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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

einem folgenden öffentlichen Waldhornconcerte mitwirken durfte. Das Concert hatte, wie zu erwarten, den glänzendsten Erfolg, und es ist deshalb ebenso natürlich als verzeihlich, daß die Erinnerung daran in Felix jubelnde Accorde weckte, die auch in seinem spätern Briefe noch lebhaft nachklingen. Wir theilen denselben, um unsern Lesern zugleich die damalige Handschrift Mendelssohn’s zu zeigen, als autographirtes Facsimile mit.

Das schelmische Lächeln dieses kindlichen Humors in trockenen

Ich lese so eben deinen Brief durch und sehe daß du Ende Octobers von Kaiserslautern reist. Ich habe Dir schon gesagt, warum ich nicht früher geschrieben; sehr leid aber würde mir es thun, wenn Du diesen Brief nicht erhieltest, Du hättest Ursache, böse auf mich zu sein. Unser Sophrihan befindet sich sehr wohl, und läßt dich grüßen, Herr Lerger auch; Dieter hat mir gesagt, ihr würdet bald wieder nach Berlin reisen; schreibe mir doch, ob sich dies bestätigt. Dieser Brief ist Abends 7 Uhr beendigt und ich lasse

deinen Vater durch ihn grüßen. Vergiß nicht mein Rudolphchen, meine nassen Küße; ich schreibe Dir hier trockenere, und bleibe ganz gewiß


dein Freund 
F. Mendelssohn


Da ich deinen
Brief erst den 28sten Dez.
erhalten habe so
datire ich
Berlin den 1sten November.
1819.

Küssen wirkt wahrhaft erquickend. Der Humor ist denn auch im Jünglinge nie vertrocknet, und wer seine Reisebriefe durchblättert, findet darin volle Sträuße humoristischer Blüthen. Wie viel Humor der gereiste Componist in seinen Capriccios, Scherzos, besonders aber im „Sommernachtstraum“ und in der „Walpurgisnacht“ herausgesprudelt hat, kennt jeder mit Mendelssohn’s Genius nur einigermaßen Vertraute. Sollte aber nicht in Mendelssohn die Erinnerung an das so folgereich für ihn gewordene Zusammenspiel mit den beiden Gugel in dem Waldhorntrio noch in späteren Jahren Nachwirkungen gehabt haben, daß vielleicht seine Vorliebe für süße und weiche Hornaccorde, denen wir in vielen seiner reizvollsten Compositionen begegnen, aus jenen tiefen Eindrücken der Kinderzeit gekommen und verblieben ist? Wie es auch sei, jedenfalls haben wir dem Waldhornfreunde Mendelssohn’s für gütige Ueberlassung des „trockenen Kusses“ in Briefgestalt unsern Dank auszusprechen.

B. S.

Zur Naturgeschichte des deutschen Komödianten.
3. Der Graf Hahn. Von Adolf Meyer.

Die Romantik der deutschen Bühne ist dahin. Mit Hendrich’s Tode schloß sie das Thor ihrer Wundergärten und stieg mit ihrem letzten Repräsentanten in’s Grab. Nach und nach folgten ihr die treuen Trabanten, die sogenannten Bühnenoriginale. Sie nahm sie mit sich in’s Reich der Vergessenheit. Das Leben dieser Bühnen-Trabanten war ein Stück Poesie, ein Stück jener duftigen, zauberhaften Romantik, die sich über das ganze damalige Theaterleben gleichsam ergoß.

Die originellste Erscheinung, die mir auf meinem Bühne-Wanderpfade begegnete, war der Graf Karl Hahn-Neuhaus. Nie wird diese Begegnung aus meiner Erinnerung schwinden. Graf Hahn-Neuhaus verdient es, der Vergessenheit entrissen zu werden, um bei dem jungen Nachwuchs der deutschen Bühnenwelt in frischem Andenken fortzuleben; denn Keiner wohl hat wie er dem Theater so ungeheure Opfer gebracht, Keiner ist der Bühne bis zu seinem letzten Stündlein so treu geblieben, wie er. Ich will es versuchen, dem geneigten Leser aus dem so vielbewegten Leben dieses seltenen Mannes interessante Ereignisse mitzutheilen, die ich theils selbst mit ihm erlebte, theils der Mittheilung meiner Collegen, die früher als ich dem originellen Greise nahe gestanden, verdanke.

Graf Karl Hahn-Neuhaus erblickte das Licht der Welt auf dem Gute Remplin in Mecklenburg im Jahre 1782. Das Schicksal bettete den kleinen Grafensohn in den Schooß eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_459.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)