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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

umher, daß der armen Membrole Hören und Sehen vergeht, und der Director auf Aushülfe sinnen mußte. Es wurde deshalb in ziemlicher Höhe ein Loch in die Holzwand geschnitten, gerade groß genug zum Durchschlüpfen für Membrole, und dahinter nun ein geräumiger Verschlag für dieselbe eingerichtet. Hier findet sie also in ihren Nöthen stets eine sichere Zuflucht; hier steckt ihr der Director die Delicatessen hinein, die ihr bestimmt sind, weil Mafuca sonst in aller Freundschaft ihr Alles entreißt. Aber auch so sah ich es, daß, als ein feiner Apfel in Membrole’s Gemach spedirt war, Mafuca sofort hinzusprang, den Arm bis an die Schulter in’s Schlupfloch steckte und den Apfel glücklich erwischte. Hat aber hingegen Membrole etwas ihr Zugedachtes wirklich erlangt, dann verhöhnt sie wohl ihrerseits ihre Freundin, indem sie derselben aus dem Loch heraus die Beute lächelnd – denn so sieht sie immer aus – zeigt und dann verschwindet.

Gleich meine erste Anwesenheit vor Mafuca’s Wohnung sollte mir eine interessante Scene bringen Die Essenkehrer waren gerade im Winterhaus in ihrem dunkeln Berufe thätig gewesen und ein kleiner Schornsteinfeger, angethan mit dem ganzen Reiz seiner Erscheinung, trat ebenfalls vor das Gitter, wobei wir ihm natürlich ehrerbietig Platz machten. Wie ganz anders aber wirkte dieses Zeichen auf Mafuca ein! Alles, was sie bisher beschäftigt hatte, war vergessen, und nur der kleine Schimpanse, denn für einen solchen hielt sie offenbar den Schwarzen, nahm ihre ganzen Sinne gefangen. Sie betupfte ihn durch das Gitter mit ihren Fingern, roch dann diese an, um die Echtheit der Farbe zu prüfen, und suchte den kleinen Verwandten zur genaueren Untersuchung näher an sich heranzuziehen. Wir bauten darauf den Plan, später eine noch anziehendere Scene dadurch herbeizuführen, daß wir bei Abwesenheit des Publicums diesen oder einen andern Schornsteinfeger mit in das Zimmer Mafuca’s hereinnehmen wollten. Aber dieser schöne Gedanke scheiterte an ihrer Unzuverlässigkeit. Denn als sie dann später wieder einen Kaminfeger, allerdings einen andern, erblickte, trat sie sofort feindlich gegen ihn auf, zog ihn zwar auch an sich, aber blos um ihn zu beißen, so daß alles Weitere unterblieb. Noch später, als einmal unaufgefordert ein erwachsener Schornsteinfeger zu ihr in’s Zimmer getreten ist, hat sie denselben so durch Bisse und Kratzen angefallen, daß dessen schleunigste Entfernung nöthig wurde. Es muß so etwas, wie Concurrenzneid bei ihr aufgetaucht sein, ein Gefühl, das ja selbst bei uns herrlichen Menschen, vom Schleußenräumer bis zum göttlichen Dichter, nicht ganz selten ist, und selbst bei den sonst tadellosen Malern vorkommen soll.

Selbstverständlich geht Mafuca mit Löffel, Tasse und Topf ganz angemessen um, obgleich sie auch manchmal zur Abwechselung den Kopf in den dastehenden Blechtopf steckt, um bequemer zum Ziele zu kommen, wenn der Director eben nicht hinsieht. Dieser nämlich bringt aus gewissenhafter Fürsorge für das Wohl des wichtigen Pfleglings demselben täglich sein reichliches Frühstück selbst und ebenso Nachmittags den Thee, und diese Zeiten sind nun allerdings die, wo Mafuca ihre ganzen Talente entfalten kann. In kühnem Bogen schwingt sie sich ihrem Pfleger entgegen, umarmt ihn zärtlich und küßt ihn, untersucht dabei seine Taschen nach mitgebrachten Delicatessen und ist im Nu an der Decke, wenn sie etwas wegstibitzt hat. Kann sie den Schlüssel zur Eingangsthür erwischen, so steckt sie denselben sofort in’s Schlüsselloch, und schließt auch auf, wenn der Außenriegel nicht vorgeschoben ist. Dabei sieht sie sich aber, ganz mit der Miene eines vorsichtigen Gauners, immer um, ob sie bemerkt wird, und wie der Blitz schwingt sie sich nach oben, wenn ihr Herr sie hindern will. Beim Sägespähnstreuen, wenn die Dielen gekehrt werden sollen, ist sie äußerst behülflich, und mit geschwungenem Arm greift sie in den Kasten, um mit königlicher Freigebigkeit die Spähne umherzuschleudern. Ebenso ist Mafuca’s Anlage zur Scheuerfrau eine außerordentliche. Wird ihr ein Waschlappen zur Verfügung gestellt, so taucht sie denselben mit großer Umsicht in ihren Blechtopf, ringt ihn aus, fängt manchmal wirklich an, die Dielen oder die Bretterwand zu scheuern, und springt mit dem Lappen in ihrem Salon herum, daß die Nässe den Zuschauern hinter dem Gitter in das Gesicht spritzt. Der durch diese Drangsale immer nachgiebiger werdende Lappen geht natürlich bald auseinander, und Mafuca ist gern bereit, ihn dabei durch Reißen zu unterstützen, windet sich dann den kläglich Gedehnten graziös um die haarigen Schultern und Arme, und nachdem sie so abermals herumgetollt, geht das Eintauchen und Ausringen von Neuem los, bis der Topf leer ist und ihr etwas Anderes gereicht wird.

Mafuca ist eine wahre Tausendkünstlerin. Sie ist eben im Begriff, eine neue Kunstfertigkeit zum Besten zu geben: sie zieht ihrem Herrn die Stiefeln aus. Das hat sie keineswegs erst in Dresden gelernt, denn der Director Schöpff, als sie ihn so bediente, war selbst erstaunt darüber, und sogar ihr vorheriger Herr, der mehrere Jahre in den holländischen Factoreien Westafrikas gewesen war und sie von dort mitgebracht hatte, kannte diese ihre Fertigkeit nicht. Daß die Schimpanses dort schon Stiefeln tragen, ist von den Naturforschern noch nicht behauptet worden. Es muß Das also seine eigene Bewandtniß haben. Genug, es ist ein urkomischer Anblick, wenn Mafuca die Stiefeln ihres Herrn kunstgerecht mit der einen Hand an der Spitze, mit der andern an der Ferse erfaßt und nun, sich stemmend, ruckweise dieselben auszieht, wobei sie gewöhnlich zuletzt auf den Rücken fällt. Dann sucht sie selbst dieselben anzuziehen, fährt, wenn Das mit dem Fuße zu langsam geht, mit dem Arme hinein und schwingt sich nun so am Seile empor, und mit der Hand tief im Stiefel, benutzt sie dieselbe immer noch zum Klettern. Wer denkt dabei nicht an die famose Affenfangmethode mit den geleimten Stiefeln?

Den höchsten Grad von Uebermuth zeigt Mafuca, wenn Jemand anders als der Director sie besucht. Denn vor diesem hat sie selbstverständlich immer einigen Respect, und deswegen flüchtet sich auch Membrole auf dessen Schulter, wenn sie doch bei der Partie sein will; aber jeder Andere ist für Mafuca der willkommene Gegenstand ihrer tollsten Laune. Das Bild stellt dar, wie einer der Wärter in Mafuca’s Zimmer tritt. Wie ein schwarzer Kobold schwingt sie sich mit lachender Miene auf denselben los, sitzt ihm sofort im Nacken, stampft mit dem Fuße auf ihm herum, um ihn dann, an dem Seile in die andere Ecke fliegend, auf einen Augenblick zu verlassen, aber schon im nächsten ist sie wieder da; hörbar kichernd erfaßt sie ihn abermals, tractirt ihn mit einigen ganz correcten Ohrfeigen, reißt an den gar nicht mehr überzähligen Haaren und packt ihn an der Nase, als wolle sie dieselbe entwurzeln, so daß der Arme gar nicht weiß, welche Stellungen er zum Schutze der verschiedenen bedrohten Gegenden annehmen soll. Der Eifer, welchen dabei beide Parteien entwickeln, die eine, um die Gelegenheit zum Juxe möglichst auszubeuten, die andere, um dem zu groben Spaße zu entgehen und sich den Rückzug zu sichern, war in der That hochkomisch, und um so mehr, je schneller die immer mit Lachen ausgeführten Angriffe Mafuca’s geschahen. Werfen oder schlagen mit einem Stock oder dergleichen kann Mafuca so wenig wie andere Affen; denn das stoßartige Vorstrecken des Armes mit gleichzeitigem Fallenlassen eines Gegenstandes ist kein Werfen.

Das schon erwähnte Aufstampfen mit dem Fuße übt sie überhaupt sehr gern aus, besonders wenn sie mit Membrole herumjagt und diese sich unter den Stuhl, den Tisch oder die Bettstelle versteckt; dann springt Mafuca auf das betreffende Möbel hinauf und stampft so dröhnend mit dem Fuße darauf, daß die kleine Membrole stets erschreckt hervorfährt. Uebrigens stellt sich Membrole nicht selten zur Wehr und schlägt manchmal ihre große Freundin in die Flucht.

Töne hört man von Mafuca nicht weiter als das erwähnte Kichern und das allen Schimpanses eigenthümliche O, O, O, welches als Aeußerung sehr verschiedener Empfindungen zu gelten pflegt. Es müssen schwere organische Hindernisse sein, welche es diesem großen Affen unmöglich machen, Wörter nachzusprechen. Bei dem Menschen knüpft sich an die Entstehung der Sprache erst die Möglichkeit des eigentlichen Denkens, denn außerdem können wir uns nur Bilder und Töne vorstellen, und auch die Entstehung des Bewußtseins, dieses räthselhaften Vorganges im anwachsenden Menschen, dürfte nicht außer Zusammenhang damit stehen. Mafuca hat offenbar noch kein Bewußtsein, wohl aber scheint sie schon Gewissensanfänge zu bekommen, denn wenn sie zum Beispiel manchmal durch ihre Plumpheit dem Director wehe gethan hatte und dieser den Schmerz äußerte, so näherte sie sich reuevoll, suchte ihm die Hände aus dem Gesicht zu schieben und ihn durch Küssen zu versöhnen. Diese Gewissensregungen scheinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_066.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)