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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

sondern schließlich sogar eine Olevanerin zur Frau nahm und sich hier niederließ. Die Studien aber, die er anfertigte, fanden bei seinen Landsleuten unter den Künstlern Roms so viel Anklang, daß diese ihm bald in das gleichsam neuentdeckte Land nachfolgten. Bald erfreute sich Olevano großer Berühmtheit und des besten Rufes. Hierzu trug nicht wenig die Freundlichkeit und der Frohsinn seiner Bewohner bei, die sich noch heut zu Tage in dieser Hinsicht in günstiger Weise von jenen der umliegenden Gebirge unterscheiden.

Aber noch manchem Anderen von den Künstlern erging es schließlich wie Koch. Sie kehrten immer und immer wieder nach Olevano zurück, bis sie schließlich ganz dort blieben und ein Heimwesen sich gründeten. Und es ist nicht zu verwundern; denn zu den Eigenthümlichkeiten, welche das in seine wilden


Civitella.
Nach einer Skizze von J. Zielcke in Rom.


Gebirge eingeschlossene Volk der Sabiner seit ältesten Zeiten bewahrt hat, gehört auch die wahrhaft antike Gestalt und Schönheit seiner Frauen. So kommt es denn, daß auch der Raub der Sabinerinnen, wenn auch in modificirter Form, bis in unsere Tage sich erhalten hat.

Schmale steinige Felspfade, die da und dort als Stiegen sich fortsetzen, sind die Straßen von Olevano. Die Wohnungen gleichen dunklen Höhlen, die in unregelmäßiger Architektur neben und über einander gebaut sind. Tritt man in eine solche Höhle, und es hat sich das Auge allmählich an die Dunkelheit gewöhnt, dann mag man oft die kleinen schwarzen Schweine, deren Zucht hier betrieben wird, in bester Eintracht mit den Kindern sich auf dem Boden herumwälzen sehen. Wenn aber diese Kinder vor die Häuser treten und in den Straßen sich herumtummeln, dann muß man allem Schmutze zum Trotze der an ihren Kleidern, Händen und Gesichtern haftet, an ihnen Gefallen finden. Sorgfältiger in Bezug auf ihr Aeußeres sind natürlich die erwachsenen Mädchen; aber wiewohl sich in Olevano das Leben zum größten Theile in der Oeffentlichkeit vor den Häusern abwickelt, lassen sie sich doch wenig sehen, und führt sie auch ein Geschäft durch die Gassen, so bemerkt man an ihnen doch nichts mehr von dem tollen Naturell der Kinder. Sie sind immer ernst und von natürlicher Gemessenheit in ihren Bewegungen. In den gebräunten, von schwarzem Haare eingerahmten Gesichtern glühen die dunklen Augen, wie von einem inneren nicht ganz ausstrahlenden Feuer, gleich dem von Granaten. Auffällig aber ist, daß, während die Frauen in Italien fast ausschließlich dunkle Haare haben, an manchen Orten Mädchen sich finden, deren Haarschmuck vom hellsten Blond ist und die nicht nur durch ungebräunte frische Gesichtsfarbe, sondern sogar durch blaue Augen ganz aus der Art schlagen. Dies fällt um so mehr auf, weil dagegen das brünette Element als Uebergang fast nicht vertreten ist.

So treffen wir auch in der Casa Baldi, zu der wir von Olevano aus ansteigen, neben der ältern Tochter, die an Gestalt und Ansehen der Mutter gleicht und ganz den italienischen Typus einhält, noch jüngere Mädchen, die uns durch blaue Augen und die Flachsfarbe ihrer Haare an die besten Mädchentypen in den deutschen Alpen erinnern, so daß man wohl versucht sein könnte, weit in die Vergangenheit zurückgreifend, dieses Blond auf den Liebesseufzer irgend eines Gothen oder Longobarden zurückzuführen, der die ewige Stadt zu belagern gekommen war, schließlich aber selbst capituliren mußte. Aber auch die Freundlichkeit, Offenheit und Heiterkeit, mit welcher der Deutsche sich hier empfangen sieht, wird ihn lebhaft an die Alpen und ihre Bewohner erinnern, und um so angenehmer wird er hiervon überrascht sein, als man in der weitaus überwiegenden Mehrzahl von Gasthäusern in Italien das Gefühl nicht los wird, daß man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_167.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)