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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

wenigen Minuten zolldicke Glas- und Steinplatten; es verwandelt dieselben, wenn sie mit einer entsprechenden Schablone bedeckt und vor dem Sandstrahle hin- und herbewegt werden, in zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten in ein aus den zierlichsten Arabesken gebildetes Gitterwerk, wie man es irgend mit der Laubsäge aus dünnem Cigarrenkistenholze schneiden könnte. Und auch hier gilt wiederum, daß die complicirteste Zeichnung in derselben Zeit und mit derselben Arbeitskraft durch die Platte gebrochen wird wie die einfachste. Was nur immer die kunstreiche Hand eines Konewka mit der Scheere aus Papier schneiden konnte, kann hier ohne die geringste Gefahr des Zerbrechens auch aus Glas geschnitten werden. Im Franklin-Institut zu Philadelphia wurde im vergangenen Jahre eine Glastafel vorgelegt, welche dadurch, daß man sie, mit einem feinen Drahtgeflechte bedeckt, dem Sandgebläse ausgesetzt hatte, in ein feines Sieb verwandelt war, dessen linienweite Oeffnungen drei Viertel Linien Abstand besaßen. Ein solches Glassieb zu bohren, würde, wenn die Arbeit überhaupt glückte, wochenlange Bemühung voraussetzen.

Besonders wichtig verspricht die neue Arbeitsmaschine für die Steinmetzkunst zur Erzeugung von Ornamenten, Inschriften etc. zu werden, da sich jede beliebige Härte des Steins durch verstärkte Kraft des Gebläses besiegen läßt. Als Schablonenmaterial haben sich hierbei am besten Guttapercha und Kautschuk bewährt. Eine aus vulcanisirtem Kautschuk gefertigte Schablone von ein Sechszehntel Zoll Dicke erlaubte, einem Dampfsandgebläse von fünfzig Pfund Druck ausgesetzt, fünfzehn Marmorplatten ein Viertel Zoll tief abzuschleifen, ohne selber merklich gelitten zu haben. Von dem Steine war mithin die zweihundertfache Dicke der Kautschukplatte weggeätzt, ohne daß diese unbrauchbar geworden wäre. Sonst kann man sich auch für die rohere Steinarbeit aus Schmiede- oder Gußeisen gefertigter Patronen bedienen, die aber viel schneller abgenutzt werden. Eine ein Fünftel Zoll dicke gußeiserne Schablone diente dabei für hundert ein Fünftel Zoll tiefe Schleifarbeiten in Marmor, worauf sie bis ein Fünfzehntel Zoll Dicke abgenutzt war. Schmiedeeiserne Patronen besitzen, beiläufig erwähnt, eine vier Mal so große Widerstandsfähigkeit. Welche Erleichterungen hiermit für die Steinmetzarbeiten gegeben sind, liegt auf der Hand. Nicht nur daß aus Marmor- oder Alabasterplatten die prächtigsten Ornamente geschnitten oder Inschriften in erhabener und vertiefter Form in kürzester Zeit gearbeitet werden können, auch die gröbere Steinarbeit für Balustraden und alle Arten von steinernen Brücken- und Balcongeländern kann hierdurch geleistet und dabei eine Zierlichkeit der Arabesken erreicht werden, wie wir sie bisher nur an gegossenem oder geschmiedetem Metallgitterwerk zu sehen gewöhnt waren. Wenn es bei dieser Arbeit gilt, größere Massen zu entfernen, so läßt man den Sandstrahl nicht auf die ganze Fläche wirken, sondern umschreibt damit nur den Umriß der zu entfernenden Masse und schlägt, wenn die Umfassungsrinne die erforderliche Tiefe erlangt hat, die mittlere Substanz mit dem Hammer heraus. Um derartige schmale und tiefe Einschnitte hervorzubringen, muß der zu bearbeitende Gegenstand der verschmälerten Ausströmungsöffnung stark genähert werden, während man den Strahl sonst auf zehn bis fünfzehn Zoll Entfernung wirken läßt, wenn es gilt, größere Flächen zu bearbeiten. Bei Anwendung stärkeren Dampfdruckes ist die Ausflußröhre selbst einer sehr schnellen Zerstörung unterworfen; sie dauert, aus geschrecktem Eisen gefertigt, bei einem Dampfdrucke von sechszig bis einhundertzwanzig Pfund, wie man ihn für die letzterwähnten Arbeiten gebraucht, nur zehn Arbeitsstunden und muß dann durch eine neue ersetzt werden. In diese Eisenröhre, der man drei Achtel Zoll Bohrweite giebt, wird der Sand durch eine ein Achtel Zoll weite Centralröhre eingeführt und von hier aus durch die ungestüme Gewalt des rings um deren Mündung strömenden Dampfes mit fortgerissen.

Ungleich dem Guß- und Schmiedeeisen, wird Stahl wegen seiner Sprödigkeit wiederum sehr leicht von dem Sandstrahle angegriffen, und dicke Platten desselben sind in wenigen Minuten durchbohrt. Das Sandgebläse ist daher auch im Stande, bei der so schwierigen Herstellung von Stahlstempeln die gröbere Vorarbeit zu vollbringen, und eben dieselbe kann es bei andern graphischen Künsten, wie zum Beispiel bei der Lithographie und selbst beim Holzschnitt, übernehmen. Platten für Formulare und gröbere Illustrationen können auf Stein im Nu geätzt werden, für feinere Arbeiten muß die Hand dem Schnitte die erforderliche Vollendung geben.

Alle diese bisher beschriebenen Wirkungen des Sandgebläses lassen sich ohne Weiteres verstehen. Die einzelnen, kaum fühlbaren Quarzstückchen des feinen Sandes sind immerhin hart genug, um Marmor, Stahl und Glas zu ritzen, und wenn der Anprall jedes einzelnen Körnchens auch nur eine ganz unmerkliche Spur zurückläßt, so schlagen doch in jeder Secunde Hunderte und Tausende derselben auf den nämlichen Punkt und den „vereinten Kräften“ gelingt das Unglaubliche spielend. Wenn irgendwo, so kann man hier die Macht des Kleinen sehen, wie sie zu mächtigen Wirkungen durch unablässige Wiederholung anschwillt, wie Zwerge Riesenarbeit verrichten können. Die alte Lehre des Ovid, daß der Tropfen den Stein höhlt „non vi, sed saepe cadendo“, nicht durch Gewalt, sondern durch beharrliches Ausschlagen, scheint eigens zur Devise unserer Maschine bestimmt zu sein. Denn auch hier haben wir noch von Anwendungen des Sandgebläses zu reden, bei denen die Quarzkörner Substanzen, die viel härter sind als sie selbst, mit eben der Leichtigkeit wie das Glas und den Granit ätzen und durchbohren. Ein Dampfsandgebläse mit einer Spannung von dreihundert Pfund durchbohrte ein anderthalb Zoll dickes Stück Korund, dessen Härte derjenigen des Diamanten nur sehr wenig nachsteht, in fünfundzwanzig Minuten, ja der „Unbezwingliche“ selber, dem man bisher nur mit seinem eigenen Staube beizukommen wußte, hielt der unwiderstehlichen Gewalt des Sandstrahles nicht Stand und wurde in wenigen Minuten beträchtlich abgeschliffen. Es giebt das ein schönes sinnliches Beispiel von der alten Moral, daß man mit etwas Milde und Nachgiebigkeit oftmals viel weiter kommen kann, als mit der größten Sprödigkeit und Härte; der Sandstrahl, der den Stahl augenblicklich angreift, thut dem Kautschuk kaum merklichen Schaden und kann von der Hand sogar als angenehme Kühlung empfunden werden.

Wenn nun, um auf den Diamanten zurückzukommen, der Anprall des ersten Körnchens auf ihn keine Wirkung übte, so würde begreiflicherweise das hundertste und tausendste den Angriff ebenso wenig fördern können; das Sandkörnchen hat also hier durch die Geschwindigkeit seiner Bewegung eine Macht erhalten, die ihm den Mangel an Härte reichlich ersetzt. Wollte es Jemand versuchen, mit einem Talglichte ein Brett zu durchbohren, so würde ihn Jeder für einen Narren halten; das Unternehmen gelingt aber, wie jedem Physiker bekannt ist, wenn man das Talglicht in ein Gewehr ladet und gegen das Brett schießt. So benutzt man in der Technik kleine, sehr schnell bewegte Stahlrädchen, um Steine, die viel härter sind, als der Stahl, zu schneiden und zu graviren. In der ihnen durch den Dampf oder Luftstrom mitgetheilten „rasenden“ Geschwindigkeit, in dem Elan, wie die Franzosen sagen würden, liegt das Geheimniß der wunderbaren Kräfte des Sandkörnchens.

Im Sandgebläse ist, wie man sieht, eine ganz neue Bearbeitungsmethode gewonnen, die der vielseitigsten Anwendungen fähig ist. Man hat, um noch Einiges anzuführen, den Sandstrahl unter Anderem auch benutzt, um Gebäudefronten schleunigst von altem Schmutze zu reinigen; man kann ihn benutzen, um in Getreidemühlen die zeitraubende Arbeit des Mühlsteinschärfens im Nu zu beenden. In Dampfmahlmühlen, wo die treibende Kraft des Gebläses immer vorhanden ist, dürfte das besonders leicht durchführbar sein. Je nach den zu erzielenden Leistungen, wird man dem Apparate die zweckmäßigste Gestalt geben; die Erzeugung des Gebläses, wie die Zuführung des Sandes ist natürlich der größten Abänderungen und Verbesserungen fähig. In der einen auf der Weltausstellung befindlichen Maschine wirkte ein Dampfstrahl, in der andern ein Luftstrom, welcher von einem in einem Gehäuse eingeschlossenen und durch eine Miniatur-Dampfmaschine in schnelle Bewegung versetzten Ventilator-Schaufelrade erzeugt wurde. Eine der archimedischen Wasserschnecke ähnliche Vorrichtung führt dabei den nach der Wirkung in einen Sammelbehälter fallenden Sand in die Windröhre zurück.

Der Erfinder überläßt die Einrichtung der Gebläsemaschine ganz der Geschicklichkeit und dem Belieben der Mechaniker und hat sich klugerweise nur das Princip, das heißt die Anwendung des durch ein bewegtes Medium fortgerissenen Sandes zu Arbeitsleistungen jeder Art, patentiren lassen. Bisher hatten die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_701.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)