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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

zwischen ihm und dieser Blüthe der adligen Jugend Preußens ist keine vermittelnde Altersstufe. Aber wie könnte er, gleichsam der Reorganisator der preußischen Cavallerie, auf deren Ausbildung diese Reiterübungen von nicht unwesentlichem Einflusse sind – wie könnte „Papa Wrangel“ bei einer Hubertusjagd zu Hause bleiben! Ebenso fehlt fast bei keiner der wöchentlichen Parforcejagden, welche dieser letzten am 3. November vorausgehen, der Protector derselben, Prinz Karl, der älteste Bruder Kaiser Wilhelm’s. Obwohl schon Anfangs der Siebenziger, reitet er drauf und drein, mit den Jüngsten und Kühnsten um die Wette. Schmetternde Fanfaren haben seine Ankunft verkündigt.

Sie kommen! Wer? die Reiter? Nein, vorerst die Herren Hunde. Es ist die königliche Meute, die im Parke des Prinzen Karl, in dem reizenden Glienike bei Potsdam unterhalten wird. Es ist zum größten Theile englische Race und unser heutiges Bildchen stellt den Moment dar, wie sie, die Jagd witternd, in Erwartung des Momentes sind, wo die Fährte „verbrochen“ wird. Der Oberpiqueur Salomon im rothen Jagdrocke, mit dem blanken Hüfthorn um die Schultern und mit dem zarten, aber deutlichen Mahner in der Hand, führt sie. Schnaubend und scharrend bezeigen


Oberpiqueur und Meute.


die Rüden, etwa sechszig an der Zahl, ihre Ungeduld; nur der Respect vor der Hetzpeitsche ihres Führers ist im Stande, sie beisammen zu halten. Von der vortrefflichen Disciplin, in der sie erzogen werden, zeugt der Umstand, daß sie in einem so damwildreichen Revier, wie dem des Grunewalds, dieselbe Fährte festhalten. Sie zählen mit ihrem scharfen Instincte gleichsam die Minuten, bis sie losgelassen werden. Unterdeß ist das zur Jagd bestimmte Wildschwein aus der „Bucht“ losgelassen worden. Fünfzehn Minuten sind seitdem verstrichen – noch fünf Minuten – nun ist der Augenblick da. Der Leithund wird auf die Fährte gelassen – die übrigen Hunde nehmen dieselbe auf – der Oberpiqueur bläst die Jagd an. Voran die Meute, mit Wuthgeheul die Fährte des gehetzten Wildes suchend, ihnen nach der Führer und nach diesem der Leiter der Jagd mit sämmtlichen Jagdreitern und dem Vornehmsten voraus – so geht die verwegene Jagd, durch Dick und Dünn, über Dämme und Gräben.

Unser zweites Bild zeigt uns einen Parforcereiter, wie er auf seinem etwas langgestreckten Gaule eben über ein Terrainhinderniß hinwegsetzt. Zum Sprunge ausholend, macht das Pferd mit schnaubenden Nüstern vielleicht eine letzte Kraftanstrengung. Es hat vor den übrigen einen Vorsprung um einige Pferdelängen; vor ihm her tobt die Meute – das Wild ist in Sicht, und da ist es von den Rüden auch schon „gedeckt“, d. h. erreicht und festgehalten. In gleichem Augenblicke steht auch schon der Gaul; mit einem Sprunge ist der Reiter auf der Erde und legt die Hand an den linken Hinterlauf des Wildschweins. Er hat „ausgehoben“ – er ist Sieger und überläßt es von den Nachkommenden dem vornehmsten Jagdherrn, dasselbe „abzufangen“, d. h. mit dem Hirschfänger zu tödten. Der Forst hallt von dem lauten fröhlichen Jagdruf wieder – das Hallali wird geblasen und aus der Hand desjenigen Herrn, der ausgehoben hat, erhält jeder der beim Hallali anwesenden Reiter einen „Bruch“, d. h. einen grünen Zweig. Das ist so alter Jagdbrauch.

Die königliche Jagd beschränkt sich indeß nicht blos auf die Umgebung von Berlin und Potsdam. Da giebt es im weiten Lande noch viele Jagdreviere mit vorzüglichem Hochwildstande. So ein uralt märkisches ist die „Werbelliner Forst“. Ein wildreicheres Revier giebt es wohl so leicht nicht. Seit einem halben Jahrtausend, und jedenfalls noch viel weiter zurück, ist es zur Brunstzeit ein Sammelplatz von Tausenden von Hirschen, die von weit und breit, selbst aus dem fernen Polen, hierher kommen. Da wird es dann um das stille Jagdhaus Hubertusstock lebendig. Die Zweige krachen ringsum unter den Läufen der Hirsche, und grausig tönt ihr Geschrei über den ruhigen Werbelliner See. Der alte Wärter, der vor dem Jagdhause dann Abends vor der Thür steht, kann merkwürdige Beiträge zu dem Thierleben im Walde liefern, wie die sinnlichen Triebe der Creatur sich rückhaltslos in dem Thiere offenbaren, wie dasselbe nicht minder als das Menschenherz von Leidenschaft und Eifersucht bewegt wird, so daß oft zuletzt ein erbitterter Kampf die Entscheidung herbeiführt, wer die Braut heimführen wird. Wie viele solche Geweihduelle zwischen Capitalhirschen hat der Alte von Hubertusstock gesehen! Ebenso kann er viel von der Gefahr erzählen, welcher die Jäger in der Brunstzeit der Hirsche ausgesetzt sind. Sonst scheu und flüchtig vor dem Menschen, nehmen sie ihn in dieser Periode geradezu an. Hubertusstock hat von allen königlichen Jagdschlössern die meiste Poesie. Hierher führte Kaiser Wilhelm seinen Gast, Victor Emanuel, den waidgerechten Fürsten aus Italien, damit dieser sehen sollte, was eine Jagd in märkischer Haide ist, und daß der Waidmann des Nordlandes für die Romantik der südlichen Landschaft durch den Reichthum des Jagdbaren vollauf entschädigt werden kann.

Weiter muß man von königlichen Jagdrevieren noch Königswusterhausen nennen, den Lieblingsaufenthalt des Vaters Friedrich’s des Großen, und ferner die Göhrde im Hannoverschen. Auf diesen Revieren veranstaltet das Hofjagdamt alljährlich große Treibjagden, zu denen Einladungen an die Prinzen des Hauses, an die Minister, Generale und Hofchargen ergehen. Der Minister des königlichen Hauses, Freiherr von Schleinitz, macht in Abwesenheit des Kaisers dabei die Honneurs. Nicht regelmäßig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_131.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)