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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

in die Augen fallend als in Oberitalien, wo sie die einzige Vermittelung zwischen zwei großen Contrasten, dem steil ansteigenden Hochgebirge und der ganz flachen Ebene, bildet. Bei uns, am Nordabhange, verhält es sich anders. Nicht nur sind die Voralpen weniger hoch, sondern es lagert sich auch noch an dieselbe die Zone der gehobenen Molassen mit ihren nichts weniger als einförmigen Hügeln und Höhenzügen, welche dem Südabhange durchaus fehlen. Somit ist der Contrast weniger auffällig. Außerdem ist nicht zu übersehen, daß auf der italienischen Seite, am Lago di Varese und am Lago Maggiore, das Klima dazu angethan ist, die Eigenthümlichkeiten der Landschaft schärfer hervorzuheben. Der Glanz des südlichen Himmels wie die Mannigfaltigkeit der Bodenencultur, je nach Gestaltung, Lage und Richtung der einzelnen Hügel, geben dort der Moränenlandschaft einen Reiz, den sie auf der Nordseite nicht erreichen kann.

Das auffallendste Beispiel schweizerischer Moränenlandschaft bietet uns die Gegend von Amsoldingen am Fuße des Stockhorns, links vom Thuner See. Anstoßend an die Allmend, bietet sie durch ihre mannigfaltige Gestaltung einen Gegensatz zu der einförmigen Fläche der letzteren und ist deshalb von dem eidgenössischen Stabe vielfach zu Kriegsmanövern benutzt worden, da sich nicht leicht eine Gegend findet, die sich so sehr zur Ausführung der verschiedenartigsten taktischen Aufgaben eignet. Zu diesem Zwecke wurde bereits vor Jahren eine Karte in großem Maßstabe (1 : 25,000) aufgenommen, auf welcher mit Hülfe der Horizontalcurven die Seiten einzelner Hügel nebst dazwischenliegenden kleinen Mösern mit großer Klarheit hervortreten. Auch die Seen, welche so charakteristisch für die italienische Landschaft sind, fehlen hier nicht. Man zählt deren mehrere, der Amsoldinger See, der Uebertschi-See, der Dittlinger See, der Geißsee.

Die ganze Gegend hat dabei etwas so Abnormes, so Zerstückeltes, daß der Gedanke an alte Moränen des großen Aarthals nur angeregt zu werden braucht, um sofort bei Jedem, der nur einigermaßen ein Auge für Reliefformen hat, das Bild der Gletschergebilde zu erwecken. Zur näheren Vergleichung dürfte besonders die alte Moräne vor dem oberen Grindelwaldgletscher geeignet sein. Dieselbe war mir in der Erinnerung geblieben aus den Zeiten meiner Alpenfahrten, als eines der frappantesten Beispiele der Gletscherthätigkeit. Ich besuchte sie abermals im Laufe dieses Sommers und fand meine Ansicht vollkommen bestätigt. Ich hatte außerdem die Befriedigung, daß unsere beste Autorität in der Kenntniß des Bodenreliefs, Herr Oberst Siegfried, nach vorgenommener Vergleichung der Grindelwald-Moräne seine volle Zustimmung zu der beanspruchten Uebereinstimmung ausdrückte. Man begehe diese Moräne in den verschiedenen Richtungen, besonders aber in der Breite, und man wird die gleiche Grundform erkennen. Das Ganze ist eine Anhäufung von schmalen Kämmen oder wellenförmigen Hügeln, öfter von einem erratischen Block gekrönt, dazwischen manchmal eine Vertiefung, eine begraste Fläche und selbst ein kleiner Weiher oder Teich, Alles freilich in bescheidenem Maßstabe, wie man es nicht anders erwarten kann, wenn man die Dimensionen der jetzigen Gletscher mit denen der Eiszeit vergleicht.

Die Gegend von Amsoldingen ist indeß nicht die einzige am Nordabhang der Alpen, die den Typus der alten Moränenlandschaft bewahrt hat. Es müssen deren noch mehrere Beispiele vorkommen, sei es in der Ebene selbst, überhaupt da, wo der Gletscher auf seinem Rückzuge Halt gemacht hat. Vor allen wären, nach Herrn Brunner von Wattenwyl, die Höhenzüge am Langenberg in der Gegend von Zimmerwald bei Bern hierher zu rechnen. Wenn ich nicht irre, so kommen ähnliche Moränenbildungen in der Gegend von Zürich am rechten Ufer des Sees vor. Auch die Gegend von Montreux und von Nyon am Genfer See dürfte dergleichen aufzuweisen haben, ebenso das Rheinthal und vielleicht das Gebiet des Säntis.

Es sind dies nur Andeutungen, die hauptsächlich zum Zweck haben, die Aufmerksamkeit aller Derjenigen, welche für die Erkenntniß unseres Bodens einiges Interesse hegen und nicht als blinde Touristen ihren Bädeker abwandern, auf diese eigenthümliche Form der Landschaft zu lenken. Sollte sich die hier aufgestellte Theorie bestätigen, so hätten wir einen Landschaftstypus mehr in die Geographie einzuführen, und zwar einen solchen, der nicht zu den unbestimmtesten und uninteressantesten gehört – die Moränenlandschaft.




Blätter und Blüthen.


Ein Besuch bei Christian Fürchtegott Gellert. Wer wollte es den biederen Hainichern von heute und ehemals verargen, wenn sie den Leipziger Professor mit Stolz den Ihrigen nannten? Zweifelhafter dürfte der Anspruch der Bewohner der umliegenden Ortschaften sein, die den Dichter darum als den Ihrigen betrachteten, weil sie in der Jugend seine Mitschüler und Gespielen und später seines Vaters Beichtkinder waren. So vier Bäuerlein aus dem nahen Berthelsdorf, deren Namen Klio in die Tafeln der Erinnerung glücklicher Weise unlöschbar eingezeichnet hat. Sie unternahmen die für die damalige Zeit gewaltige Reise nach Leipzig, um auch einmal in ihrer Weise in den Genüssen der Messe zu schwelgen und vielleicht auch das durch Gellert unsterblich gewordene Rhinoceros zu sehen. Aber in Leipzig gewesen zu sein und den Professor nicht zu sehen, wahrhaftig! das hieße, „in Rom gewesen zu sein und den Papst nicht gesehen zu haben.“ Darum faßt man sich ein Herz und sucht den ehemaligen Spielgenossen, der unterdeß die höchste Staffel europäischen Ruhmes erstiegen – hat ihn doch selbst der alte Fritz einer Audienz gewürdigt und ihm einen Schimmel verehrt! – in seiner bescheidenen Junggesellenwohnung auf. Ermuthigt durch den überaus herzlichen Empfang und in wohlberechtigter Erwägung des Umstandes, daß man daheim, wenn sie ohne handgreiflichen Beweis von ihrem Besuche erzählen, ihnen zurufen könnte: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube,“ faßt endlich Einer, da sie bereits Abschied genommen, den Muth zu der kühnverwegenen Bitte um „ein paar Zeilen“ von seiner Hand. Man tritt in’s Zimmer zurück; Müller und Zobel behalten im Entzücken ihres Herzens über die Leutseligkeit des verehrten Landsmannes oder aus angestammter Unkenntniß der nöthigsten Höflichkeitsformen den Dreimaster auf dem Kopfe.

Sinnend blickt Gellert alle Vier nochmals an, setzt sich dann an seinen Schreibtisch, und schalkhaft lächelnd überreicht er nun den Scheidenden das billet-doux. Daheim angekommen, versammeln sie die männlichen Ortsangesessenen im Gasthofe, und ein des Lesens Kundiger muß den andächtig Lauschenden den Inhalt des feierlich entfalteten Documentes verkünden. Groß war nun allerdings das Staunen der Meßreisenden, als sie offenen Mundes und voll gespannter Erwartung das Verslein hörten – man erinnere sich, sie hießen Wohlgemuth, Schütze, Müller und Zobel – das Verslein also:

Wär’ ich immer wohlgemuth
Und ein guter Schütze,
Schöß ich Müllern durch den Hut,
Zobeln durch die Mütze.

Dr. G. H.




Kleiner Briefkasten.


G. B. in S. Der allegorische Scherz „Ein Mene Thekel für Ascher-Mittwoch“ in Nr. 7, unseres Blattes ist das Erstlingswerk eines Schlesier Zeichners, Namens Adolf Pettinger. Die Leistungen dieses bisher noch völlig unbekannten Talentes sind um so anerkennenswerther, als Pettinger nicht Künstler von Beruf ist, sondern ohne jede akademische Vorbildung, ja, ohne auch nur eine Stunde Zeichenunterricht genossen zu haben, seine ganze Fertigkeit in der Führung des Stifts durch eigene Kraft errungen hat. Sie werden mit uns in den Wunsch einstimmen: „Ehre und fröhliches Gedeihen diesem wackeren Streben!“

An den Kynologen in Danzig. Von der Redaction der Gartenlaube beauftragt, Ihre Frage, ob die Bergmann’schen Hunde in Waldheim wirklich so schön wie auf meinen Bildern sind, selbst zu beantworten, kann ich nur in vollster Aufrichtigkeit versichern, daß dies der Fall ist. Denn ich bin kein Hundekenner, und habe mich schon aus diesem Grunde, wie ich dies aber auch sonst stets thue, begnügen müssen, Cäsar und die übrigen Hunde nur so treu wie möglich darzustellen, und bei dem im Herbste des vorigen Jahres erschienenen großen Bilde war dies schon deshalb nothwendig, um die bedeutenden Formenunterschiede wiederzugeben, welche wohl auch jeder Hundekenner herausfinden wird. Die Bilder stehen insofern noch weit hinter der Wirklichkeit zurück, als die herrliche Färbung der Thiere, vor Allem die classische Farbe Cäsar’s, gar nicht angedeutet werden konnte. Dagegen ist bei dem im Frühjahre 1872 erschienenen Einzelbilde Cäsar’s die Behaarung desselben selbst bis auf die einzelnen Locken völlig genau wiedergegeben, was keine leichte Aufgabe war. Von diesem Blatte und dem zugleich in jener Nummer erschienenen Kopfe Cäsar’s würde ich Ihnen aus Freude über Ihr Interesse gern einen Separatabdruck schicken, wenn ich Ihre Adresse wüßte.

H. Leutemann.

E. H. in Schw. Ein Institut, wie Sie es im Auge haben, ist das kürzlich unter dem Namen „Berliner Frauenschutz“ (Berlin, Friedrichstraße Nr. 243) von der Frau Justizrath Helene Martins, geborenen Cosmar, gegründete. Dasselbe macht es sich zur Aufgabe, Vermittler auf dem Gebiete weiblicher Berufsthätigkeit zu sein, und ist seiner Solidität wegen namentlich solchen Damen warm zu empfehlen, welche entweder als Repräsentantinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Vorleserinnen, Gesellschafterinnen, Kindergärtnerinnen, Bonnen oder Wirthschafterinnen placirt zu sein oder Kräfte aus diesen Berufszweigen ihrem Hause zu gewinnen wünschen.




Berichtigung. In Nr. 4 unseres Blattes ist in dem Artikel „Was uns die Waldmenschen erzählen“, auf Seite 60 in der letzten Zeile der ersten Spalte zu lesen: „Gesandtschaft in Ava“, statt „Arta“, und in der drittletzten Zeile der zweiten Spalte: „uns in der Entwicklungsgeschichte“, statt „und von etc.“



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_170.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2020)