Seite:Die Gartenlaube (1873) 479.JPG

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Der Loder.

Eine Geschichte aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)

„Du willst Spaß mit mir machen?“ fragte der alte Lindhamer.

„Fällt mir nicht ein. Hört nur zu,“ sagte Th’res, indem sie das Geschirr bei Seite stellte, „aber zuvor müßt Ihr mir versprechen, daß Ihr Euch nicht kränken und verzürnen wollt.“

„Was wird das wieder sein?“ murmelte der Alte bekümmert. „Nimmt denn das Kreuz und Elend noch kein End’?“

„Wer weiß! Wie ich aus dem Markt’ ’raus bin, ist mir der Herr Landrichter begegnet und hat mich angeredet. ‚Ist das nicht die Th’res vom Lindhamerhof?‘ hat er gesagt; ‚grüß’ mir den alten Schweden und sag’ ihm, es freut mich, daß ich ihm wieder ’was Gutes zu wissen machen kann. Wenn er will, kann er auf dem Lindhamerhof bleiben; der fremde Herr, der ihn gekauft hat, kommt vielleicht unter Jahr und Tag noch nicht; er hat dort, wo er daheim ist, ein großes Geschäft, von dem er sobald nicht los kommt …“

„Ja, wie soll denn das werden?“ fragte der Alte. „Warum hat er dann den Hof gekauft?“

„Das weiß ich nit,“ erwiderte Th’res. „Der Herr Landrichter hat mir nur soviel gesagt, daß der Herr mitunter viel reisen muß, und da ist er auch in unsere Gegend gekommen, und weil’s ihm da so viel gut g’fallen hat, hat er seinem Advocaten den Auftrag gegeben, wenn er ein schönes Gut fände, sollt’ er’s für ihn kaufen, und da hat ihm der Advocat so viel Schön’s von dem Lindhamerhof und so viel Gut’s von Euch geschrieben, und nun will er haben, Ihr sollt’ derweil’ auf dem Gut bleib’n, bis daß er selber kommt, und sollt für ihn wirthschaften und ich mit Euch.“

„So, so; das ist es also –“ sagte der Alte kopfschüttelnd, als sie inne hielt. „Das ist wohl gut gemeint, aber es ist nichts für mich – ich bin alt und blind und taug’ nimmer zum Wirthschaften und hernach …“

„Hernach? Ihr habt noch was sagen wollen?“

„Hernach – ich will’s nur ’raus sag’n, was ich mir denk’ … ich bin nit nur alt und blind, ich bin auch arm – aber lieber will ich alle Tage eine ungeschmalz’ne Wassersupp’n essen, als auf’m Lindhamerhof, wo meine Urahn’ln gehaust haben und wo ich Herr g’wesen bin, als Knecht oder Baumann ’rum gehn und um Lohn dienen –“

„I hab’ mir’s ’denkt, daß Ihr so sagen werdet,“ sagte Th’res seufzend, „und ich kann Euch nit Unrecht geben, wenn ich auch wollt’ … Ihr wollt also nit bleiben?“

„Nein; morgen kannst wieder hineingehn nach Aibling, kannst es dem Herrn Landrichter sagen und stift’st die Logie …“

„Das Eine hat’s nicht nothwendig,“ sagte Th’res wieder, „denn wenn auch der Herr nicht kommt, hat er doch einen guten Freund vorausg’schickt, so einen Werkführer oder was – der ist schon da und kommt schon heut’ Nachmittag auf den Hof. Er bringt Geld mit und hat schon Vieh eingekauft, das schönste, das in der ganzen Gegend zu haben gewesen ist – in einem Vierteljahr, hat er gesagt, soll kein Mensch mehr davon wissen, daß der Lindhamerhof auf der Gant gewesen ist.“

Der Alte hatte sich aufgerichtet; ein schwacher Freudenschimmer überleuchtete seine Züge.

„Hat er das gesagt?“ rief er. „Nachher soll’s ihm gut gehn, wer’s auch ist – wenn er’s so richtig im Sinn hat, nachher hab’ ich doch wenigstens den Trost, daß der Lindhamerhof nit zertrümmert und der schöne Wald nit niedergeschlagen wird. Was ist das auch Besonderes? Der Hof bleibt, der Bauer wechselt,“ setzte er mit einem Tone hinzu, der erkennen ließ, daß er kaum Athem genug hatte, das Wort hervorzubringen. „Es bleibt dabei,“ sagte er dann nach kleiner Pause, „morgen gehst Du in aller Früh; aber jetzt sag’ den Leuten drüben, was sie erfahren müssen! Es muß doch eine Stuben hergericht’ werden, wenn der Fremde kommt …“

„Das Hinübergehn nutzt nichts, Vater,“ sagte Th’res. „Es ist Niemand mehr drüben – der Dickel und die Bäuerin sind schon abgezogen …“

Der Greis zuckte zusammen; aber er hatte kein Wort des Bedauerns oder der Entrüstung, daß man gegangen war, ohne es ihn wissen zu lassen. „Dann ist’s freilich was Anderes,“ sagte er ruhig; „dann müssen wir, wenn wir auch nit Wirthschafter sein wollen, doch so thun – wenn der Mann kommt, muß er doch irgend wen finden – drum wirst schon so gut sein und herrichten müssen. Laß mich nur allein, ich brauch’ nichts und will nichts hören … Wenn der Fremde kommt, kannst mir’s ja sagen …“

Schweigend ging Th’res, das Unvermeidliche zu besorgen. Als der Alte gehört, daß die Thür in’s Schloß gefallen war, tastete er sich bis zu derselben hin und schob den Riegel vor –

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_479.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)