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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


geblieben: Die Betheiligung von Seiten der Dichter, Künstler, Gelehrten und deutschen Männer war doch nur eine specifisch württembergische. Aus anderen Theilen des Vaterlandes waren nicht einmal die namhaftesten Dichter erschienen, hatten auch keinerlei Gaben und Huldigungen ihrer Muse geschickt!

Darum stand Ludwig Uhland nun nicht minder markig und in straffer Haltung auf seinem erzenen Postamente. Die rechte Hand drückt mit ausdrucksvoller Geberde eine Rolle gegen die Brust; der linke Arm ist gestreckt, die Hand zur Faust geballt. Aeußerst gelungen erscheint die Haltung des Kopfes; derselbe leuchtet durchgeistigt, trotz der starken Bildung um Nase und Mund und der spärlich umlockten Stirn.

Von den in sitzender Stellung aufgefaßten Hochreliefs stellt das erste an der Vorderseite die Germania vor, das edle volle Weib mit dem Eichenkranze, die Linke auf den Schild, der den einköpfigen deutschen Adler trägt, gestützt, mit der Rechten im Buche der Verheißung blätternd; dann südlich die Dichtkunst mit wallendem Haar, das sinnende Haupt auf der Linken ruhend, mit der Rechten die Leier haltend; endlich nach Norden die Forschung, auf einem Sitze von Folianten, das faltige Gewand halb über den Kopf gezogen; auf ihrem Schooße ruht ein Foliant, in dem sie leicht vorgebeugt liest. Auf der Rückseite des Postaments steht die Widmung: „Ludwig Uhland, dem Dichter, dem Forscher, dem deutschen Manne das dankbare Vaterland. MDCCCLXXIII.“

So sei denn, Du Kämpfer für edle Sitte, Recht und Freiheit, für die Ehre und Herrlichkeit des deutschen Volkes, und nicht zuletzt für die Herstellung humaner Zustände in allen Schichten der Gesellschaft – sei in Deinem Standbilde ein ferneres, weit sichtbares Wahrzeichen, daß Süd und Nord sich immer mehr ineinander hineinleben! Den Frankfurtern, die Dir einst zuriefen: „Es lebe die Freiheit!“ hast Du geantwortet: „Ja, aber die Freiheit nicht ohne Einheit!“ Und in diesem Sinne hat auch Dein alter Freund Dr. Zimmermann, der „Geschichtsschreiber der Wahrheit“, auf dem Feste öffentlich für Dich gezeugt. Schaue hinaus auf den neuvollendeten Hort der Hohenzollern! Die schwäbische Alb ist eine der Ehrenketten Deutschlands. Das Anfangsglied bildet der Hohenstaufen und den Schlußstein ziert das verjüngte Kaiserdiadem. So berühren sich Natur und Geschichte. Du aber, Mann mit dem deutschen Kerngemüthe und dem „Herzen für’s Volk“, wie würdest Du Dich, Dein eigen Ich vergessend, der Wiedergeburt des Vaterlandes aus voller Seele gefreut haben! Hast Du doch gesungen:

„Wohl werd’ ich’s nicht erleben,
Doch an der Sehnsucht Hand
Als Schatten noch durchschweben
Mein freies Vaterland!“

Dr. G. Keyenberg.




Das Asyl einer vielbedrängten Königsfamilie.


„Misérable château!“ schrieb Rustan, Napoleon’s Leibmameluk, mit Kreide auf die Fensterladen des Landhauses bei Königsberg, in dem Friedrich Wilhelm III. und Louise in den Zeiten der tiefsten Erniedrigung Deutschlands während der Sommermonate 1808 und 1809 gewohnt hatten. Es war zu der Zeit, als sein Herr am 12. Juni 1812 sich sofort nach seinem Eintreffen in Königsberg nach den „Hufen“ hatte hinaus fahren lassen, um dort Logis zu nehmen, aber schon nach zweistündigem Aufenthalt sehr enttäuscht nach der Stadt zurückgekehrt war. Napoleon liebte es, sich an Orten einzuquartieren, die der von ihm gekränkten Herrscherfamilie zur Wohnstätte gedient hatten, und die schöne Preußenkönigin war dem großen Kaiser keine gewöhnliche Frau auf dem Fürstenthron seit jener bekannten Unterredung in Tilsit, wo sie, freilich vergebens, um Erleichterung des Schicksals ihres unglücklichen Landes gebeten hatte. Napoleon brach beim Abschied eine Rose und reichte sie ihr mit einer galanten Redensart.

Sie sprach in hohen Sitten
Mit königlichem Sinn:
„Ich habe nichts zu bitten
Als Preußens Königin;
Als Mutter meiner Söhne
Thu’ ich die Bitt’ allhie,
Zu geben mir die schöne
Stadt Magdeburg für sie.“

Napoleon blieb ungerührt, aber noch auf St. Helena äußerte er zur Ehre der Königin: „Sie blieb trotz meiner Gewandtheit und aller meiner Mühe Herrin der Unterhaltung und dies mit so großer Schicklichkeit, daß es nicht möglich war, darüber unwillig zu werden. Auch muß man sagen, daß ihre Aufgabe wichtig, und die Zeit kurz und kostbar war.“ Dessen mochte er sich erinnert haben, als er vor seinem Zuge gegen Rußland, mit dessen Kaiser er damals über das preußische Herrscherhaus hinweg Frieden geschlossen hatte, in der alten Krönungsstadt Rasttag hielt und seinen Reisewagen hinaus dirigirte, um zu übernachten, wo die edle, schon am 19. Juli 1810 heimgegangene und als „Schutzgöttin des Volkes“ angebetete Königin Erholung von ihren Sorgen und Kümmernissen gesucht und gefunden hatte.

„Misérable château!“ – Wahrhaftig! Der Leib-Mameluk that dem einfachen Landhause schon viel zu viel Ehre an, wenn er es überhaupt ein „château!“ nannte; es hat nie dafür gelten wollen. Aber noch ehrender ist sein „misérable“ . Es drückt seine allerhöchste Leibmameluken-Verwunderung darüber aus, daß in einem so elenden Häuschen ein König und eine Königin Hof halten konnten, von denen die Welt sprach. Aber das ist es gerade, was uns dieses Plätzchen Erde bemerkenswerth macht; ja, es ist überhaupt das Einzige, was daran bemerkenswerth ist. Stände da wirklich ein Schloß, auch nur ein recht bescheidenes, so zeigte vielleicht ein guter Königsberger in seinem Localpatriotismus darauf: „Da haben einmal die Eltern unseres Kaisers gewohnt!“ aber darüber hinaus spräche Niemand davon, und die „Gartenlaube“ hätte nicht ein Bild begehrt, um allem Volk das mehr als einfache Haus zu zeigen, mit dem der bürgerliche Sinn des hohen Dulder-Paars sich zum zweimaligen Sommeraufenthalt begnügte.

Wenn man das Steindammer Thor, jetzt einen stattlichen Festungsbau, verläßt und links über das Glacis schreitet, gelangt man auf eine breite Chaussee, die auf beiden Seiten von Landhäusern mit baumreichen Gärten eingefaßt ist. Etwa zehn Minuten weiter durchschneidet sie in einer Einsenkung ein Bach, dessen ziemlich hohe, mit Bäumen bepflanzte Ufer zu hübschen Anlagen benutzt sind. Einige dieser Häuser, von wohlhabenden Königsbergern gebaut, jetzt aber meist zu Gastwirthschaften eingerichtet, präsentiren sich nicht übel im Villenstil, einfach sind sie aber alle, wenn man sie mit Bauten zu ähnlichem Zweck in anderen Städten vergleicht. Eine kleine Viertelstunde hinter der Brücke über den Bach, da wo die Chaussee die Höhe des Pregelufers erreicht, liegt rechts „Louisenwahl“, links der dazu gehörige sogenannte „Busolt’sche Garten“, ein kleiner Park, der in seinem hinteren Theil jenen Bach aufnimmt, dessen Windungen ihm eine angenehme Abwechselung geben.

Das Haus selbst ist von Ziegeln gebaut, nur eine Etage hoch, nach der Vorderfronte zu mit einem drei Fenster breiten Ueberbau ohne jede architektonische Verzierung, übrigens mit einem verhältnißmäßig hohen Mansardendache versehen, nur mit Kalk abgeputzt und bisher nicht einmal durch eine Inschrift ausgezeichnet. Der hölzerne Vorbau ist kürzlich neu ergänzt, ungefähr in der Weise des älteren, nur etwas niedrigeren. Das Gewächshaus zur Seite ist ebenfalls neuern Ursprungs. Ohne eine Stufe steigen zu müssen, gelangt man durch die unter dem Balcon befindliche Mittelthür sogleich in die Wohnräume: ein kleines Gartenzimmer und zwei Stuben mit je zwei und einem Fenster zu beiden Seiten. Nach der Hofseite zu liegen noch einige Hinterzimmer neben Flur und Küche. Aus dem Mansardenstübchen hat man eine hübsche Aussicht über das breite Pregelthal bis zum Frischen Haff. Alle Räume sind niedrig, kaum neun Fuß hoch, ohne Schmuck, ziemlich beschränkt – das Ganze sicher nur den bescheidensten Ansprüchen einer Familie genügend, die sich in bürgerliche Verhältnisse zu fügen genöthigt ist. Wie ein fürstliches Paar mit mehreren Kindern und der ganz unvermeidlichen Dienerschaft dort monatelang hausen konnte, erscheint uns fast unbegreiflich. Als man die Königin auf die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_506.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)