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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

sämmtlich Novellen, die Fräulein von T– verfaßt haben will – und trotzdem erwähnt die Briefschreiberin mit keinem Wort ihrer Autorschaft der Werner’schen Romane, mit keiner Silbe ihrer Affairen mit dem zur glücklichen Stunde verschwundenen Herrn Enke oder ihrer an die Redaction der Gartenlaube früher abgesandten Reclamationen. – Von unserer Redaction ward dieser Brief einige Tage nach Empfang, am 4. November, geschäftlich dahin beantwortet, daß man um Einsendung der Novellen – mit Ausnahme der Bauerngeschichte – ersuche. Eine Erwiderung darauf, resp. Einsendung der offerirten Manuscripte ist nicht erfolgt.

Als der von uns gestellte Termin abgelaufen war, ohne daß Fräulein von T– die verlangte Erklärung abgegeben hatte, wandte sich der Unterzeichnete Redacteur nochmals an Herrn Aigner und bat namentlich um schnelle Rücksendung des T–’schen Briefes, die denn auch mit der nachfolgenden kurzen Zuschrift des Herrn Aigner alsbald erfolgte:

Pest, 20. Juli 1873.

     Herrn E. Keil in Leipzig!

Anbei sende ich, Ihrem Wunsche gemäß, den Brief von Fräulein von T– mit dem Bemerken zurück, daß sich dieselbe zu der gewünschten Erklärung nicht verstehen will, da sie wohl schweigen, nicht aber schriftlich erklären könne, daß sie nicht die eigentliche Verfasserin der Werner’schen Novellen sei. Nachdem sie – ihrer Angabe nach – doch nicht so ganz ohne Beweise ihrer Autorschaft dasteht, als angenommen zu werden scheint, so sieht sie einer Erklärung der Gartenlaube ruhig entgegen und wird die Antwort darauf nicht schuldig bleiben.

      Damit habe ich mich meines Auftrages entledigt und zeichne

hochachtungsvoll
L. Aigner.

Einer solchen „bodenlosen Frechheit“ gegenüber (siehe Aigner’s ersten Brief) wäre längeres Schweigen Verbrechen. Reisen und Sommerfrischen der beiden Hauptbetheiligten, d. h. des Fräulein Buerstenbinder, und des Redacteurs, konnten zwar die Veröffentlichung dieser Angelegenheit um einige Wochen verschieben, sie dürfte aber heute immer noch zeitig genug kommen, um unsere Leser zu überzeugen, welchen Intriguen und Angriffen, abgesehen von tendentiösen Schmähungen der clericalen Partei, eine Schriftstellerin ausgesetzt ist, deren zeitgemäße Schöpfungen einen ungewöhnlich raschen Erfolg errungen haben.

Ein Wort der Vertheidigung zur Entlastung Werner’s hier anzuführen, hieße Fräulein Buerstenbinder beleidigen. Es bedarf auch nicht unserer wiederholten Versicherung, daß alle in den verschiedenen Briefen des Fräulein von T– angeführten Reclamationen und Manipulationen, soweit dieselben Fräulein Buerstenbinder und uns betreffen, vollständig erlogen sind, da weder die Verfasserin des „Glück auf“, noch unsere Redaction – außer dem oben angeführten Brief und vielleicht (?) einem Begleitschreiben zu Gedichten – jemals eine Zuschrift von der genannten Dame oder von dem mysteriösen Enke empfangen haben. Wir wollen ferner still darüber hinweggehen, daß die Erzählung „Am Altar“, welche unleugbar unter dem directen Einflusse der 1870 noch gar nicht existirenden altkatholischen Bewegung geschrieben ist, unmöglich schon Ende des genannten Jahres fix und fertig vorgelegen haben kann, wie Frl. von T– behauptet. Ebenso wird es unsern Lesern gegenüber nicht noch einer besonderen Hinweisung bedürfen, daß die ganze Erzählung des ruhmsüchtigen Fräuleins schließlich nur auf ein unsauberes Manöver hinausläuft, den eigenen überall zurückgewiesenen Geistesproducten Eingang in die Literatur zu verschaffen und dabei das Nützliche mit dem Angenehmen zu vereinen. Der Zweck scheint denn auch nach der Erklärung des Herrn Aigner, der offen zugiebt, bei der Sache geschäftlich interessirt zu sein, bereits erreicht, und das bisher ungedruckte Manuscript einer Reihe von Novellen, die „in Stil und Tendenz den früheren ganz gleich“, glücklich placirt zu sein. Niemand wird zweifeln, daß es sich auch recht gut ausnehmen würde, wenn auf das Titelblatt dieser etwaigen Novellensammlung nur die einfache Bemerkung gesetzt werden dürfte: Verfasserin der Romane „Ein Held der Feder“, „Am Altar“, „Glück auf!“.

Gleichwohl würden wir die so widerliche und bis jetzt private Angelegenheit nicht in die Oeffentlichkeit bringen, wenn nicht von anderer Seite ähnliche verdächtigende Aeußerungen gefallen wären, die sämmtlich auf obige trübe Quelle zurückzuführen sind. Es handelt sich zudem um eine Angelegenheit von principieller Tragweite, welche die Aufmerksamkeit aller literarischen Kreise verdient, und gleichzeitig um Aufdeckung eines Bubenstückes, wenn wir uns überhaupt einer Dame gegenüber so ausdrücken dürfen. Stelle man sich nur den Fall recht deutlich vor!

Eine reichbegabte, überaus talentvolle Schriftstellerin erobert binnen kurzer Zeit mit den Erzeugnissen ihres stillen und angestrengten Schaffens die Gunst der Leserwelt, so daß ihre Erzählungen in verschiedene Sprachen übersetzt werden und in vier- und sechsfachen dramatischen Bearbeitungen über die Bühne gehen. Bescheiden verbirgt sie sich hinter einem fremden Namen, aber alle irgend Eingeweihten wissen, daß sie eine Persönlichkeit von fleckenlosestem Rufe ist, überdies aber ihre mehr als sorgenlose Lebensstellung jeden Verdacht eines unehrenhaften Eigennutzes ausschließen muß. Und eine solche Dame muß plötzlich hören, daß sie von einer Schwindlerin oder Irrsinnigen in den verschiedensten Kreisen Oesterreichs der schimpflichen Handlung beschuldigt wird, sich mit fremden Leistungen geschmückt und zur Erzielung größerer Honorare fremde Manuscripte benutzt zu haben, die Eigenthum einer fernen Unbekannten sind – ja, mehr noch, sie muß die Erfahrung machen und es sich gefallen lassen, daß von fernher ein sonst ehrenwerther Buchhändler an das Gerechtigkeitsgefühl der Gartenlauben-Redaction „gegen sie und für jene betrogene Unglückliche“ appellirt und daß diese Letztere schließlich noch so herzensgut und mitleidig sein will, „über den ihr (man höre!) gespielten Betrug zu schweigen“.

Da war es doch wohl unsererseits eine Pflicht, das Schweigen zu brechen und ein so freches Spiel beim rechten Namen zu nennen. Fast scheint es, als ob Gaunereien dieser Art in den Schwang kommen sollten. Seitdem einzelne Frauen mit so außerordentlichem Erfolg die schriftstellerische Laufbahn betreten, hat sich eine wahre Tollheit waghalsigen Nachstrebens verschiedener abenteuerlicher weiblicher Köpfe bemächtigt. Auch eine andere berühmte und hochverehrte Erzählerin der Gartenlaube ist früher von ähnlichen rohen Angriffen und Klatschereien nicht verschont geblieben. Es ist Zeit, daß das Publicum anfängt sich selbst und seine Lieblinge gegen leichtsinnige Verleumdungen zu schützen, zumal wenn es, wie es scheint, hier und da gelingt, selbst ruhig denkende und nüchterne Männer zu bethören.

      Leipzig, den 15. Oktober 1873.

Die Redaction der Gartenlaube.
Ernst Keil.


Erinnerungen aus dem letzten Kriege.
Nr. 13. Die Kirche von Argenteuil.

„Die Franzosen sind heute wieder ganz des Teufels,“ meinte mein Corporalschaftsführer, indem er sich niederwarf, um nicht von den herumfliegenden Granatsplittern getroffen zu werden. „Sowie die Zeit der Ablösung kommt, beginnen sie zu knallen, als ob’s zum Sturm losgehen sollte.“

„Wie die Kerle im Dunkeln nur so genau zielen können! Die Schanze ist ganz neu und bei Nacht aufgeworfen, und selbst Spione können kaum etwas von ihr wissen.“

„Spione kommen auch nicht so bald hinein. Aber sie können bei Tage einen Posten bemerkt und so etwas gewittert haben. Das ist nicht so seltsam, als daß sie genau die Ablösungsstunde kennen, obwohl sie doch fast täglich geändert wird.“ Ich hatte mich wieder erhoben und wollte eben einen Schluck aus meiner Feldflasche thun, als eine Granate vor der Brustwehr einschlug und ein Splitter, die Flasche zerschmetternd, mir am Kopfe vorbeisauste. Donnerwetter! Das war doch ein wenig überraschend. Der Kopf brummte mir ordentlich von dem Geräusche, welches das Eisenstückchen gemacht hatte. Und meine schöne Flasche! Nun konnte ich mir eine große Literflasche um den Hals hängen, wenn ich einen Schluck Cognac auf Vorposten mitnehmen wollte.

„Sprich doch einmal mit dem alten Jean!“ meinte ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_716.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)