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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Tage steigender Ruf hat ihn jedoch weder stolz noch eitel gemacht. Wie seine Freunde versichern, spricht er selbst von seinen überraschenden Erfolgen mit rührender Bescheidenheit, indem er das Hauptverdienst dieser unsterblichen Siege nicht seinem anerkannten Genie, sondern einzig und allein der Tapferkeit des deutschen Heeres, den Anstrengungen der Führer und vor Allem der sichtbaren Gnade Gottes zuschreibt.

Fast überrascht von der Aufmerksamkeit, die seiner Person von allen Seiten gezollt wird, geht in der Regel der alte Held ein wenig rascher seines Weges, bis er wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. Nicht selten aber muß er aus dem Munde der Umstehenden die zwar leisen, aber immer mit Stolz und Bewunderung geflüsterten Worte hören: „Das ist unser Moltke!“

Max Ring.




Ein californischer Vergnügungsgarten.
Von Theodor Kirchhoff.


Die Stadt San Francisco besitzt einen reizenden Erholungsort in ihrer Mitte, welcher in seiner Art kein Seitenstück in Amerika, vielleicht nicht in der Welt, hat – den „Woodward’s Garten“, der den Namen seines Eigenthümers und Gründers führt. Andere Städte haben ohne Frage großartigere Parks, Museen, Aquarien, botanische, zoologische und ähnliche Gärten aufzuweisen; aber dieselben sind fast ohne Ausnahme durch Staats- oder städtische Mittel, oder von Actiengesellschaften in’s Leben gerufen worden und werden als öffentliches Gemeingut betrachtet. Hier hingegen hat ein reicher Privatmann, ganz auf sich angewiesen und unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen, alle jene Anlagen und Einrichtungen vereint hergestellt und damit eine in der That ganz außerordentliche Fülle von Sehenswürdigkeiten und Unterhaltungen der verschiedensten Art verbunden. Inmitten eines wahren Sandchaos, am Westende des städtischen Weichbildes, liegt jener prächtige Garten und Vergnügungsort. Durch Anwendung zahlreicher Sprüh-Fontainen wurden auf dem sandigen Boden, der nur einer reichlichen Bewässerung bedarf, um eine üppige Vegetation aus ihm hervorzurufen, parkähnliche Anlagen geschaffen, welche jedem Kunstgarten Deutschlands zur Zierde gereichen möchten.

Eine Fahrt von einer halben Stunde in einem der zahlreichen Straßenbahnwaggons, die alle gedrängt voll Menschen sind, bringt uns vor das Portal des mit einer hohen Holzringmauer umschlossenen Gartens, welcher sich schon von fern durch die vielen von seinen fremdartigen Gebäuden wehenden Fahnen bemerkbar macht. Amerikanische, französische, englische und deutsche Flaggen wehen dort nebeneinander und kennzeichnen den kosmopolitischen Charakter des Etablissements. Ueber dem Eingangsthore paradiren in Lebensgröße zwei gewaltige, aus Holz geschnittene Grisel-Bären, das Wappen Californiens darstellend. Die in das weitgeöffnete Portal hineinströmende Menge besteht aus einem Gemisch aller diese Großstadt bewohnenden Nationen, und sogar der langzopfige sparsame „John Chinaman“ und die schiefäugigen Töchter des himmlischen Reiches – auf wackelnden Kahnpantoffeln, mit Pumphosen, Kittel und zusammengekleisterter Schmetterlingsfrisur – sind mitunter so verschwenderisch, die zwei Bit Entrée (ungefähr zehn Groschen, die hier einen Werth von etwa zwei und einem halben Groschen repräsentiren) nicht zu scheuen, welche Jedem den Zutritt zu allen Herrlichkeiten des Woodward-Gartens geben. Doch bilden unsere deutschen Landsleute an Sonntagen dort stets die überwiegende Zahl von Besuchern, und nicht selten erinnern unter dem Menschengewühle die schmucken Uniformen und blitzenden Helme der Füsiliere und die Käppis der deutschen Jäger an die ferne Heimath.

Wir wollen indeß die Anlagen und Sehenswürdigkeiten dieses californischen Vergnügungsortes etwas näher betrachten. Inmitten saftiggrüner Rasenplätze und anmuthiger Bosquets liegen große Glashäuser und Orangerien, voll von einheimischen und exotischen Pflanzen, und in einem der Hauptgebäude befindet sich ein Museum mit reichhaltigen Sammlungen von Fossilien, thierischen Mißgeburten, indianischen und anderen Curiositäten, Münzen etc., worunter ein Cabinet von 1587 Stücken werthvoller japanesischer Mineralien, wie man behauptet, das vollständigste seiner Art, welches bis jetzt von dem ostasiatischen Inselreiche nach Europa oder Amerika gebracht worden ist. Die hier in großer Menge zur Schau gestellten ausgestopften Vierfüßler, Vögel und Amphibien etc. bilden eine der besten Sammlungen ihrer Art in Amerika. In einem anderen Gebäude treffen wir eine für hiesige Verhältnisse ganz ansehnliche Kunstgalerie, meistens Gemälde, sowie einige Statuen.

Den hier und dort mit Götterfiguren geschmückten Garten durchwandernd, sehen wir auf den weichen Rasenteppichen zahme Rehe und Antilopen und müssen einem großen Pelikan Platz machen, der ungenirt daherspaziert kommt. Eine prächtige Fontaine ergießt sich über einen hohen Felsbau, und Schwimmvögel aller Art beleben die Teiche und Flüßchen. Ein Wassercaroussel – bestehend aus einem schmalen mit Rudern und Segeln versehenen, reifenartigen cirkelrunden Boote, welches Sitze für hundert Personen hat und sich unablässig auf den Fluthen eines kleinen Sees herumdreht – ist stets von jubelnden, eifrig rudernden Knaben und Mädchen dicht besetzt; auf gewaltigen Schwingleitern sausen Andere haushoch hin und her durch die Luft; wieder Andere reiten, etwa ein Dutzend und mehr auf einmal, aus einem mit einer wahren Engelsgeduld gesegneten Dromedare, fahren in niedlichen mit Ziegenböcken bespannten Wägelchen, oder versuchen einen Ritt auf einem Maulesel, der nach einigen Schritten jedesmal den Kopf zwischen die Vorderbeine nimmt und, hoch hintenausschlagend, seinen Reiter unter dem Gelächter der Zuschauenden in den Sand bettet. Auf einem vom Hauptgarten getrennten geräumigen Platze, wo sich auch die meisten wilden Thiere befinden, ist ein Amphitheater, um dem Publicum Gelegenheit zu geben, mitunter japanesischen Akrobaten und Tausendkünstlern, olympischen Wagenrennen, Paraden der Miliz, dem Aufsteigen von Luftballons etc. zuzusehen.

Die zoologischen Abtheilungen sind besonders reichhaltig. In einem tropischen Thierhause wohnen Alligatoren aus Mexico, Iguanas und Armadillas aus Centralamerika, Gold- und Silberfasanen aus Japan, ein Vampyr und prächtig befiederte australische Vögel in Eintracht beisammen. Wilde Thiere – kolossale californische Grisel-Bären, bengalische Tiger, Hyänen, californische Löwen, Alaska-Bären, Jaguare, Llamas, Waschbären, Büffel, Pumas und viele andere Vierfüßler – nebst Schlangen und einer Unzahl von Vögeln aus allen Welttheilen begegnen uns auf Schritt und Tritt, theils hinter wohlverwahrten Gitterstäben, theils mehr oder weniger sich der Freiheit erfreuend. Die allen Thiergärten stereotype „glückliche Familie“ und unsere angeblichen Vorfahren im „Affenhause“ finden auch hier stets ein zahlreiches und bewunderndes Publicum.

Unter den Thieren bilden die Seelöwen in zwei großen, mit hochaufgebauten Felsinseln versehenen Bassins für Alt und Jung das höchste Interesse. Zur Fütterungszeit sind die nahe bei den Bassins aufgeschlagenen Gerüste stets schwarz von einer neugierigen Menschenmenge. Die ungeschlacht aussehenden Kolosse, von denen einige bis fünfzehnhundert Pfund wiegen, klettern mit ihren großen Schwimmflossen, welche sie wie Füße benutzen, mit staunenswerther Behendigkeit auf die steilen Felsen, brüllen einander grimmig an, recken die mächtigen Schultern und stürzen sich jählings in die hochaufspritzenden Fluthen nach den hineingeworfenen Fischen, verfolgen sich, jagen sich den Raub ab, schwimmen mit pfeilähnlicher Schnelligkeit hin und her und balgen sich miteinander, wobei die kleineren Seehunde stets vor ihren riesigen Stammesgenossen die Flucht ergreifen. Wenn die fremdartigen gewaltigen Thiere oben auf der Klippe Siesta halten, werden sie mitunter von den Wärtern mit langen Stangen aufgestört, blicken die Zuschauer mit verglasten Augen an und machen ihrem Unwillen mit sonorem Brüllen Luft. Uns San Franciscanern, die wir die berühmte Seelöwencolonie auf den sogenannten „Seehundsfelsen“ im Oceane nahe beim „Cliffhause“ oft gesehen und uns dort an dem Leben der riesigen Meeresbewohner in ihrer Freiheit ergötzt haben, gereichen diese Gefangenen in Woodward’s Garten, welche wir als eine specielle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_665.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)