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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


„– nur ein Bischen arm. Ja, mein Gott, dafür hat er ja sein Einkommen, und er sagt, daß er von uns gar nichts haben wolle und auf sich selbst stehen könne, jetzt und künftig, aber daß ihm da Niemand widersprechen solle, der ihn lieb habe – auch der Vater nicht.“

Der Meister wurde feuerroth. „Was ist’s denn aber?“ rief er, „das wird der Vater doch wohl wissen können?“

Sie nahm seine Hand und streichelte sie. „Thu’ doch nicht so, Gotthilfchen,“ schmeichelte sie, „als ob Du nichts gemerkt hättest! Siehst Du, mir hat Keiner etwas gesagt und ich habe doch Alles gewußt. Aber wenn Du ein Weilchen warten willst – er ging seine Braut abholen. Und da geht eben die Thür, wenn ich recht höre, und wahrhaftig! – da sind sie.“

Der Assessor trat mit Ottilie in’s Zimmer. „Vater,“ sagte er, „wenn Du sie nicht anerkennst, hast Du keinen Sohn mehr!“ Ottilie aber warf sich an seine Brust und rief: „Ich kann ja doch nichts dafür, daß er mir gut ist.“

Meister Lange kämpfte noch mit sich, aber nur einen Augenblick. Dann schloß er die beiden Verlobten in seine Arme und küßte sie herzlich. „Ich werde bald sterben,“ schluchzte er, „ich habe gar keine Galle mehr.“ – –

Zur Hochzeit bin ich auch eingeladen gewesen und habe zwischen dem Meister Lange und der Frau Geheimräthin gesessen. Gegenüber saß der Doctor, der mich einmal in das Haus eingeführt hatte, zwischen der alten Mama und einer Schwester des Meisters, die aus dem Stift herübergekommen war, um das wichtige Familienfest mitzufeiern. Obenan hatten Bräutigam und Braut ihren Platz und unten der Altgeselle den seinigen neben dem Bruder der Braut. Das hatte Meister Lange sich nicht nehmen lassen. Der kleine Schuh der Prinzessin von Polen stand mitten auf dem Tisch unter vielen Blumen; der aber über dem Sopha, der alte Herr Pfarrer im schwarzen Talar, mit dem eisernen Kreuz auf der Brust, sah heute so froh aus, als ob er sagen wollte: der Starke zwingt’s!



Federzeichnungen von der Wiener Weltausstellung.
2. Der Tempel des Pflugs.


Wenn man den gewaltigen Industriepalast der ganzen Länge nach von Westen nach Osten durchschritten hat und, durch die wunderliche japanische Galerie mit ihren sorgsamst ausgeführten Mißformen wandernd, gen Norden in’s Freie tritt, so befindet man sich einem zierlichen Bauwerke gegenüber, das mit spitziger Kuppel und vielen Eckthürmchen, auf deren Flaggenstöcken die Fahnen des Kaisers und des Landes wehen, sich in der bunten Umrahmung gut genug ausnimmt, um an und für sich Beachtung zu beanspruchen. Es wird überragt von mächtigen Mastbäumen, Producten der Urwaldgebiete des vielgegliederten Länderconglomerats; vor ihm erheben sich Felsgruppen aus dinarischem Alpengestein, überrieselt von murmelnden Wassern; zwischen den Spalten drängt sich die reiche Alpenflora in’s Sonnenlicht heraus; üppig blühen die Rhododendren, das Edelweiß, die Gentiane, der Alpenehrenpreis und hundert andere Gewächse der Gletschernähe in der völlig fremden Umgebung. Daneben steigt scharf zerrissenes Gestein auf; es wölbt sich zu einer kühlen Karstgrotte, deren Stalaktiten der berühmtesten aller europäischen Höhlen, der Adelsberger im Lande Krain, entstammen. Riesige Schiffsbauhölzer auf der einen, vielhundertjährige Weinstöcke auf der andern Seite schließen den Rahmen des stimmungsvollen Bildes. Sein Mittelpunkt aber ist der „Tempel des Pflugs“.

So kann mit Recht der Pavillon des österreichischen Ackerbauministeriums genannt werden, denn er enthält, neben anderen höchst schätzenswerthen Objecten, eine Sammlung, wie sie nie und nirgends zuvor gesehen worden ist, ein Unicum in der ganzen Welt. Es ist dies die „historische Pflugsammlung“, welche in nahezu zweihundert Exemplaren aus allen Theilen der Erde die Geschichte, die Entwickelung des unentbehrlichsten Geräthes der Menschheit von seinen ersten Anfängen bis zu der höchsten Vervollkommnung der Neuzeit darzustellen beflissen ist. Sie nimmt den größten Raum des umfangreichen Ausstellungsgebäudes ein und gehört unstreitig zu den interessantesten Gegenständen der großen Industrieschau, zu denen, welche auch den Laien anziehen; kaum eine andere Sammlung erfreut sich eines solchen Zuspruchs und Verweilens seitens des Publicums, wie diejenige des „Dings, das Wenige schätzen“. Es war ein guter und zeitgemäßer Gedanke, der sie in’s Leben rief, die Ausführung würdig eines Staates, dessen unerschöpfliche Hülfsquellen wesentlich der Bodencultur entfließen, der in den Bestrebungen für deren Hebung und Veredelung allen anderen neuerdings mit leuchtendem Beispiele vorangeht. Dieser Tempel, der dem Pfluge errichtet worden, strahlt heller, als alle die Altäre der Weltgötzen, mögen sie noch so sehr flimmern und glitzern: denn er ist dem wahrhaft Göttlichen im Menschen gewidmet, der Arbeit! Der Pflug ist das Symbol der Menschheit: Erst als er erfunden oder gefunden war, schied sie sich von dem thierischen Barbarenthume der dunkelsten Vorzeit. In dem prachtvollen Gedichte „Das Eleusische Fest“ hat Schiller dieser Thatsache poetischen Ausdruck verliehen: als die Göttin die Wucht des Speeres aus des Jägers rauher Hand nahm, um damit den Boden zur Aufnahme des goldenen Saatkorns zu furchen, da begann die Civilisation durch die Stiftung des ewigen Bundes mit der mütterlichen Erde, „auf daß der Mensch zum Menschen werde“.

Und doch, wie gering ist auch heute noch der Pflug geachtet, wie wenig gekannt. Nicht viele unter den Gebildeten haben sich ihn mehr als oberflächlich angesehen, wissen mehr davon, als daß er ein Werkzeug ist, bestimmt, die Erde zu bearbeiten; das aber ist, ihrer lächerlichen Meinung nach, das niedrigste Thun, nicht werth, daß man davon redet.

Damit aber die hohe Bedeutung des Pfluges für das Wohl und die Sittlichkeit des Menschengeschlechts völlig erfaßt, damit er und der Stand, der ihn führt, nicht mißachtet, über die Achsel angesehen werde, dazu müssen Bildung und Belehrung vor Allem helfen. Diese zu bieten ist denn auch der Zweck der Ausstellung im „Tempel des Pflugs“, und fürwahr, wer hier lernen will, der kann es, ohne viel mehr Anstrengung, als mit offenen Augen und empfänglichem Sinn zu betrachten und zu vergleichen. Die mit vieler Mühe und großen Kosten aufgebrachte Sammlung der Pflüge aller Länder und Zeiten umfaßt die merkwürdigsten Instrumente, sowohl an und für sich, durch ihre Construction oder Herkunft interessant, als auch dadurch, daß nicht wenige davon Originale sind, welche sich in der Hand berühmter Landwirthe befunden haben, so in der von Thaer, Schwerz, Burger, Dombasle, Grangé und Anderen mehr. Einige davon sind von den Gebrüdern Schlagintweit aus Innerasien, andere von der österreichischen ostasiatischen Expedition mitgebracht, die meisten aber durch die Consulate im Auslande, durch die Landwirthschaftsgesellschaften im Inlande bezogen worden. Es befinden sich die wunderbarsten Formen und Seltenheiten darunter. Hier der schottische Fußpflug, Cashroom, nur noch in Roßshire und auf den Hebriden gebräuchlich, der, mit Hand und Fuß geschoben, zum Abschälen der Haideplaggen dient; neben ihm der zierliche Reispflug von der Insel Ceylon, den ein Kind auf der Achsel davontragen kann. Dort ein Ackerwerkzeug aus Siam, welches genau den altägyptischen Pflügen entspricht, wie sie vor sechstausend Jahren an die Wände der Gräber und Tempel gemalt wurden; nicht weit davon das ungefügige Monstrum, das heute noch zum Umbrechen des „Römischen Ackers“ der Campagna dient, offenbar ein Nachkomme des alten Römerpfluges. Von diesem letzteren ist ein eisernes Schar vorhanden, das auf den berühmten Feldern von Aquileja neben Kaisermünzen gefunden worden ist. Es befindet sich, als eine Kostbarkeit ersten Ranges, in einem besonderen Glaskasten neben den Nachbildungen zweier altägyptischer Hakenpflüge des Museums zu Bulak bei Kairo, und zwar aus vieltausendjährigem Holze der Pyramiden von Sakkarah; sodann sind hier die ältesten Bodenculturgeräthe der Menschheit, Original-Feldhauen aus der Steinzeit, in mehreren Exemplaren angebracht. Höchst interessant ist auch ein sonderbarer Pflug aus dem südlichen Tirol; er wurde nach einem Wandgemälde von Tizian im Palazzo delle Albere, welchen Cardinal Madruzza in den Jahren 1540 bis 1545 erbaute, getreulichst angefertigt. Sonst reichen die vorhandenen ältesten Pflüge wenig über ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_565.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)