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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


„Ist er ein Freigeborner? Ist er ein Freund und Vertheidiger des wahren Glaubens? Wird er ein gerechter Richter, ein Beschützer der Wittwen und Waisen, der Armen und Unglücklichen sein?“

„Wir geloben Dir, daß er dies ist und sein wird. Er wird Dir einen Eid schwören. Du sollst sechzig Pfennige, den gefleckten Stier und das Pferd erhalten, und Dein Haus wird frei von allen Abgaben sein.“

Hierauf gab der Bauer dem Herzoge einen Backenstreich, ermahnte ihn, sein Versprechen zu halten und entfernte sich, die beiden Thiere mit sich fortführend. Der Herzog bestieg hierauf den Stein, schwang, auf demselben stehend, das entblößte Schwert nach allen Seiten und gelobte, ein gerechter Richter und Vertheidiger des Glaubens sein zu wollen. Zuletzt that er aus seinem Bauernhut einen Trunk frischen Wassers und beendete damit die Feierlichkeit. Nun begab sich der Herzog mit allem Gefolge in die Kirche zu Maria-Saal, wo ein Prälat die Messe las und den Herzog, noch im Bauernkleide, segnete. Erst zum darauf folgenden Mahle erschien er im fürstlichen Gewande. Nach aufgehobener Mahlzeit begab sich Alles auf das Zollfeld, wo der Herzogstuhl steht.

Der Herzogsstuhl bei Klagenfurt.

Dieser hat zwei durch eine Rücklehne getrennte Sitze. Auf dem gegen Ost gekehrten nahm der Herzog Platz, empfing die Huldigung, sprach Recht und vertheilte die Lehen; auf dem andern ließ sich der Graf von Görz nieder und vertheilte die ihm in Kärnthen zustehenden Lehen, womit die ganze Inaugurationsfeier zu Ende war.[1]

In späterer Zeit entzogen sich die Landesfürsten der Einsetzungsceremonie in Karnburg und empfingen nur, auf dem Herzogsstuhle sitzend, die Huldigung der Landstände, leisteten dagegen das Versprechen und den Eid, die Rechte des Landes aufrecht zu erhalten. – So war die Feier am Herzogsstuhle in Kärnthen, die dem Eide eines Fürsten auf die Verfassung der Sache nach völlig gleich kam.

Der Fürstenstein, der noch vor ein paar Jahren auf einem Acker unweit der Kirche von Karnburg stand, ist nun im Museum zu Klagenfurt zu sehen und hat vollkommen die Form des obersten Theiles eines Säulenschaftes mit dem Capitäl, mit einer Höhe von beiläufig einundeinhalb Fuß; auf der oberen Fläche des Capitäls erkennt man noch die Spuren des eingemeißelten kärnthnerischen Wappens. Nach der ganzen Form des Steines zu schließen, wurde er aus den Ruinen von Virunum hierher gebracht und als Fürstenstein gebraucht, zu welchem Zwecke wohl später das Landeswappen eingemeißelt wurde.

Der Herzogsstuhl selbst besteht, wie schon erwähnt, aus zwei Sitzen, die durch eine Rücklehne getrennt sind, die, aus einem Stücke gemacht, sechs Fuß hoch ist. Die Sitze selbst sind aus ganz roh geformten ungleichartigen Steinen zusammengesetzt. Aus dem Umstande, daß nicht zusammenpassende Steine zum Aufbau verwendet und nothdürftig zu Sitzen zusammengestellt wurden, geht deutlich hervor, daß sie nicht eigens für den Herzogsstuhl angefertigt, sondern, wie sie eben vorgefunden, auch benutzt worden sind; höchst wahrscheinlich wurden auch diese Steine den Ruinen der verlassenen Römerstadt entnommen und, entsprechend der rauhen Zeit, bei Auswahl und Aufbau ohne Sorgfalt und Schönheitssinn zu Werke gegangen. Im Jahre 1834 hat man den Herzogsstuhl mit einem Eisengitter umgeben, zunächst wohl, um ihn als solchen kenntlich und die Vorübergehenden darauf aufmerksam zu machen; denn geschützt ist er durch seine massive Schwere und Kunstlosigkeit wohl zur Genüge.

Zwei Inschriften finden sich am Stuhle. Die eine an der Lehne soll deutlich Rudolphus dux geheißen haben, ist aber gegenwärtig ganz und gar unleserlich. Die andere befindet sich an den Steinen, welche die nordwestliche Ecke des Stuhles bilden, läuft von oben nach unten und läßt deutlich die Worte „Masueti veri“ erkennen; auf einer andern Seite kommt noch einmal das Wort „Veri“ vor. – Jarnik, der überhaupt das ganze Denkmal den Slaven vindiciren wollte, erklärte diese Inschrift für slavisch und deutet sie so: „Er hat den wahren Glauben“, was auch frageweise genommen und so mit der dem Herzog vorgelegten Frage in Verbindung gebracht werden kann. Der gegenwärtige Director des kärnthischen Geschichtsvereines M. v. Moro aber hat aus der Stellung und Art der Buchstaben, so wie aus dem Sinne und Klang der Worte das Unwahrscheinliche dieser Annahme nachgewiesen und die näherliegende aufgestellt, daß, wie die Steine Römersteine, auch die Inschrift eine römische sei. Leider hat in neuester Zeit ungeachtet des Gitters eine frevelnde Hand die theilweise schon schwer leserlich gewordenen Buchstaben besser auszumeißeln versucht und dadurch jede weitere Untersuchung unmöglich gemacht.

Der Zeitpunkt, wann der Herzogsstuhl errichtet und die beschriebene Ceremonie eingeführt worden, läßt sich mit Bestimmtheit nicht festsetzen, doch ist es wahrscheinlich, daß sie aus der Zeit der slavischen Fürsten des Landes, aus dem Ende des siebenten oder dem achten Jahrhundert stamme. Ein Kärnthner Chronist sagt, nachdem die Heiden (Avaren) das Land verwüstet und wieder abgezogen, habe das Volk sich aus einem christlichen Bauerngeschlechte einen Herzog gewählt und auch für die Zukunft die Belehnung des Herzogs durch einen Bauern eingeführt. So erklärt sich die Ceremonie mit den dabei vorkommenden Fragen allerdings ziemlich ungezwungen.

Sie hat sich, so alt sie war, lange erhalten, auch nachdem die Slaven wieder vertrieben worden waren. Herzog Ernst der Eiserne war der letzte Fürst, der am 18. März 1414 dem Inaugurationsacte am Fürstenstein in Karnburg sich unterwarf. Die folgenden Regenten empfingen meistens die Huldigung der Landstände am Herzogsstuhl und unterließen die Einsetzung und Eidesleistung gegen Ausstellung einer schriftlichen Schadlosverschreibung und Bestätigung der Privilegien. Der letzte Fürst, der auf dem Herzogsstuhle saß und die Huldigung empfing, war Erzherzog, dann Kaiser Ferdinand der Zweite. Am 28. Jänner 1596 unterzog er sich der Ceremonie. Ferdinand der Dritte und Vierte ließen die Huldigung durch Bevollmächtigte, aber noch am Herzogsstuhle, die folgenden aber im Landhause zu Klagenfurt vornehmen.

Länger als der Gebrauch am Zollfelde waren die Rechte des Herzogbauers aufrecht erhalten, wie der Bauer genannt wurde, in dessen Familie das Recht, auf dem Stuhle zu sitzen und den Herzog einzusetzen, vererbt wurde; er wurde auch Edelbauer, Edlinger oder geradezu Herzog genannt und hatte seinen Wohnsitz in Blasendorf. Es ist unbekannt, wann und wie die Familie zu diesem Rechte gelangte; urkundlich nachweisbar ist nur, daß dem Edlinger vom Erzherzog Ernst dem Eisernen 1414 die Steuerfreiheit für seine zwei Huben in Blasendorf ertheilt wurde; die folgenden Regenten bestätigten diese Freibriefe, so Kaiser Leopold der Erste im Jahre 1660 in Klagenfurt, wo er den Herzogbauer vor sich kommen ließ und zur kaiserlichen Mittagstafel zog. – Die letzte diesbezügliche Urkunde ist die Verordnung des Kaiser Franz vom 15. Februar 1823, womit er dem Josef Edlinger

  1. Den ganzen Vorgang hat Anastasius Grün in seinem „Pfaff von Kahlenberg“ sehr schön besungen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_535.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)