürden?“ frug Mainau langsam und hohnvoll zurück und ließ aus den halbgesunkenen Augen einen messenden Blick über ihn hinstreifen


(Fortsetzung folgt.)




Galerie historischer Enthüllungen.


5. Kaufmännische Noblesse.


Wir leben in einer strengen Zeit, die von Allem, was Geschichte sein will, verlangt, daß es seine Urkunde vorweise. Jede andere Ueberlieferung, und hätten Glaube und Verehrung sie im Herzen der Völker Jahrhunderte geweiht, wird aus den Rollen der Geschichte gestrichen, wenn sie ihren Schein nicht beibringt. So kommt es, daß die Sage, deren Grenzlinie wir früher jenseits der Morgenröthe der Geschichte suchten, in Einzelerscheinungen mit einem Male weit in die geschichtliche Zeit hereintritt, oder daß Personen und Thatsachen, die in der Geschichte bisher ein ganz besonderer Strahlenkranz schmückte, plötzlich zu unverbürgten Gestalten und Nachrichten degradirt und in das Gebiet der Sage zurück verwiesen werden.

So ist der „heilige Nepomuk“ vor der historischen Kritik zu einer Erfindung der Jesuiten zusammengeschrumpft; so sind die „Vierhundert von Pforzheim“, die wir mit so schönem Stolze der Leonidas-Schaar der Griechen an die Seite stellten, durch die unerbittliche Forschung nach dem Schein uns genommen worden; so ist Wilhelm Tell, trotz Tells-Platte und Tells-Capelle, am Mythenstein vorüber in das Land der Mythe heimgegangen; ja, so haben die Schweizer den größten patriotischen Schmerz erlebt, als sie sogar für den vergöttertsten ihrer Volkshelden, den noch vor neun Jahren mit einem prachtvollen Denkmal verherrlichten Arnold Winkelried, die verbürgende Urkunde nicht aufspüren konnten, und so sank auch er zur ewigen Dämmerung der Sage hinab. Nach solchen Erscheinungen darf es nicht Wunder nehmen, wenn auch gegen ein Zimmtholzfeuer, welches einen kaiserlichen Schuldbrief verbrannt haben soll, die Vernichtungskritik bereits den Drohfinger erhebt, weil ihm der beglaubigende Schein fehlt.

Der Vorgang, den unser Bild vorstellt, wird gewöhnlich und noch heute so erzählt: Zu dem Kriege gegen die Türken, mit welchen der allerchristlichste König von Frankreich sich gegen das Deutsche Reich verbündet hatte, und insbesondere zu dem Seezug gegen Tunis 1535, hätten die Fugger dem Kaiser Karl dem Fünften ansehnliche Summen vorgestreckt. Bekannlich endete dieser Zug sieg- und ehrenreich für den Kaiser, der den Feind vollkommen demüthigte und über zwanzigtausend gefangene Christen aus der Sclaverei befreite. Als nach diesem Triumph Karl wieder nach Augsburg kam und, wie früher schon, bei Fuggers als Gast herbergte, da habe Herr Anton Fugger im Kamin eines Saales, der heute noch gezeigt wird, dem Kaiser ein Feuer von dem kostbaren Zimmtholze anzünden lassen; aber nicht genug damit: er holte auch jene Schuldverschreibung herbei und warf sie hinein – vor des Kaisers und seiner Begleitung jedenfalls staunenden Augen. So etwa soll die Sache sich zugetragen haben.

Und warum nicht? Denn die Möglichkeit ist vorhanden: seine Mittel erlaubten ihm das! – Davon werden wir uns durch einen Gang zu den Fuggers von damals am besten überzeugen.

Wir können in diesem Artikel unsere Leser nicht Schritt vor Schritt durch die Jahrhunderte führen, die zwischen dem Häuschen im Dorfe Graben auf dem Lechfelde, in welchem Hans Fugger’s Webstuhl gestanden, und dem Fugger-Hause am Weinmarkte in Augsburg liegen, in welchem Deutschlands römische Kaiser als Gäste der Fugger ein- und ausgingen und welches das Geschlecht der Gegenwart durch die Hand der Kunst auch äußerlich wieder mit fürstlicher Pracht geschmückt hat. Da aber unser Künstler uns gleich einen Einblick in die glanzreichen Tage der Fugger im Reformationszeitalter eröffnet, so überlassen wir einer für die Fugger-Geschichte ganz vorzüglich ausgerüsteten Feder die Darstellung derselben für später und treten sofort in jene Räume, die uns die Beziehungen des Fugger’schen Reichthums zu Kunst, Wissenschaft und Luxus in jener Blüthezeit der Kunstgewerbe vor dem Dreißigjährige Kriege zur Anschauung bringen.

Waren es auch in Augsburg nicht blos die Fugger, welche das Wiederaufleben der Künste und Wissenschaften zur Pflege eines edeln Luxus benutzten, haben auch die Welser, Peutinger, Walter, Baumgarten, Hainzel, Schwarz etc. darin viel Bewundertes geleistet, so sind jene doch von Niemandem übertroffen worden, so daß ihr Haus und dessen Einrichtung zu Ende des Mittelalters und zu Anfange der neueren Zeit als Muster für alles Damalige der Art gelten kann.

Die Häuser der reichsten Geschlechter zeichneten sich schon durch ihre Größe sowie durch die Kupferbedachung und den Bilderschmuck an den Außenwänden vor denen der anderen Bürger aus. Die in ganz Süddeutschland zu jener Zeit herrschende Sitte, in besagter Weise hervorragende Gebäude von außen mit großen Bildern auf nassem Wurfe (al fresco) bemalen zu lassen, zog zuerst fremde Künstler herbei und erhob die Lust, auch für den inneren Schmuck nur das Werthvollste zu erwerben. So weiß man, daß Joseph Hainz, der schweizerische Maler und Architekt, und Christoph Amberg aus Nürnberg, ein Schüler des jüngeren Holbein, am Fugger-Hause thätig waren. Aber selbst Titian und nach ihm Giulio Licinio, genannt der jüngere Pordenone, kamen durch die Fugger nach Augsburg, was Ersterer da geschaffen, wurde ihm mit dreitausend Kronen gelohnt; Letzterem gestattete der Kaiser, während des Reichstages von 1559 sein Kunst- und Malwerk, die allein auf römische Art, wie es heißt, gestaltet war, allda zu treiben, und die Stadt gab ihm später sogar ihr Bürgerrecht umsonst. Unter den einheimischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)