Seite:Die Gartenlaube (1873) 687.JPG

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

wieder schnell mit denselben Wellen zu reisen, an deren Kiesufern sie hinauf pilgern.

Die Wälder liefern Brennholz, welches die Mittenwalder meist nach Innsbruck führen, und Nutzstämme, die auf der Isar hinabrinnen und oft die Donau erreichen, mit Bausteinen, Kohle, Kreide befrachtet. Der Wald ist am schönsten gegen Elmau und gegen Krün hin. Auch in der Umgegend der Wettersteinalp und des Schachen stehen stattliche Forste, und aus jenen ist die Scene geholt, welche der Künstler darstellt. Die Holzfäller rasten, aber schon naht aus der Lichtung im Hintergrunde der Förster, durch dessen Nähertreten die Gruppirung sich wahrscheinlich rasch verändern wird. Das Waldbild vollständig zu machen, fehlten noch die Haufen von Rinden, die zur Einfassung des gewonnenen Peches dienen.

Die Mittenwalder haben besonders in diesem Jahre, mit den Partenkirchenern im Verein, Ursache, über die Almen, Felsen und Wasser sich ein wenig stolz zu fühlen. Denn in der großen Weltausstellung zu Wien sind es von allen deutschen Landschaften nur sie, welche in großen photographischen Blättern und Albums getreu dargestellt sind, nicht in Oelbildern, zu welchen oft der Kunstsinn und die Einbildungskraft ihres Schöpfers Lichter und Gestaltungen beifügt, welche den Eindruck weit über den der Wirklichkeit hinüber erheben, sondern in sclavischer Nachahmung, die das Licht in Zwangsarbeit thut, die aber doch Bilder von solcher Schönheit erzeugt hat, daß es nie an angesammelten Bewunderern fehlt. Es hat dies Johannes zu Partenkirchen gethan, von welchem ich den Lesern schon bei einer Schilderung der dunkeln Partnachklamm erzählte.

Wir brauchen nicht so lange zu warten, um einzusehen, daß die Gegend um Zugspitz, Wetterstein und Karwendel nicht gerade vom blinden Ungefähr im Pavillon der Rotunde so außerordentlich gefeiert wird. Das Berchtesgadener Land vielleicht ausgenommen, giebt es im dermaligen Umfange des deutschen Reiches nirgends Landschaften von gleicher Erhabenheit. Wer im Postgarten beim Biere sitzt, welches hier an der Grenzmark des Baiernlandes mit besonderer Kunstfertigkeit gebraut wird, kann leicht auf dem großen Schneefleck über dem Garten, welchen der Neuling wohl in geringer Zeit zu erreichen vermeint, ein Rudel von Gemsen erblicken, welche sich auf diesem weißen „Kar“ ergötzen. Auch die viel bewunderte Erscheinung des Alpenglühens genießen die Mittenwaldener an schönen Sommer-, noch mehr aber Winterabenden umsonst, wobei ihnen allerdings nachgesagt werden muß, daß sie es während der warmen Jahreszeit am liebsten von genanntem Garten aus betrachten.

Der Nachbar des Karwendel ist die Pyramide des Wettersteins, hier besonders schön zu beschauen. Der Gipfel desselben erhebt sich schroff viertausend Fuß über das Thal, welches selbst schon dreitausend Fuß über dem Meere liegt.

Bei Mittenwald vor der Wettersteinalp. Nach der Natur aufgenommen von G. Sundblad.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_687.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)