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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Der Brief führt uns den zehnjährigen Felix im köstlichen Uebermuthe der Flegeljahre und mit dem anmuthigen Lächeln des Schalkes vor die Seele und gewährt uns einen Einblick in das kunstbelebte Treiben und Walten im Vaterhause. Dort wurden in seinen jugendlichen Geist schon alle die vortrefflichen Triebe und Keime gelegt, die dann so glücklich emporsproßten und durch Fleiß, Sorgfalt und die Sonne des Glückes zu so reicher Blüthe gediehen.

Mein lieber Signore Rudolph!

„Ich weiß gar nicht was ich von dir denken soll“ – – du hältst mich für einen Lump einen Liedrian, und du, du Schlingel, was bist denn du? ? – – “ „– – Ich schreibe ihm zweimal ohne Antwort soll ich mich nicht rächen? und Vorwürfe! unwürdiger Freund! Na! Pace! das war Spas Na! Pace! jetzt kommt Ernst Ich denke noch oft an

Wie der große Bengel dastand und pustete, auf einem Horn welches noch einmal so groß als er selbst war.

Aber wirklich! ich habe dir darum nicht geantwortet weil ich dieser Tage so viel zu thun gehabt habe, daß ich selbst vom Latein französisch und Rechnen zusammengebaut war. Eine Doppelsonate, die ich componierte, kam dazu und so wurde ich selten vor halb 9 Uhr fertig. Freilich, du hast bei deinem Onkel gute Tage

.... le cor et la paresse se disputent mon con

Und glaube mir wärst du noch hier geblieben (und auch mein Freund) ich wäre zu weilen mit einer Hand voll Arbeit so gekommen wie du damals mit einer Hand voll Arbeit gekommen wärst, hättest du so viel zu thun gehabt.

Zu den zahlreichen Musikgenies und Weltreisenden, die in dem Musik-Eldorado des Banquiers Mendelssohn in Berlin gastfreie Aufnahme fanden, gehörte auch ein damals berühmtes Waldhornisten-Brüderpaar, das auf seinen großen Kunstreisen gern in Berlin Station machte. Joseph und Heinrich Gugel, jener 1770, dieser zehn Jahre später in Stuttgart geboren und Beide Schüler ihres Oheims Schöll in Wien, waren noch als Kinder von ihrem Vater, nur wenige Kreuzer in der Tasche und ihre Instrumente unterm Arm, mutterseelenallein zum Geldverdienen in die Welt geschickt worden. So kamen sie 1795 nach Hildburghausen, wo sie sofort als Kammermusici angestellt wurden und zehn Jahre lebten. Hier stand damals die musikalische Kunst in hoher Blüthe, die Herzogin (Charlotte, Schwester der Königin Louise von Preußen) galt als eine der größten Sängerinnen jener Zeit, von der selbst ein Reichardt sagte, daß sie allein im Stande sei, eine Marchetti (damals berühmteste italienische Sängerin in München) zu ersetzen; es lag also nahe, daß in den zum nicht geringen Theil sehr tüchtigen Mitgliedern der Capelle ein Wetteifer lebte, mit ihren Leistungen nicht zu tief unter ihrer Herzogin zu stehen. Und Das war die wahre Schule für beide Gugel. Vom achtbarsten Ehrgeiz getrieben, strengten auch sie alle Kraft an, auf ihrem Instrumente das Höchste zu leisten, – und sie erreichten dieses Ziel. Dieses Höchste suchten sie in einem sanften und seelenvollen Vortrag, einem leichten und sehr präcisen Ton, obgleich sie auch in dem, was man gewöhnlich unter Virtuosität versteht, keinem Waldhornisten ihrer Zeit nachstanden. Es war natürlich, daß sie sich auch als Künstler fühlten und sich nicht zum alltäglichen Gebrauch hergaben. Deshalb verweigerten sie entschieden den Gehorsam, als ihnen einmal zugemuthet wurde, bei einem Hofballe mit zum Tanz zu blasen, und da ihre Weigerung ihnen Arrest zuzog, so verließen sie den herzoglichen Dienst und trennten sich dann. Joseph reiste noch einige Zeit in Deutschland umher, ging dann nach Paris und ist seitdem verschollen. Heinrich wandte sich nach Petersburg, wurde erster Hornist am kaiserlichen Theaterorchester, und er ist es, der mit seinem damals zwölfjährigen Sohne sich im Winter 1818 wieder einmal im Mendelssohn’schen Hause aufhielt. Mit diesem Sohne Gugel, der damals schon ebenfalls als Waldhornvirtuos in Concerten mitwirkte und später auch als wirklicher Künstler Ruhm und Ehren davongetragen hat, schloß der für Freundschaft hochempfängliche Felix sofort einen ewigen Bund, und es entspann sich daraus ein fröhlich animirter Briefwechsel zweier gleichartiger Wunderkinder. Zu einer von Vater Mendelssohn veranstalteten Soirée; zu welcher eine glänzende Gesellschaft größerer oder geringerer Capacitäten geladen war, spielte Felix in einem Trio für Piano und zwei Hörner (letztere durch die erwähnten Virtuosen, Vater und Sohn, vertreten) seine Partie, trotz der Schwierigkeiten, welche in der Composition für seine kleinen Finger lagen, so überraschend schön, daß es dem Zurathen des gewissenhaften Lehrers Berger und dem Ansturme der Bewunderer gelang, dem widerstrebenden Künstlervater Mendelssohn die Erlaubniß abzulocken, daß Felix auch in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_458.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)